Stille aushalten
"Maschine" bei Gruppe Motto

14. April 2025 • Text von

Analoge und neuerdings digitale Maschinen ermutigen durch unterschiedliche Mechanismen zur Interaktion mit Menschen. Was aber, wenn keine Antwort kommt? Wenn digitale Kommunikation allgegenwärtige Verbindung verspricht, kann die Abwesenheit von Feedback zur Bedrohung werden. Fern von dystopischen Technoszenarien wirft die Ausstellung „Maschine“ bei Gruppe Motto einen Blick auf die Erwartung, gehört zu werden.

Mimi Hope, Obsession Remains, 2025, Radierung auf Faserpapier, Holz, jeweils 13 x 27 cm, Ausstellungsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. Foto: Paula Hummer.

Die “Golden Record” ist eine analoge, vergoldete Kupfer-Schallplatte, auf der sich von einem Team unter der Leitung von Carl Sagan kuratierte Geräusche, Grußworte in unterschiedlichen Sprachen, Musik, Informationen und eingravierte Bilder über das Leben auf der Erde befinden. Mit der Mission, menschliches Wissen und Kultur in die Weiten des Alls zu tragen und damit potenzielle außerirdische Zivilisationen zu erreichen, wurde jeweils eine Ausführung an Bord der Raumsonden Voyager 1 und 2 in den 1970er Jahren ins Weltall geschickt, welches sie noch heute durchreisen.

Mit der Konzeption des Ausstellungsraums unternimmt auch das kuratorische Kollektiv um die Gruppe Motto den Versuch, das Alltägliche des menschlichen Lebens mit künstlerischen Positionen zu umkreisen. Das Team veröffentlicht regelmäßig öffentliche Ausschreibungen zur Einreichung von Arbeiten – jeweils zu einem Begriff, der aus dem gelebten Umfeld stammt. In vier bis sechs Gruppenausstellungen pro Jahr wird dieser zentrale Begriff zum Ausgangspunkt für die künstlerischen Beiträge, die nach dem Open Call ausgewählt werden. Verganene Ausstellungen waren beispielsweise: Haus, Sex, Tag, Nacht, Sport und Tiere.

Mimi Hope, Obsession Remains (i), 2025, Radierung auf Faserpapier, Holz, 13 x 27 cm, Installationsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. // Mimi Hope, Obsession Remains, 2025, Radierung auf Faserpapier, Holz, jeweils 13 x 27 cm, Ausstellungsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. Foto: Paula Hummer.

Während die Botschaft der Golden Record ins All bisher ohne Antwort blieb, gab es zur aktuellen Ausstellung „Maschine“ eine Vielzahl an Einreichungen. Bei der Tour spreche ich mit einem der Kurator*innen der Ausstellung, Samuel Witt und der Künstlerin Mimi Hope über das All. Ausgangspunkt dafür war Hopes “Obsession Remains” Serie, streng nebeneinander gehängt und in Holzrahmen eingefasst, ist die Arbeit eine Widmung an Warhols “Thirteen Most Wanted Men”, jener vom Künstler geplanten Siebdruckserie, die Fahndungsfotos der meistgesuchten kriminellen Männern im Jahr 1964 zeigte. Allerdings sind statt Fahndungsfotos bei “Obsession Remains” Motive zu sehen, die an Satellitenaufnahmen erinnern: breite Horizontlinien und grelle, explosionsartige Lichteffekte auf einer einfarbigen, schwarzen Fläche.

Hope entnahm die Motive ihrer insgesamt 13 Schwarz-Weiß-Radierungen Still-Frames früherer iPhone-Werbefilme, die sich die Weiten des Weltraums als Hintergrund für die Präsentation des Telefons zunutze machten. Aus dem funkelnden Stern entspringt eine gleißende Linie, die sich durch den Frame zieht – und langsam die Umrisse des Smartphones nachfährt. Wenn es auf der Erde nicht mehr weitergeht, muss eben der Blick herausgezoomt werden. Dass ein verheißungsvolles Versprechen vorliegt, sollte klar werden, allerdings lautet die Frage: Was genau wird eigentlich gesucht?

