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Paul Mittler malt die aufsässige Crème de la Crème

23. Juli 2020 • Text von

Der Maler Paul Mittler und ich haben uns zufällig eines nachts im Juni in einer Bar in Wien wiedergetroffen und er lud mich ein, am kommenden Tag in seinem Studio vorbeizuschauen. Auch die Polizei war zu Gast und begleitete uns durch den Tag, während wir gemeinsam über seine Arbeiten sprachen.

Mann vor Feld und Schriftzug Hallo

Hallo (c) Paul Mittler

Würde ich eine Geschichte schreiben, wären Paul Mittlers Bilder wohl meine Muse. Die Geschichte ginge ungefähr so: Es war einmal ein junger Mann. Der liebte das Skaten und das Leben. Das Leben liebte er so sehr, dass er zu allem ja sagte. So sehr, dass er alles in sein Herz schloss, aufnahm und willkommen hieß. Sogar so sehr, dass er es gar nicht abwarten konnte, alles erlebt zu haben. Deswegen war er ungeduldig. Wie schon erwähnt, liebte er ja nicht nur das Leben, sondern auch das Skaten. Sich so fortzubewegen, passte zu seinem Charakter, so wild und laut und ungestüm. Ein Altweiberschreck. Doch natürlich nur nach außen. Ansonsten eine tiefsinnige Seele durch und durch.

Gemalte Füße aus Skateboard

Tod und Verderben (c) Paul Mittler

Trotzdem: “Tod und Verderben” für das spießige Leben wollte er bringen mit seinem Skateboard. Konnte nicht verstehen, wieso Menschen sich der biederen Alltäglichkeit hingaben. Die gesellschaftliche Meuterei des jungen Mannes blieb natürlich nicht lange unbemerkt. Die Staatsgewalt hatte ganz andere Liebhaberinnen als er. Ihre Namen waren Sicherheit und Ordnung. Und sollte jemand wagen sie respektlos zu behandeln, so würde ein jener schnell die Konsequenzen tragen.

Polizei

Just the two of us (c) Paul Mittler

So auch der junge Mann. Er bemühte sich noch zur Flucht, aber es half nichts. Sie hatten ihn erwischt und warfen ihn zu Boden. Sein Skateboard zischte ihm unter den Füßen weg und er fiel hart auf den Wiener Asphalt. Es regnete und die Zigarette, die er eben noch im Mund gehabt hatte, verglomm langsam in einer dreckigen Pfütze.

“Schwöre”, sagten die Polizisten zum jungen Mann, “dass du dich den Regeln der Gesellschaft beugst und von nun an so lebst, wie man es von dir erwartet”.

Gemalter Mann auf dem Boden liegend

Jetzt schwimmst du nur noch (c) Paul Mittler

“Niemals!”, rief Paul Mittler und kippte neuen Spritzer in mein leeres Glas.

Es war nachmittags, wir saßen in seinem Studio im sommerlichen Wien um über seine Arbeiten zu reden. Er möchte sich nicht der verrohten Szene hingeben, in der das Establishment der Kunstwelt wartet.
Paul Mittler hat an der Akademie der Bildenden Künste Wien in der Klasse von Daniel Richter studiert. Seit seinem Abschluss arbeitet er alleine in seinem Studio. Es ist eine neue Erfahrung, auf sich allein gestellt zu sein und weniger Rückmeldung von außen zu bekommen. Seine Arbeiten wirken, als würde er die Straße in sein Studio holen, das große Bild vom Feld mit Mann und stürmischem Himmel hängt an der Wand wie ein Fenster nach draußen in die weite Welt. Während ich so nach draußen in Pauls Himmel schaue, umringen mich Tiere wie Krähen und Haie, Menschen, teilweise nur ihre Körperteile und einige Bäume.

Hai

Hai (c) Paul Mittler

Viele seiner Arbeiten sind auf zwei Leinwände unterteilt, so dass er mit den Körperteilen spielen kann. Das gibt ihm die Freiheit, die Dinge in eine andere Reihenfolge zu stellen, als es sich gehört. Zum Beispiel zeigt eine Arbeit Bäume in italienischer Landschaft, die in der Mitte nach oben hin unterteilt sind. Paul zeigt mir die Möglichkeiten und hält die Baumkronen einmal oben, einmal an der Seite und darunter. “Man muss sie auch gar nicht zueinander hängen”, erklärt er mir, “man kann sie auch im Raum verteilen”. Den Freiraum wird das Auge schon ausfüllen. Ich stelle mir vor, wie ein ganzer Raum zum Wald wird. Während ich so nachdenke, schaue ich einem der Polizisten ins schwarze Gesicht. Der schaut zurück, zwinkert mir zu und schenkt mir noch ein wenig Spritzer nach.

Mehr von Paul Mittler gibt’s auf Instagram.

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