Lücken in Bronze
Fiona Connor in der Secession

1. August 2019 • Text von

Ein kurzer Augenblick vor dem Beginn: Das grafische Kabinett der Wiener Secession wird momentan von Fiona Connor bespielt. Mit der zweiteiligen Ausstellung „#8,  Closed for Installation, Sequence of Events“ erschafft Connor eine bronzene Baustelle und installiert gleichzeitig zwei Arbeiten in Privatwohnungen.

Fiona Connor: Closed for installation, 2019, „#8, Closed for Installation, Sequence of Events,“ installation view, Secession 2019. Foto: Oliver Ottenschläger. Courtesy of the artist, 1301PE, Los Angeles, and Hopkinson Mossman, Wellington.

Es ist heiß auf dieser Sommerbaustelle. Die Hitze schlägt ins Gesicht und durchs Fenster quillt der Straßenlärm. Die Neonröhren an der Decke imitieren das grelle Licht der Sonne. Besucher*innen kommen die Stiegen herauf. Zuerst sehen sie einen bronzenen Plastikbeutel, in dem sich vermutlich Malerutensilien befinden. Dann biegen sie in den Ausstellungsraum. Sie bleiben kurz, schauen sich um und verschwinden wieder. Die auf dem Boden, dem Fensterbrett und in der Vitrine verteilten Bronzegüsse – einer Bohrmaschine, einer Wasserwaage, eines Kaffeebecherdeckels, eines Schemels und eines Maßbands, Arbeitsutensilien – rühren sich nicht von der Stelle. Die dreiundzwanzig von Fiona Connor unter dem Titel „Closed for Installation“ versammelten Werkzeuge sind statische Repräsentationen eines ephemeren Zustandes im Kunst- und Ausstellungsbetrieb. Sie sind Teile von Baustellen, von Auf-, Um- und Abbauten. Inszeniert werden die Objekte nicht großartig. Genau deswegen finden viele Besucher*innen größtenteils nicht, wonach sie eigentlich in einer Ausstellung zu suchen glauben. Fiona Connor verweist mit ihren Arbeiten auf einen Zwischenraum und einen kurzen Moment des Nichts. Denn den Zusammenhalt der Bronzegüsse bildet die Leere. Diese nimmt beiläufig, übersehen im Übergang zwischen zwei Ausstellungen, im Kontinuum des Kunstbetriebs einen größeren Platz ein, als oftmals zugeschrieben.

Fiona Connor: Closed for installation, 2019, „#8, Closed for Installation, Sequence of Events,“ installation view, Secession 2019. Foto: Oliver Ottenschläger. Courtesy of the artist, 1301PE, Los Angeles, and Hopkinson Mossman, Wellington.

Eine Baustelle ist ein Ort der Veränderung. Kontinuierlich füllt sich ein meistens unbebautes Grundstück, eine Örtlichkeit, über eine definierte Zeitspanne hinaus mit Elementen. Die Baustelle errichtet Raum und Inhalt in vormaligen Lücken und füllt scheinbare Leere. Leere gibt es jedoch nur in Antizipation auf etwas Volles, etwas Neues oder etwas Fehlendes. Jeder Bauprozess, jede Form des Hinzufügen oder Ablösens, jedes Füllen changiert zwischen Handgemachten und Industriell-Gefertigtem. Diese Ambivalenz ist ein zusätzlicher Aspekt, den Connor in ihren „Nachbildungen von übersehenen Dingen“ untersucht. Sie holt dabei Eingangstüren und Fenstertüren, Fassadenfragmente – alle samt umhüllende Bauteile – in den Ausstellungsraum. Die Anschlagtafeln, die vermehrt in ihrem Oeuvre zu finden sind, sind Elemente, die einen physisch leeren Ort mit Informationen, Einladungen und Gesuchen vervollständigen. Auch in anderen Arbeiten – wie zum Beispiel an Möbelhäuser erinnernde Sofaarrangements oder leere Verkaufsständer – zeigt Connor das Zusammenspiel zwischen Fülle und Leere und wie beide einander unabdingbar bedingen. Beide Zustände sind angenehm und unheimlich zugleich, jedoch überwiegt das Streben nach Menge und Inhalt. Das Nichts und seine Schönheit, sein Potential, erfährt meistens eine Auslassung. Setzkastensammelsurien aus Tätigkeiten und Dingen definieren  zu maßgeblichen Teilen das eigene Dasein. Connor gibt uns jedoch mit der Ausstellung einen Moment zum Durchatmen. Fast könnte man sagen, es wäre eine kleine Pause, die sie trotz einer Referenz auf die stressige Umbauphase, sehr bewusst in den hektischen Kunstbetrieb einschreibt.

Fiona Connor: #8, 2019, installation view, „#8, Closed for Installation, Sequence of Events.“ Foto: Oliver Ottenschläger. Courtesy of the artist, 1301PE, Los Angeles, and Hopkinson Mossman, Wellington.

Auch durch die installative Ausweitung in private Wohnräume erschafft Connor Zeitlichkeiten außerhalb der normalen Kalenderabfolge eines Ausstellungsbetriebs: im Karl-Marx-Hof wird eine Anschlagtafel in ein Wohnzimmer verlegt; in einer anderen Wohnung eine Türe nach Los Angeles getauscht und umgekehrt. Die Ausstellung errichtet mit diesen als „Sequence of Events“ benannten Interventionen eine Parallelwelt, die Connor durch das zeitgleiche Zeigen derselben Bronzewerkzeuge im Sculpture Center, New York auch noch verstärkt. Ihre Wiederholungen formen Objekte um. Sie kommen immer wieder, bilden etwas nach und sind trotzdem nie genau gleich. Spannend ist dabei der Gedanke, dass das Wiederholen und das durch Connors Wiederholungen hervorgehobene Zwischenstadium die von ihr kreierten externen Zeitlichkeiten zusätzlich verlangsamt.

Der Entzug der Anschlagtafel und der Türen, sowie die Gleichzeitigkeit in New York reduzieren und erweitern die Präsenz jedes einzelnen Bronzeobjekts im Obergeschoss der Secession. Alle geben kleineren, unsichtbareren Aspekten des sozialen Zusammenlebens Platz ihre Geschichten zu erzählen. Die Elemente selbst und das Ensemble sind wie eine Baustelle Fragmente des Füllens, Ausschnitte eines zukünftigen Ganzen oder Teilfüllungen im Prozess des Auf-, Um- oder Abbaus. Fiona Connor überlässt sie uns fast schüchtern. Sie stellt sie uns zurückhaltend, jedoch deswegen nicht weniger imposant zur Verfügung. Und am Imposantesten ist, dass sie uns mit dem kurzen Moment der Leere konfrontiert. 

WANN: Die Ausstellung kann noch bis 01. September 2019 immer Dienstag bis Sonntag von 10-18 Uhr besichtigt werden.
WO: In der Secession, Friedrichstraße 12, 1010 Wien.

Weitere Artikel aus Wien