Miles Schuler, nature morte I, 2024, Acrylfarben, UV-Druck und Gesso auf Holz, 170 x 140 cm, Installationsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. // Albert Oehlen, Ohne Titel, 2022, Aquarellfarben und Tinte auf Karton, 35,9 x 28,3 cm x 2,8 cm, Installationsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. Foto: Paula Hummer.

Resonanz als anthropologisches Grundbedürfnis beschreibt das menschliche Verlangen, in der Welt eine Antwort zu erfahren. In Zeiten der digitalen Transformation zeigt sich dieses Bedürfnis in einer wachsenden Sehnsucht nach Feedback: Wie oft am Tag greifen Menschen zum Smartphone, nur um irgendeine Form von Resonanz zu spüren? Spiegelndes Glas, glänzendes Metall, klare, scharfe Kanten, die Ecken ganz leicht abgerundet: Neben der verheißungsvollen Bewerbung des Produkts wird dieses Bedürfnis auf mehreren Ebenen angesprochen, sowohl im Design und in der Oberfläche des Objekts, als auch auf dem Bildschirminhalt. Miles Schulers Werk „nature morte I“ (2024) thematisiert diese sinnliche Erfahrung digitaler Oberflächen. Die Arbeit, die einen typischen iPhone-Homescreen zeigt, kombiniert Acrylfarben, UV-Druck und Gesso auf Holz und erinnert an die haptisch-visuelle Qualität digitaler Interfaces. 

Neben der rein visuellen Gestaltung digitaler Interfaces entwickeln sich im Kontext der Digitalisierung auch neue Praktiken und Instrumente der resonanzgesteuerten Geste. Swipen, Tippen, Scrollen, Liken – all diese Handlungen sind körperliche Ausdrucksformen einer digitalen Kommunikation, die auf Reaktion abzielt; ein System, das Antworten verspricht und damit dem Bedürfnis nach Verbindung entgegenkommt.

Luzia Cruz, Vacuum Broken Crowns, 2025, Vakuumpumpen, Schlauch, Raspberry Pi Display, Studiomonitor Lautsprecher, Timer, Plexiglas, Vinyl, Holz, ein Video- und Tonkanal 8‘20”, Installationsansicht, Gruppe Motto, Hamburg, 2025. Foto: Paula Hummer.

Wenn das Echo fehlt, wird Stille spürbar: „Vacuum Broken Crowns“ von Luzia Cruz ist eine mittig im Raum installierte Videoarbeit installiert, die von einer metallenen Konstruktion hängt. Sie zeigt die Nahaufnahme einer Person, die einen Text vorliest; eine Beschreibung des Moments vor einer Explosion: Die Stille davor, so heißt es, sei ein ebenso lautes Geräusch. Cruz’ Arbeit bezieht sich auf den Roman „The Bell Jar“ der amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath, der von der zunehmenden Isolation seiner Protagonistin handelt. An der Außenwand des Ausstellungsraums pumpen zwei Vakuumpumpen kontinuierlich Luft aus dem Raum. Die Arbeit ruft das Bild eines „Bell Jar“-Experiments auf, einem einfachen physikalischen Versuch, bei dem einem durch eine Glasglocke isolierten Objekt, das einen Ton von sich gibt, mittels Vakuumpumpen die Luft entzogen wird – der Klang wird leiser, bis er schließlich ganz verschwindet. 

Im All gibt es keinen Sound: Schall benötigt Luft, damit die Schallwellen sich bewegen können. Laut dem Soziologen Hartmut Rosa ist Resonanz eine einander entgegenkommende Bewegung – sie ist nicht erzwingbar. Schon der Versuch, sie herzustellen, kann sie verhindern. Sie entzieht sich Kontrolle, Steuerung, Manipulation. Wird sie dennoch forciert, verwandelt sie sich in Begierde. Doch wenn sie entsteht, in Schwingung, dann kann eine beidseitige Verwandlung geschehen.

WANN: Die Ausstellung “Maschine” läuft noch bis Sonntag, den 27. April.
WO: Gruppe Motto, Speckstraße 85, 20355 Hamburg.

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