Arbeit an der Basis
Yves-Michele Saß und Stefan Fuchs zum Ende von Loggia in München

15. Dezember 2022 • Text von

Seit 2017 hat sich der von Yves-Michele Saß und Stefan Fuchs betriebene Ausstellungsraum Loggia mit Einzel- und Gruppenausstellungen, Performances und Interventionen als wichtiger Knotenpunkt der jungen Kunstszene in München etabliert. Viele der gezeigten internationalen Künstler*innen hatten später Ausstellungen in Galerien, Kunstvereinen oder anderen Institutionen. Nun endet das Programm im Space in München und es fühlt sich fast an, als ob eine Ära langsam ausfadet.

Eröffnungsausstellung „Schickern“ mit Laura Hinrichsmeyer, Yutie Lee, Jonathan Penca, Iza Tarasewicz, 2017 | Courtesy Loggia, Munich/Vienna.

gallerytalk.net: Loggia war für eine lange Zeit ein Fixpunkt in der jungen Kunstszene in München. Warum hört ihr gerade jetzt auf?
Yves-Michele Saß: Loggia in München gibt es seit fünf Jahren, und für uns ist jetzt ein guter Punkt erreicht, was die Lebensdauer eines solchen Projekts betrifft. Es sind unterschiedliche Gründe, die zusammengekommen sind, weshalb wir uns dazu entschieden haben, in München das Programm einzustellen. Der gravierendste ist, dass Stefan nicht mehr in München und nach Berlin gezogen ist und ich in Wien bin. Es gibt aber, wie bei anderen Kunsträumen, natürlich auch weitere Gründe: Wir haben mit der Motivation angefangen, einen Ausstellungsraum zu machen, weil wir damals das Gefühl hatten, dass die Qualität der jungen Künstler*innen in München sehr hoch, aber die Sichtbarkeit verbesserungswürdig ist.

Stefan Fuchs – Der Gerümpelträger, 2019, Ausstellungsansicht | Courtesy Loggia, Munich/Vienna.

Was waren damals eure Ambitionen?
Yves-Michele Saß: Wir waren gerade mit dem Studium fertig und dachten, es gibt einen Bedarf für eine Plattform, die junge Künstler*innen unterstützen und fördern kann. Wir haben auch recht schnell Partner gefunden, die es uns ermöglicht und wahnsinnig dabei unterstützt haben, gut zu arbeiten. Ich hatte auch schon vorher Erfahrungen mit Art Spaces und es hat sich für mich geradezu luxuriös angefühlt auf dem Niveau und mit einem Budget einen Raum zu betreiben. Daher einen großen Dank an das Auktionshaus Karl und Faber und die weiteren Sponsoren. So hatten wir eine gute Struktur.

Hattet ihr konkrete Ziele?
Yves-Michele Saß: Ein wichtiger Punkt von Anfang a war das Gefühl, Teil einer Gruppe, einer Generation zu sein. In den letzten fünf Jahren haben wir unterschiedlichste Positionen präsentiert, aus München und aus Wien, für die eine Ausstellung bei Loggia eine künstlerische Weiterentwicklung oder eine Präzisierung der Arbeit ermöglicht hat. Natürlich nicht bei allen, aber bei einigen waren das womöglich Schlüsselprojekte. Für andere Künstler*innen haben sich dann Möglichkeiten in anderen Bereichen des Kunstsystems ergeben. Galerien haben diese Künstler*innen in Ausstellungen gezeigt, Kunstvereine und andere Institutionen.

Aline Bouvy – Maturity, 2018, Ausstellungsansicht | Courtesy Loggia, Munich/Vienna.

Welche Rolle sollte Loggia in diesem Kunstsystem spielen?
Yves-Michele Saß: Unser Verständnis war immer: Loggia ist ein Teil eines größeren Ökosystem. Da gibt es Blüten und natürlich auch Wirrwuchs. Wenn man einen Raum wie Loggia betreibt, macht man Basisarbeit. Dort werden die Samen gesät, manche wachsen und sprießen und manche werden später nicht gepflegt. Aber bis etwas komplett aufblüht kann das auch sehr lange dauern. Es ist schön zu sehen, dass man einen gewissen Impact gehabt hat. Interessant wird es wahrscheinlich in 20 oder 30 Jahren, dann sieht man, wer weiterhin präsent ist und inwiefern man Teil einer Historie geworden ist. Aber der Wunsch, eine Starthilfe zu geben, das hat auf jeden Fall funktioniert.

