Drei auf der gezähnten Bühne
Magnus Hvidtfeldt im Chess Club

24. Februar 2025 • Text von

Der weit aufgerissene Mund war eines der Hauptmotive des irischen Malers Francis Bacon. In der Soloshow “Triptych & Studies” des Künstlers Magnus Hvidtfeldt im Chess Club wird er zur Bühne. Eine Reihe an Zähnen bildet das halbkreisförmige Podium im Hintergrund des Triptychons, auf dem sich seine gesichtslosen, tanzenden Figuren verteilen.

Magnus Hvidtfeldt, Triptych & Studies, Installation view, Chess Club, Hamburg, 2025. Photo: Raphael Massart.

Der Mund ist der am stärksten expressiv steuerbare Teil des Körpers. Er dient sowohl der affektiven Mitteilung von Freude, Trauer, Wut und Hass als auch der bewussten Verbindung zur Außenwelt, sei es durch Atmen und Sprechen oder durch biologische Funktionen wie die Nahrungsaufnahme.

Der Mund ist auch Ausgangspunkt in Magnus Hvidtfeldts Ausstellung “Triptych & Studies” im Chess Club. Hier stehen drei gesichtslose Figuren tänzelnd auf einer halbkreisförmigen Bühne, entlang deren Rand eine Reihe von Zähnen klafft. Es sind zu viele, um einer realen Abbildung zu entsprechen, obwohl es sich bei den einzelnen Aufnahmen um echte Röntgenbilder handelt. Im Gespräch mit dem Künstler fällt das Wort “viszeral” – einerseits als instinktiv und körperlich intensiv empfundene Wirkung und emotionale Reaktion auf beispielsweise etwas Gesehenes, andererseits in seiner zweiten Bedeutung: die Eingeweide oder das Innere betreffend.

Magnus Hvidtfeldt, Stuttering of a figure, 2023, Triptych, Inkjet print, letter transfer, mosaic mirror and oil on canvas, each 198 x 147.5 cm. Photo: Raphael Massart.

Für seine Malerei “Stuttering of a figure” setzte sich Hvidtfeldt mit dem irischen Maler Francis Bacon auseinander. Bacon war bekannt für die Darstellung deformierter, teilweise mit den sie umgebenden Räumen verwachsenen Körpern, sowie einer fast obsessiven Beschäftigung mit dem geöffneten Mund. Seine dargestellten Figuren – häufig befreundete Personen des Malers – setzte er vor abstrakte, monochromatische Hintergründe oder Interieurs, die von einem starken Kontrast zwischen Weite und Enge geprägt sind. Zudem umspannte er seine Figuren in einigen Werken mit gerüstartigen, rechteckigen Konstruktionen oder Linien. Formal griff er häufig auf das Triptychon, eine dreiteilige Bildkomposition, zurück, die Bewegung, Veränderung oder unterschiedliche Perspektiven einer Figur innerhalb eines Werkes erfahrbar macht.

Mit “Stuttering of a figure” greift Hvidtfeldt Bacons Motive und Bildaufbau auf und integriert zudem weitere Verweise zu Bacons Malerei, wie beispielsweise grafische Pfeile, die die Figuren umspielen. Die bei Hvidtfeldt anonym bleibenden Charaktere befinden sich in dynamisch wirkenden Posen, die auch eine Abfolge oder Studie darstellen könnten, wären es nicht klar erkennbar unterschiedliche Figuren. Hinter der Horizontlinie der Bühne spannt sich ein rötlich-flächiger Hintergrund, der eine unendliche Weite suggeriert. Während die Figuren bereits durch die Aufteilung auf jeweils eine der Flächen des Triptychons einem klar abgegrenzten Raum zugeordnet sind, werden zwei von einem rechteckigen Gitter eingezäunt.

Magnus Hvidtfeldt, Triptych & Studies, Installation view, Chess Club, Hamburg, 2025. Photo: Raphael Massart.

Räumlichkeit spielt nicht nur innerhalb der Malerei eine Rolle, sondern wird sowohl durch sie selbst als auch durch weitere Werke in den Ausstellungsraum übertragen. So bleibt es in Hvidtfeldts “Stuttering of a figure” beispielsweise offen, wo sich die betrachtende Person in Bezug auf die Malerei positioniert: Der Blick auf die Horizontlinie, die durch die Zahnreihe definiert wird, könnte einerseits in den Rachen hineinführen – oder aus ihm heraus, wodurch Betrachtende zum Teil der Szene werden.

Diese Wirkung wird sowohl durch die halbrunde Anordnung der drei Malereien verstärkt als auch durch die Räumlichkeiten des Chess Clubs. In Kombination mit dem dunkelrot verkleideten Boden und den ehemaligen Verkaufsflächen, die von einer verspiegelten Decke reflektiert werden, erhält die gesamte Szene eine fast körperliche Qualität. Es entsteht eine Transformation von der Fläche ins Dreidimensionale oder von einer Fläche zur anderen – etwa durch die Wiederholung von Spiegeln sowohl in der Malerei als auch im Raum. Kleine, rechteckige Spiegel auf der Leinwand setzen sich in langgezogenen Spiegelflächen im Raum fort, beispielsweise am Türrahmen. Während in der Malerei ein Faden zwei Figuren verbindet, tauchen die weißen Formen der Zähne aus dem schwarzen Rachen als weiße Flecken auf einer Bank wieder auf, die vor der Malerei platziert ist.

Magnus Hvidtfeldt, Triptych & Studies, Installation view, Chess Club, Hamburg, 2025. Photo: Raphael Massart.

Übergang und Transformation spiegeln sich auch in Hvidtfeldts Wahl der Techniken wider. Die Figuren seiner Malereien übertrug er zunächst per Transferprint einer Digitalfotografie auf die Leinwand, bevor er sie teilweise übermalte. Auch auf den Zähnen nutzte er diese Methode: Dort reihen sich Sätze und Wörter aneinander, die jedoch schwer zu entziffern sind – der Mund als Symbol für die wortwörtliche Aufnahme und Abgabe von Informationen, für Interpretation und Verarbeitung.

Die Bedeutung eines Werks entsteht in seiner Interpretation und Rezeption. Hvidtfeldts Arbeit entzieht sich durch die Wahl seiner drei gesichtslosen Figuren, gekleidet in hellgrüne Greenscreen-Bodysuits, einer eindeutigen Lesart. Sie verweigert sich der Interpretation oder öffnet zugleich eine unendliche Projektionsfläche. Die Figuren werden zu passiven Akteur*innen innerhalb der Arbeit und hinterfragen das Medium selbst.

WANN: “Triptych & Studies” läuft noch bis Donnerstag, den 20. März.
WO: Chess Club, Colonnaden 72, 20354 Hamburg.

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