Highlights der Liste Art Fair Basel 2023 Diese Galerien solltet ihr nicht verpassen
5. Juni 2023 • Text von Anna Meinecke
Liste Art Fair Basel vereint wie kaum eine andere Kunstmesse jüngere Galerien mit bemerkenswertem Programm. 88 Aussteller aus 35 Ländern, über 100 Künstler*innen – was bleibt hängen? Bei diesen Präsentationen könnte es sich lohnen, genau hinzusehen.

Palace Enterprise, Kopenhagen
It’s a man’s world und so kann es vorkommen, dass Frauenkörper nicht mitgedacht werden. Besonders ärgerlich, sind plötzlich Leben in Gefahr. Die Sicherheit von Fahrzeugen wurde lange ausschließlich mit Crashtest-Dummys getestet, die dem Vorbild durchschnittlicher Männerkörper nachempfunden waren. “EvaRID” wurde als erster weiblicher Durchschnitts-Dummy entwickelt. Tora Schultz hat den Prototypen in eine Skulptur verwandelt. Die dänische Künstlerin inszeniert bei Palace Enterprise minimalistisch vertraute Objekte, geeignet, die ein oder andere Gender-Bias-Debatte auszulösen.

Peana, Monterrey/ Mexico City
Wie skulpturgewordene Zeichnungen eines verwunschenen Gartens präsentieren sich die Arbeiten des mexikanischen Duos ASMA. In ihnen verschmelzen natürliche Elemente, Kletterpflanzen oder Blüten, mit menschengemachten Raumreferenzen – hier ein Tor, dort ein Tisch. Die Galerie Peana zeigt formal statische Güsse, die Szenerien auf den Oberflächen aber scheinen in Bewegung, als ginge ein Windhauch durchs Blattwerk, kaum merklich und doch präsent.

Allen, Paris
Im Aquarium ist alles unter Kontrolle. Die Fische, die Algen. Nett sieht es auch aus – so von außen betrachtet. Trevor Yeung inszeniert die kleinformatigen Herrschaftsgebiete ästhetisch akkurat ohne die antizipierten Bewohner*innen und somit nicht nur rein faktisch leer, sondern auch als leere Fantasie individuell kultivierter Mini-Welten. Die Galerie Allen zeigt Yeungs Arbeiten gemeinsam mit denen von Tarek Lakhrissi. Der Künstler und Lyriker widmet sich in seinem Werk gesellschaftspolitischen Narrativen und spekulativen Transformationsszenarien.
Nir Altman, München
Durch opulente Wolkenlandschaften, Wassermassen, Rauch und Feuer führt Susi Gelb mit “tail_z”, dem dritten Teil ihrer Videotrilogie “Vortex”. Die Bilder erinnern an eine Expedition an den Anfang oder an das Ende der Zeit, hin zu einer visuellen Realität, neben der die Gegenwärtige kaum zu denken wäre. Am Stand von Nir Altman skizzieren Glasgefäße eine Laborsituation, darin niedliche Strudel – mögliche Vorboten einer unaufhaltsamen Katastrophe. Gelbs Skulpturen erscheinen daneben wie archäologische Artefakte einer herbeiorakelten Zukunft.

Nicoletti, London
In der griechischen Mythologie besitzen die Giganten irre Kräfte. Laut Ovid konnten sie Berge übereinander türmen. Auch die “Géants” von Hugo Servanin sind mehr als gewöhnliche Leiber, auch wenn sie zunächst nach menschlichen Körpern geformt sind. Sie sind bereits verschraubt und verkeilt in ein Leben im Einklang mit Maschinen, Computern und künstlicher Intelligenz. Die Galerie Nicoletti zeigt “Géants” in Wachstum und Verfall, angeschlossen an Rohre und Pumpen, mechanisch bewässert mit organischem Material.

