Die Monster in uns
Killa Schuetze im Off-Space Parfümerie

17. Oktober 2024 • Text von

Killa Schuetze hinterfragt die Grenzen des Mediums Fotografie, indem sie auf Layering und einen kollaborativen Ansatz setzt. Dabei löst sie die Hierarchien zwischen Fotografin und den abgebildeten Personen auf und eröffnet die Frage: Welche Räume können für wen und auf welche Weise zugänglich gemacht werden? (Text: Theresa Weise)

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Killa Schuetze, If we are standing on the shoulders of giants, what are we reaching for?, Ausstellungsansicht, Ausstellungshalle 1A, Foto: Silke Briel. // Killa Schuetze, Städelschule Rundgang 2024, Ausstellungsansicht, Städelschule, Foto: Silke Briel.

Es ist das wohl berühmteste Monster der Filmgeschichte: Godzilla. Die 50 bis 118,5 Meter hohe echsenartige Kreatur ist in zahlreichen japanischen und amerikanischen Filmen aufgetreten und hat das Monster-Phänomen in Film und Fernsehen maßgeblich geprägt. Dabei hat sich die Konnotation von Gut und Böse stets geändert.

Auch die deutsch-peruanische Künstlerin Killa Schuetze hat sich dem Godzilla-Motiv genähert. Für die Fotografie “Godzilla II”, die beim Rundgang der Städelschule 2024 zu sehen war, erhielt sie den Preis für Junge Fotografie von der Albig Foundation. Der Preis umfasst die Realisierung einer Ausstellung. Diese hat die Künstlerin in zwei geteilt: Auf „If we’re standing on the shoulders of giants, what are we reaching for?“ in der Ausstellungshalle 1A golt nun „Now is the time of monsters“ im Off-Space Parfümerie in Frankfurt.

In ihrer Praxis arbeitet Schuetze mit Installationen und Fotografien, die sie einem Prozess des Layerings unterzieht. Dabei greift sie oft das Thema des Monsterhaften auf, um gesellschaftliche Fragen von Inklusion und Exklusion zu beleuchten. Welche Räume können für wen und auf welche Weise zugänglich gemacht werden? Wie können vorhandene Zuschreibungen durchbrochen werden? Wie können FLINTA*-Personen auf der Bildfläche der Fotografie verstärkt erscheinen? 

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Killa Schuetze, If we are standing on the shoulders of giants, what are we reaching for?, Ausstellungsansicht, Ausstellungshalle 1A, Foto: Silke Briel.

Im ersten Teil der Doppel-Ausstellung hat Schuetze Schwarz-Weiß-Fotografien von Frauen gezeigt, die selbstbewusst und störrisch die Besucher*innen anschauen. Es handelte sich um Freundinnen der Künstlerin, die durch ihre Bomberjacken, ihre Blicke und Körperhaltungen miteinander verbunden waren. Die Bomberjacke fungierte dabei als eine schützende Rüstung, die Stärke und Unantastbarkeit vermittelt. Sie erschien als eine Form der Wappnung: vor der Welt, vor Blicken und Vorurteilen. 

Die Körperhaltungen der Frauen strahlten Abwehr und Entschlossenheit aus, ähnlich der Haltung, die man von Türsteher*innen in Clubs kennt. Dabei griff Schuetze auf persönliche Erfahrungen zurück. Sie hat als Türsteherin in Frankfurt und Berlin gearbeitet. In dem Beruf kommt es auf Präsenz und den richtigen Blick an, um die Warteschlangen und den Club zu kontrollieren und Zugänge zu schaffen oder zu verwehren. Diese Erfahrungen flossen in ihre Arbeiten ein und eröffneten Themen rund um Machtstrukturen und Hierarchien. Dabei steht immer die Frage: Wer darf rein, wer muss draußen bleiben?

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Killa Schuetze, If we are standing on the shoulders of giants, what are we reaching for?, Ausstellungsansicht, Ausstellungshalle 1A, Foto: Silke Briel.