Stefan, wie siehst du das?
Stefan Fuchs: Es ist ja schon auch ambitioniert, dass wir zwei Räume betrieben haben, einen in München und einen in Wien. Wir haben teilweise bis zu zehn Ausstellungen im Jahr gezeigt. Das ist schon ein riesiges Pensum. Und das war parallel zu unserer eigenen künstlerischen Tätigkeit und Arbeit. Und man bereitet ja nicht nur die Ausstellungen vor, man kümmert sich auch um die Künstler*innen, wenn die vor Ort sind, gibt Touren und Führungen. Das passiert nebenbei. Diese fünf Jahre waren schon sehr intensiv.

Gruppenausstellung „veiled dreams – the happier mind“ mit Sebastian Burger, Matthieu Haberard, Jo Penca, Ellie de Verdie bei Loggia in Wien | Courtesy Loggia, Munich/Vienna | Foto: Flavio Palasciano.

Stefan, was war für dich die größte Motivation, einen Space zu machen?
Stefan Fuchs: Wie Yves schon gesagt hat, sehen wir uns als Teil einer künstlerischen Peergroup, einer Gruppe von Freunden und Freundinnen, mit denen wir oft zusammengearbeitet haben. Und daher kam das bei mir aus einer ganz persönlichen Ambition heraus, diese Künstler*innen bei Loggia zu zeigen, weil ich sie einfach unglaublich toll finde und irgendwie verehre. Ich bin auch einfach ein ziemlicher Kunst-Fan, ich sehe mir gerne Kunst an und sauge das auf. In dieser Hinsicht ist es einfach schön. Ich finde es gut, diesen Positionen eine Plattform geben zu können.

Lecture Performance von Jan Erbelding im Rahmen der Ausstellung „Gertrude“ mit Anna Schachinger, Nora Kapfer, Anne Rössner, Jan Erbelding, Gertrude Honzatko-Mediz, 2019 | Courtesy Jan Erbelding und Loggia, Munich/Vienna.

Gab es Ideen, Loggia in einer anderen Form weiterzubetreiben? Vielleicht als kommerzielle Galerie?
Yves-Michele Saß: Loggia als Format und als Raum kann so in dieser Form nur funktionieren, wenn es keine ökonomische Motivation dahinter gibt. Wenn wir das Projekt ökonomisch betreiben würden, müssten wir ein anderes Programm machen. Wahrscheinlich mit weniger Skulptur und mehr Malerei. Das wäre eine andere Logik. Aber das ist genau das, was mich nicht interessiert, Bilder zu verkaufen. Ich finde es spannend, einen Raum zu bieten, um interessante oder schöne Ausstellungen zu zeigen, die nicht kompromittiert sind durch weitere Parameter.

Wie meinst du das genau?
Die Frage ist ja, was ist Loggia? Ein Raum, oder das Programm mit den Künstler*innen, die wir gezeigt haben? Für mich ist die ultimative Antwort vielleicht: Loggia ist die formale Form meiner Freundschaft mit Stefan, ein zwischenmenschliches Format. Das war auch der Grund, warum es so lange Spaß gemacht hat.

Geht es euch mehr um den sozialen Aspekt, das Gemeinschaftliche?
Yves-Michele Saß: Genau, in dem Sinne ist das Format auch nicht an einen Raum gebunden, sondern könnte sich auch in etwas anderes weiterentwickeln, eine Partyreihe oder ein Podcast oder einfach ein Stammtisch. Und Loggia ist ja auch nicht vorbei, es geht ja noch in Wien weiter. Zwar in einem anderen Rhythmus, aber wir machen weiterhin Ausstellungen. Dort haben wir die Möglichkeit, einen Raum zu nutzen und zu arbeiten, da gibt es weiterhin eine Kontinuität.

WANN: Die Finissage „Yein Lee. Devouring Chaos“ ist am Freitag, den 27. Januar ab 19 Uhr, danach gibt es eine Closing Party.
WO: Loggia, Gabelsbergerstr. 26, 80333, München.

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