Friede, Freude, Freiheit?
"Blessings from Mousganistan" von Mous Lamrabat im FOAM

14. November 2022 • Text von

Das Foam in Amsterdam zeigt mit “Blessings from Mousganistan” derzeit die außergewöhnlich farbenfrohe Welt des Fotografen Mous Lamrabat. Die politisch und religiös aufgeladenen Bilder visualisieren eine ganz eigene Utopie des Friedens und der Hoffnung, in die wir eingeladen werden. Statt düsteren Farben und Gefühlen von Schwere treffen die Betrachter*innen hier auf schrille Farbwelten und wiederkehrende popkulturelle Bezüge.

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Warning, 2021 © Mous Lamrabat / Loft Art Gallery.

Mit Eintritt in die künstlerische Welt von Mous Lamrabat im FOAM in Amsterdam findet man sich als Betrachter*in zunächst unzähligen Farben, Formen und uns vertrauten Symbolen ausgesetzt, die allesamt versuchen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nach kurzer Eingewöhnung, sortieren sich die Synapsen allmählich und können wahrnehmen, was hier eigentlich im Museumsraum passiert. Einen Ausstellungsraum in “Blessings from Mousganistan” durchquert man ohne Schuhe auf einem eigens gestalteten Teppich auf dem sich wiederholende Gesichter abgebildet werden, die einen aus einem zartrosa Blütenbett heraus anschauen. Trotz der Gewissheit, dass es sich hierbei lediglich um einen Teppich handelt, macht sich das Gefühl von Vorsicht in einem breit, beim Streifzug durch den Raum nicht doch versehentlich auf eines der vielen Gesichter zu treten. Also aufgepasst!

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X-Rated#1, 2017 © Mous Lamrabat / Loft Art Gallery.

Im hinteren Teil des Raumes wird ein umgedrehtes, gelbes und skulpturales M von Mous Lamrabats Fotografien eingerahmt. In nur wenigen Sekunden lässt sich dieser Buchstabe als weltbekanntes Symbol der Fast-Food-Kette Mc Donalds identifizieren. Nur eben auf den Kopf gedreht. Symbolen aus der Mode- und Markenwelt begegnet man in den Arbeiten immer wieder. Mous Lamrabat verhandelt in seinen Fotoarbeiten gewaltvolle, politische sowie rassistische und religiöse Themen, die jedoch einen ganz anderen Ausdruck finden, als man es zunächst erwarten würde. Der Künstler arbeitet bewusst mit einer breiten Farbpalette, Glanz-Effekten und Bezügen zu seiner muslimischen Heimat. Wie der Ausstellungstitel bereits vermuten lässt, kreiert er eine eigene Welt, eine Utopie des Friedens, der Hoffnung und der Liebe. Er schafft einen Ort, an dem Menschen einfach sein können, akzeptiert und geschätzt werden – ganz egal, wo sie herkommen, welche Sprache sie sprechen oder welcher Religion sie angehören.

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Mashallah with extra cheese, 2021 © Mous Lamrabat / Loft Art Gallery. // Slow it down, 2017 © Mous Lamrabat / Loft Art Gallery.

Bekannte Bildelemente, wie das Mc Donalds, Chanel oder Nike Logo werden in Mous Lamrabats Arbeiten teilweise dekonstruiert, in einen anderen Kontext gesetzt beziehungsweise in ein neues vermeintliches “Normal” transformiert. Dabei findet er nicht selten einen gewissen Witz und Humor, die mit der Bildsprache mit transportiert werden. Seine künstlerische Welt arbeitet mit vertrauten Elementen, zeichnet aber eine strahlendere Realität, die ganz im Zeichen der Schönheit und der Liebe steht. Auch das Medium der Fotografie transformiert er auf vielseitige Art und Weise. So finden sich seine Bilder nicht nur gerahmt an der Wand, sondern auch auf Stoffe aufgezogen von der Decke hängend oder skulptural lebensgroß mitten im Raum stehend. Die Museumsräume sind teilweise eng, sodass die Betrachtenden teilweise nicht drum herumkommen, sich nah und intensiv mit den Bildern auseinanderzusetzen.

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Luv Ryders, 2021 © Mous Lamrabat / Loft Art Gallery.

Mous Lamrabat liebt die ästhetische Inszenierung, den Menschen als Individuum und die Modewelt – das ist unverkennbar. Er visualisiert eine Wunschvorstellung, die in vielen von uns wohnt: die Hoffnung auf eine bessere, friedlichere Welt, auf ein liebevolleres Miteinander. Ob dieser Wunsch irgendwann in Erfüllung geht? Das scheint gerade in Zeiten wie diesen, wo vielerorts Krieg, Proteste und Gewaltverbrechen herrschen, nahezu unvorstellbar. Dem ist sich sicher auch der Künstler bewusst, doch entscheidet er sich in seiner Kunst bewusst für eine andere Bildsprache, eine andere Geschichte, die er erzählen möchte. Die Betrachter*innen sehen hier keine Grausamkeiten, keine Gewalt und keine Trauer.

Mous Lamrabat schafft es, ganz neue Erzählungen zu Rassismus, Krieg und Religion zu entwickeln, die Freude bereiten und zum Schmunzeln bringen. Sie lassen die Betroffenheit und Sorgen des Alltags für einen Moment verfliegen und bedient sich einem universellen Vokabular, das die Betrachter*innen unabhängig von ihrer Herkunft und Muttersprache verstehen und einordnen können. Mous Lamrabats Kunst rüttelt nicht auf. Nein, sie besänftigt und beruhigt, macht Spaß und besitzt eine große Strahlkraft – hoffentlich über die Museums- und Stadtgrenzen Amsterdams hinaus.

WANN: Die Ausstellung “Blessings from Mousganistan” läuft noch bis zum 4. Dezember 2022.
WO: FOAM Fotografiemuseum Amsterdam, Keizersgracht 609, 1017 DS Amsterdam.

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