Die Überführung der Porträts in eine surreale, fast entrückte Gefühlswelt sei für sie von zentraler Bedeutung, wie Schuetze im Gespräch mit gallerytalk.net betont. Die Porträts seien nicht darauf ausgelegt, Betrachter*innen zu schmeicheln oder sich gefällig zu präsentieren. Stattdessen forderten sie auf subtile Weise eine Konfrontation heraus. „Ich will kein typisches Foto-Gesicht“, lautete die Anweisung der Künstlerin bei der Aufnahme der Motive. „Ich will eine ‘rouge realness’.“ 

In Schuetzes Arbeit geht es um Entscheidungen, die sowohl visuell als auch emotional getroffen werden müssen: “Kommst du durch die Tür oder nicht? Passen wir auf einer menschlichen Ebene zusammen oder nicht?”, beschreibt sie. Diese Fragen spiegeln sich in den Fotografien wider, die Themen wie Härte und Weichheit, Abwehr und Zugang erkunden. Im Mittelpunkt steht, wie man auf Menschen zugehen und welche Zugänge geschaffen oder verwehrt werden – sowohl physisch als auch emotional.

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Killa Schuetze, Now is the time of monsters, Ausstellungsansicht, Parfümerie, Foto: Silke Briel.

In der zweiten Ausstellung „Now is the time of monsters“ in der Parfümerie sind nun zwei stark bearbeitete, verschwommene Schwarz-Weiß-Fotografien zu sehen. Schuetze unterzieht diese Bilder einem Prozess, der sich um die bewusste Loslösung von ihrem eigenen künstlerischen Einfluss dreht. Nachdem sie die Personen fotografiert hat, scannt sie die Aufnahmen. Den Scanner platziert sie dabei auf einer großen Lautsprecherbox. Der Bass der Musik bringt das Gerät während des Scannens zum Vibrieren, wodurch die Fotos auf unvorhersehbare Weise verfremdet werden. Mit diesem Eingriff minimiert die Künstlerin ihren ursprünglichen gestalterischen Einfluss und zieht sich aus dem kreativen Entscheidungsprozess zurück, um Zufall und äußere Einflüsse in ihre Arbeit einzubeziehen. 

Auch bei ihren One-Minute-Sculptures steht für die Künstlerin im Mittelpunkt, Entscheidungen abzugeben. Für eine Minute formt sie den Ton und lässt die entstandenen Skulpturen danach einfach fallen. Dabei schafft sie eigene Regeln, denen sie sich als Künstlerin unterzieht, um sich bis zu einem gewissen Grad zu erodieren und die Verantwortung abzugeben. 

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Killa Schuetze, Now is the time of monsters, Ausstellungsansicht, Parfümerie, Foto: Silke Briel.

Ein zentrales Thema in Schuetzes Praxis ist die Kontrolle – oder vielmehr das bewusste Loslassen selbiger. Die Künstlerin gibt ihren Einfluss auf den kreativen Prozess gezielt ab und teilt ihn mit den abgebildeten Personen. Dieses Teilen von Entscheidungen und das Einbeziehen von Zufällen wird zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Kunst. Es geht weniger darum, was die Künstlerin selbst sieht, sondern vielmehr um das, was andere in den Werken erkennen.

Besonders deutlich zeigt sich Schuetzes kollaborative, fast performative Arbeitsweise in ihren Fotografien. Darin durchbricht sie bewusst die traditionelle Hierarchie zwischen Model und Fotograf*in, indem sie die porträtierten Personen aktiv in den kreativen Prozess einbezieht und zu den Themen ihrer Arbeit befragt. Diese enge Zusammenarbeit schafft eine spürbare Intimität, die in vielen ihrer Werke präsent ist. Diese Nähe wird allerdings gleichzeitig in eine komplexe Bildsprache überführt, die oft irritierend wirkt. Die Intimität wird gezielt gebrochen – durch Elemente wie Godzilla, durch den bewussten Einsatz von aktiver und passiver Bildbearbeitung, sodass die Grenzen zwischen realen und fiktiven Körpern zunehmend verschwimmen.

WANN: Die Ausstellung “Now is the time of monsters” von Killa Schuetze läuft bis Sonntag, den 20. Oktober.
WO: Parfümerie, Jürgen-Ponto-Platz 2, 60329 Frankfurt am Main.

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