Bewegte Leben
Mira Mann in der Galerie Drei

26. Februar 2025 • Text von

In Mira Manns Ausstellung „Solo“ in der Kölner Galerie Drei verschmelzen Objekte unterschiedlicher Provenienzen zu kinetischen Neuschöpfungen. In der Verbindung von Elementen eines Trabantenmotors mit den Accessoires einer koreanischen Tänzerin adressiert Mann Fragen nach der Fluidität transkultureller Prozesse und Identitäten jenseits binärer Logiken. Dabei steht die Performanz der Objekte in direktem Austausch mit jener der Besuchenden. 

Ein Gong steht in der rechten Ecke des Galerie Raumes, an der gegenüberliegenden Wand sind silberne, kreisförmige Objekte installiert
Mira Mann: “Solo”, 2025. Foto: Cedric Mussano, Courtesy: Mira Mann und Drei, Köln.

Ein Surren und Scheppern erfüllt die Galerie Drei. Bei Betreten des Vorraumes beginnt eine Reihe dort an der Wand aufgereihter silberner, mit dünnen, schwarzen Kabeln verbundener Objekte zu vibrieren. Auf Hochglanz poliert fangen die vier kreisförmigen Metallschüsseln wie Fisheyespiegel die Körper der im Raum Anwesenden ein und setzen in ihrer Erschütterung auch die Projektionen dieser subtil in Bewegung. Der Blick auf die Werkliste verrät: Es handelt sich um Radkappen eines Trabanten, bewegt von einem dahinter verbauten Sextoy, dessen Motor wiederum von einem Bewegungsmelder im Raum ausgelöst wird. 

Der im gleichen Raum prominent an der Stirnseite installierte und den Radkappen formal erstaunlich ähnliche Gong jedoch bleibt zunächst seltsam stumm. Mit einem Mikrofon versehen, theatral den Besuchenden zugewandt und von Spotlights angestrahlt inszeniert Mann das Instrument in „Solitary Dancer“ als einsamen Bühnenstar. Erst beim Verlassen des Raumes, wenn sich keine Personen mehr dort aufhalten, wird es durch einen antagonistischen Sensor, der mit zwei Vibratoren verbunden ist, betätigt. Der Bewegung der im Raum Anwesenden kommt eine zentrale Rolle in „Solo“ zu: Ihre An- beziehungsweise Abwesenheit nimmt direkten Einfluss auf die visuelle und akustische Rezeption von Manns Werk.

Zwei grelle Fächer hängen an der Wand
Mira Mann: “Poison Fan”, 2025. Tanz-Fächer, Trabant-Scheibenwischer und Motor. Courtesy: Mira Mann und Drei, Köln.

Sound und Bewegung, das sind Elemente, die das Werk Mira Manns seit Jahren prägen. Mal innerhalb skulpturaler und installativer Arbeiten, häufig auch im Rahmen von Performances. So choreographierte Mann etwa 2024 in der Klosterruine Berlin „objects of the wind II”, eine Performance mit zwei Berliner Perkussionsorchestern, in der sich Trommelrhythmen, Motive koreanischen Pansorigesangs und traditioneller Tanz zu einer alternativen Form des musikalischen Geschichtenerzählens verwoben. Im Zusammenspiel ergab sich ein Resonanzraum für diasporischen Zusammenhalt und kollektive Erinnerung. Häufig reflektieren die Arbeiten Manns’ eigene Herkunft und die Hybridität von Identitätskonstruktionen geschlechtlicher wie kultureller Art. 

In Köln wird Manns Auseinandersetzung mit Aspekten physischer Performanz und akustischer Rhythmen im Untergeschoss der Galerie auch inhaltlich zum Sujet. Dort treffen Besuchende auf eine zentrale Figur innerhalb Manns gegenwärtiger Recherchen: Choi Seung-Hee, eine Tänzerin, die in den 1930er-Jahren als erste Frau aus Korea, das zu der Zeit japanischer Kolonialherrschaft unterlag, durch Europa und die USA tourte. In ihren Performances, die die westliche Avantgarde rund um Pablo Picasso und Charlie Chaplin begeisterten, kombinierte Choi folkloristische Tänze mit schamanischen Ritualen und verband Elemente divergierender kultureller Provenienzen. Immer wieder trat sie als Mann verkleidet auf; Messer zählten ebenso zu den Accessoires der von ihr entwickelten Tänze wie bunte Fächer. 

Nahaufnahme des Gesichtes einer Frau in schwarz-weiß.
Mira Mann: “Cinemateque Moranbong”, 2025. 80 projected slides. Foto: Cedric Mussano, Courtesy: Mira Mann und Drei, Köln.

Mit der Diashow „Cinemateque Moranbong“ erweckt Mann die Choreographien Chois, die 1946 nach Nordkorea emigrierte, dort eine Tanzschule eröffnete und sich in internationalen sozialistischen Organisationen engagierte, wieder zum Leben: Eine doppelte Projektion mit zwei Diakarussells wirft Replikate historischer Aufnahmen eines Auftrittes ihrer Tochter Ahn im „Moranbong Theatre“ in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang so übereinander, dass ein Stop-Motion-Effekt entsteht, der die statischen Fotografien in Bewegung zu setzen scheint.

Diese wiederum entspringen ursprünglich einer Reise, die der französische Autor, Regisseur und Fotograf Chris Marker in der 1950er Jahren nach Nordkorea unternahm und die in seinem Fotoband „Coréennes“ mündete. Sein Archiv verblieb nach seinem Tod in der Pariser Cinémateque Française, in der Mann während einer Residency forschte. Vor Ort durch das konvexe Glas einer Lupe fotografiert, legen die Bilder Manns einen weiteren Filter – eine weitere Übersetzung – über die historischen Archivalien. Durch die Neukontextualisierung, das „Sampling”, bereits existierender Materialien offenbaren sich zeit- und raumübergreifende Bezugnahmen der kulturellen Produktion, aber auch perspektivische Verschiebungen ihrer Rezeption.

Ein mit Messern versehener Motor liegt am Boden eines Raumes.
Mira Mann: “Kosmobile”, 2025. Messer, Wartburg-Schaltgetriebe, Kupplungsscheibe, Elektromotor, Kabel. Courtesy: Mira Mann und Drei, Köln.

Andere skulpturale Arbeiten imaginieren in der Verbindung von Trabiteilen mit Accessoires der von Choi geprägten Tänze Momente vergegenständlichter sozialistischer Verbrüderung. Ein Motor lässt Messer tanzen und die stetig aufeinanderschlagenden Klingen klirren, ein Scheibenwischer wippt zwei grelle, mit Federn versehene Fächer unentwegt hin- und her. Nicht ohne Nostalgie haucht Mann totgesagten Objekten wieder Leben ein – die volkseigenen DDR-Trabanten werden seit 1991 nicht mehr produziert. In der Verbindung vermeintlich gegensätzlicher Objekte reflektieren die Arbeiten aber auch Fragen nach internationalen kulturellen Übersetzungen und Verflechtungen. Denn gänzlich autonome Entitäten gibt es nicht: Alles ist in Bewegung. 

WANN: Die Ausstellung „Solo” läuft bis zum 12. April.
WO: Galerie Drei, Jülicher Straße 14, 50674 Köln.

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