Drei, Köln
Hell erleuchtete Schminkspiegel laden ein zur Selbstbetrachtung, wenngleich nicht zwingend um der Selbstbetrachtung willen. Mira Mann versteht sich auf die Verschränkung biografischer Untersuchung, fiktionaler Erzählung und kollektiver Erinnerung. So überlappen in der 3-Kanal-Videoarbeit “mother may recall another” die koreanische Geschichte des Mädchens Shim Cheong, das sich für das Augenlicht des Vaters opfert, und die Erinnerungen der Mutter Manns in Bildern aus Köln und Mokpo, der Heimatstadt der Mutter, die sie als junge Frau verließ. Am Stand der Galerie Drei sind zudem neue Skulpturen basierend auf Manns dekonstruiertem und verbranntem Kleiderschrank zu sehen.

Eugster, Belgrad
Die Schichten sind lang in der Süßigkeitenfabrik. Menschliche Körper arbeiten wie stille Maschinen – Mindestlohn, Überstunden, keine Boni, keine Sozialversicherungen. Doruntina Kastrati weiß das von ihrer Mutter. Die Künstlerin kommentiert die Lebensumstände der Arbeiterklasse in Kosovo mit menschengroßen Pistazienskulpturen. Die Schale des verarbeiteten Produkts fällt bei Eugster || Belgrade als übergroßer Aluminiumguss ins Auge. Kastrati gegenüber zeigt die Galerie Arbeiten von Julija Zaharijević. Sie zeigt am Beispiel der Lederpolsterung, wie Merkmale sozialer Klasse ihr Distinktionspotenzial verlieren.
Hot Wheels, Athen
Die Trümmer des Alltäglichen befeuern die Bildproduktion von Anastasia Pavlou. Was ist das Destillat realen Verfalls und omnipräsenten Bilderüberschusses? Pavlou konstruiert in Malerei, Zeichnung, Fotografie, Collage und Text die Greifbarkeit eines Eindrucks. Bei Hot Wheels sind vier großformatige abstrakte Ölgemälde zu sehen.

Philipp Zollinger, Zürich
Hier hätte ein Haus stehen können, doch die Baustelle scheint verlassen. Die Zement- und Keramikziegel von Monika Emmanuelle Kazi indizieren einen Transformationsprozess, der nicht so recht in Gang gekommen ist und vielleicht nie in Gang kommen wird. Kazis Arbeiten bei Philipp Zollinger markieren Zwischenmomente. Im Glas ihrer Fensterarbeiten werden Spuren von Privaträumen sichtbar, gleichzeitig erinnern Sicherheitsgitter an die Trennung des Privaten vom öffentlichen Raum.

Bombon, Barcelona
Gestern noch eine Jacke, heute textiles Bindemittel zwischen zwei Arbeiten. So verfährt Rosa Tharrats mit ihren Materialien. Sie werden ersetzt und wiederverwertet, jede Kombination ein eigenes Wesen. Ganz ähnlich denkt auch Lara Fluxà ihre Glasobjekte als verbundene Körper. Die Galerie Bombon bringt beide Positionen zusammen.
Wanda, Warschau
Als hybride Wesen erweckt Hanna Antonsson tote Vögel zum Leben. Oftmals wurden sie von Autos angefahren. Die Künstlerin reaktiviert das präparierte Gefieder mit motorisierten Elementen oder bewahrt es als skulpturale Komponente. Der Gedanke der Dekonstruktion eint die Arbeiten am Stand der Galerie Wanda. Das ukrainische Kollektiv Understructures dekonstruiert Propagandamechanismen, Filip Rybkowski das Konzept “Authentizität”. Dabei erforscht er die politischen Implikationen von Restauration und erhaltendem Schutz für die Verfasstheit von Geschichte.
WANN: Die Liste Art Fair Basel findet von Montag, den 12. Juni, bis Sonntag, den 18. Juni, statt. Online läuft die Kunstmesse bis Sonntag, den 25. Juni.
WO: Messe Basel, Halle 1.1, Maulbeerstrasse / Ecke Riehenring 113, 4058 Basel.
gallerytalk.net ist Medienpartner der Liste Art Fair Basel.