Von Mittelalter, Minimalismus und Lässigkeit
Sebastian Jefford und Oliver Osborne bei Becky's Berlin

14. Juni 2021 • Text von

Wo liegt die Schnittmenge zwischen Mittelalter und Minimalismus? Diese Frage wirft die Ausstellung „The Medieval and the Minimal“ bei Becky’s in Berlin auf. Die kleine aber feine Ausstellung ist die wenig spektakuläre, jedoch nicht minder beachtliche Eröffnungsschau der neuen Galerie der britischen Künstlerin Rebecca Ackroyd. Sie zeigt Arbeiten von Oliver Osborne und Sebastian Jefford.

Becky’s, “The Medieval and the Minimal”, 2021, Installation View. Photo: Nick Ash.

Die Ausstellung „The Medieval and the Minimal“ ist überschaubar. Nur vier Arbeiten säumen den Galerieraum, drei hängend, eine am Boden platziert. Das ist wenig und dennoch füllen die Arbeiten den Raum in besonderer Weise aus. Das mag an der geringen Raumgröße liegen, aber nicht nur. Es liegt auch an den Arbeiten selbst. 

Oliver Osbornes „Stillleben“ (2021) ist eines der vier Werke, das sich in bemerkenswerter Weise zurückhaltend verhält, in diesem kargen Raum mit dem Neonlicht, und doch in einer Weise aus ihm hervortritt. Als hätte die weiße Fläche des Untergrundes das Licht selbst verschluckt strahlen ganz sanft cremeweiß-farbene Kacheln auf mit Sand aufgerauter Fläche von der Leinwand zurück. Wie Fotografien trägt diese Arbeit den Hauch von Vergangenem in sich, der anmutet wie der Rest, der übrig blieb, von was auch immer. Das hier ist, unschwer zu erkennen, Minimalismus pur.

Oliver Osborne, Another Portrait of a Fat Man, 2021, Oil on linen, 28.5 x 34 x 3 cm / 36.5 x 42.5 x 5, with frame. Photo: Nick Ash.


Im Werk „Another Portrait of a Fat Man“ (2021) ist es die Frisur des porträtierten Mannes, eine Nachbildung des Gemäldes „Portrait of a Fat Man“ (1425) des flämischen Malers Maître de Flémalle, die eine Referenz zum Mittelalter offensichtlich macht. Bei Oliver Osborne ist der Mann noch dicker als im flämischen Vorbild, das in der Berliner Gemäldegalerie hängt. Osborne hat den Porträtkopf mittels Photoshop aufgeblasen und in der für den jungen Künstler typischen Blattstruktur eines Gummibaumes platziert. Hier ist es die Hängung im Raum, die die kleinformatige Arbeit besonders wirken lässt: Nach der vermeintlichen Größe des Mannes ausgelotet, wirkt es, als stünde er da und blicke durch ein Fenster. 

Das Werk bildet auf diese Weise eine Referenz zum Raum, in dem es ausgestellt ist, und wird zu einem Beispiel dafür, dass der Teufel wie immer im Detail steckt.  

Oliver Osborne, Stillleben, 2021, Acrylic and gesso on canvas, 185 x 240 x 3 cm / 195 x 250 x 5, with frame. Photo: Nick Ash.

Der Minimalismus und das Mittelalter – das karg gestaltete Beiblatt zur Ausstellung regt dazu an, sich Gedanken zu machen über die Schnittstelle dieser beiden Sphären, die den Ausstellungstitel bilden und die (kunst-)historisch nicht weiter voneinander entfernt sein könnten – zumindest auf den ersten Blick. Es sind die formale Reduktion in Oliver Osbornes „Stilleben“ (2021) ebenso wie der Hauch von Vergangenheit, die dezente Rauheit der Oberfläche der Malerei, die eine erste Gemeinsamkeit dennoch erahnen lassen.

Zeit und Erinnerung, das seien die Themen in seinen ausgestellten Arbeiten, erklärt Sebastian Jefford, der bei meinem Besuch der Galerie selbst anwesend ist. Gemeinsam mit Rebecca Ackroyd teilt der Künstler sich derzeit das Atelier im Nebenraum, das nur durch einen weißen Vorhang von der Galerie getrennt liegt.  Zeit und Erinnerung, Alt und Neu, Anfang und Ende – das sind Themen, die sich in seiner Installation „Looping“ (2021), ein Gebilde aus Reifen, Plexiglas, Epoxidharz, Kelloggs Loops und Zement, spiegeln. 

Sebastian Jefford erzählt in dieser Arbeit von der Erinnerung an das Frühstück als Kind in Form der Frühstücks-Loops, von Spuren des Erlebens in Form abgenutzer, schmutziger Reifen und bei alledem vom Lauf der Zeit, der sich in der Form des Kreises widerspiegelt. Formal ganz und gar in der Gegenwart platziert, schwingt bei dieser Arbeit dezent Vergangenes mit. Und sicher auch eine Portion Humor. Wir reden schließlich von Kelloggs Loops.

Sebastian Jefford, Looping, 2021, Perspex, car tyres, cereal, epoxy resin, cement. Photo: Nick Ash.

Das alles zusammen genommen ist nicht spektakulär und auch nicht außerordentlich großartig in Form und Gestalt. Die Ausstellung „The Medieval and the Minimal“ bei Becky’s kommt recht unscheinbar, unprätentiös und ungezwungen daher. Das bestätigt der Empfang der Künstlerin in Arbeitsmontur aber auch die Unregelmäßigkeit, in der es hier Ausstellungen zu sehen geben wird. Die nächste ist für August geplant, danach, wer weiß. Es ist gerade diese Lässigkeit, die Besitzerin, Ausstellung und den Space als solchen sehr sympathisch machen. 

Es lohnt sich ein Besuch nach vorheriger Terminvereinbarung. Denn am besten erzählen Rebecca Ackroyd, Sebastian Jefford oder Oliver Osborne selbst was sich hinter der kargen Oberfläche der Ausstellung noch alles verbirgt.

WANN: Die Ausstellung „The Medieval and the Minimal“ läuft noch bis Sonntag, den 20. Juni.
WO: Becky’s, Genthiner Straße 36, Berlin, Deutschland. (Besuch nur mit Terminvereinbarung per Mail oder Instagram via @beckys_berlin)

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