Geisterhafte Performance
Mariann Metsis bei Deborah Schamoni

20. Januar 2025 • Text von

Große, starre Augen blicken aus der Leinwand heraus. Zu sehen sind Frauen und Tiere in der Unterhaltungsindustrie, porträtiert mit weichen Pinselstrichen und verschwommenen Konturen. In ihrer ersten Einzelausstellung bei Deborah Schamoni “Bals des victimes” thematisiert Mariann Metsis in ihren Malereien die Flüchtigkeit von performativen Momenten in einer mediengeprägten Gesellschaft.

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Installation view, Mariann Metsis, Bals des victimes, Deborah Schamoni, 2024.

Zarte Konturen und überlagerte Schichten erwecken Assoziationen von verschwommenen Erinnerungen. Die dargestellten Szenen scheinen vertraut, als hätten wir sie schon oft in verschiedenen Situationen gesehen: Ein Seehund balanciert einen roten Ball auf der Schnauze; ein Windhund streckt uns sein Hinterteil entgegen; eine Frau posiert im Abendkleid. Mariann Metsis’ Gemälde schmiegen sich in die Räumlichkeiten der Galerie. In ihrer Einzelausstellung “Bals des victimes” bei Deborah Schamoni zeigt die Künstlerin eine Auswahl an neuen Malereien, die Frauen und Tiere in medial wiederkehrenden Situationen porträtieren. 

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Mariann Metsis, Performing Arts IV, 2024, Oil on linen, 125 × 45 cm // Mariann Metsis, hüljes V, 2024, Oil on linen, 40 × 30 cm.

Metsis’ Gemälde zeigen tierische Akteure, deren Abbilder zwischen Komik, Absurdität und Niedlichkeit oszillieren. Ihre Arbeit “untitled” zoomt auf die Schnauze eines Schafes, dessen leere, wirre Augen die Betrachtenden in den Blick nehmen. Weitere Tiere – Seehunde, ein Border Collie und Greyhounds – räkeln sich auf der Leinwand, ganz so, als ob sie uns gefallen wollen. Die Tiere sind für ihre Ästhetik und ihr Können bekannt. Während Seehunde in Zoos und Wasserparks Kunststücke zur Verzückung des Publikums aufführen, sind Windhunde eine hochgezüchtete Hunderasse, die für Geschwindigkeit und Eleganz steht. Sie sind nicht nur beliebte Haustiere, sie finden auch Einsatz in der Jagd und in Hunderennen. Auch Border Collies wurden für einen bestimmten Zweck, als Arbeits- und Hütehund, gezüchtet  – in jedem Fall existieren sie zur Unterhaltung des Menschen. 

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Installation view, Mariann Metsis, Bals des victimes, Deborah Schamoni, 2024.

Während die Tiere in Metsis’ Gemälden uns provokant entgegen blicken, scheinen die menschlichen Protagonistinnen leise mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Ebenso wie ihre tierischen Kumpanen sind auch die abgebildeten Personen Teil der Unterhaltungsindustrie. Die Arbeiten “the presenter” und “Is it a comedy? Is it a tragedy?” zeigen die schemenhaften Umrisse zweier Frauen. Die Werktitel geben einen Hinweis zur Tätigkeit der Personen, es handelt sich um eine Moderatorin und eine Schauspielerin. Ihre Gesichter sind anonym, ausdrucksleer. Sie vollführen eine geisterhafte Performance, grotesk und humorvoll zugleich. 

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Installation view, Mariann Metsis, Bals des victimes, Deborah Schamoni, 2024.

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Geister einer anderen Zeit. Die Bezeichnung “Bals des victimes” steht für eine Reihe von Tanzveranstaltungen, die während des Thermidorianischen Direktoriums, in den Jahren 1794 bis 1799, in Frankreich stattgefunden haben sollen. Die Bälle waren für die Überlebenden und Angehörigen derjenigen gedacht, die 1793 und 1794 unter der Guillotine oder durch andere politische Repressionen hingerichtet worden waren. Die Teilnehmer*innen sollen extravagante Kleidung und makabere Frisuren getragen haben, die visuell an die Guillotine erinnerten.  

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Mariann Metsis, hüljes VI (detail), 2024 , Oil on canvas, 40 × 30 cm // Mariann Metsis, Is it a comedy? Is it a tragedy? (detail), 2024 
Oil on linen, 125 × 30 cm.

Ob die dekadenten adligen Franzosen und Französinnen sich tatsächlich auf Opernbällen getroffen haben, wird von Historiker*innen inzwischen bezweifelt. Nichtsdestotrotz oder genau deswegen ist die Erzählung über opulent gekleidete Damen und Herren der nachrevolutionären Generation so reizvoll. Es handelt sich um eine Fantasie, eine Erinnerung, die besser ist als die Realität je war. Die Künstlerin verweist mit ihrer Titelgebung auf Gespenster, die durch leere Ballsäle tanzen, trotz des Terrors, den sie erfahren haben. 

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Installation view, Mariann Metsis, Bals des victimes, Deborah Schamoni, 2024.

Die Protagonist*innen in Mariann Metsis Gemälden erinnern ebenfalls an geisterhafte Erscheinungen, festgehalten in ihrer Pflicht, zu performen und zu unterhalten. Mit weichen Pinselstrichen gelingt es Metsis, flüchtige Momente auf den Leinwänden festzuhalten. Momente, die in einer Gesellschaft mit begrenzter Aufmerksamkeitsökonomie und überlagerten Medienbildern zu einer homogenen Masse verschmelzen. Die Seehunde, Greyhounds, der Border Collie, die Moderatorin und Schauspielerin sind Metsis Protagonist*innen in ihrem “Bals des victimes” – humorvoll und absurd zugleich.

WANN: Die Ausstellung “Bals des victimes” von Mariann Metsis läuft noch bis Samstag, den 15. Februar. 
WO: Deborah Schamoni, Mauerkircherstr. 186, 81925 München.

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