Like in a fucking Kindergarten

16. Februar 2016 • Text von

Die Galerie SPERLING am Regerplatz präsentiert in der Ausstellung „DRINK COLD, PISS WARM“ neue interdisziplinäre Arbeiten der in München lebenden britischen Künstlerin Anna McCarthy. Gezeigt werden Skulpturen, Videos, Collagen und Malerei, die das Politische mit dem Privaten vermengen.

Verwirrung liege derzeit im geopolitischen Trend und Klarheit sei dieser Tage schwer zu bekommen resümiert die Süddeutsche Zeitung in einem Kommentar. Und tatsächlich haben sich die Ereignisse in den letzten Monaten überschlagen. Auf die Staatskrise in Griechenland folgte die Eurokrise. Russland provozierte und Kriege im Nahen Osten lösten Flüchtlingsbewegungen aus, die im Spätsommer am Münchner Hauptbahnhof ankamen.

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Bild: DRINK COLD, PISS WARM, Anna McCarthy, Sperling

Auch der islamistische Terror ist endgültig in Europa angekommen und trägt nicht unbedingt zur Entspannung der öffentlichen Meinungsbildung bei. In den Echokammern des Internets und auf den Bühnen der Politik werden vermeintlich einfache Lösungen gefordert oder schnelle Mittel präsentiert. Hysterisch aufgeladen werden immer neue mediale Säue durch die digitalen Dörfer getrieben. Und Ai WeiWei inszeniert sich auf Fotos als ertrunkenes Flüchtlingskind.

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Bild: DRINK COLD, PISS WARM, Anna McCarthy, Sperling

Einen Ansturm der Ereignisse nennt Anna McCarthy diese Einschnitte; kulturelle, politische und soziale Veränderungen in unserer Gesellschaft. In ihrer ersten Einzelausstellung bei SPERLING widmet sich die Künstlerin diesen Vorkommnissen des vergangenen Jahres und setzt sie in eine Relation zum aktuellen psychischen Zustand ihrer Großmutter, die nach einer Routinebehandlung begann, Visionen zu entwickeln. McCarthy spielt in ihrer Ausstellung, die eher wie eine raumgreifende Installation als eine Präsentation einzelner Arbeiten funktioniert, mit kulturellen Referenzen und invertierter Exotik. Sie vermischt Bekanntes mit Unbekanntem und setzt sich klug mit Konzepten wie Heimat, Fremde, Bedrohung und Hysterie auseinander.

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Bild: DRINK COLD, PISS WARM, Anna McCarthy, Sperling

Intuitiv und aus einer sehr persönlichen Perspektive schafft sie so einen enigmatischen Kosmos aus Zeichen und Verweisen, der der Komplexität und Undurchdringlichkeit der zugrunde liegenden Fragestellungen gerecht zu werden versucht. Ein Trash-Mobile, das über einem schmutzigen kleinen Springbrunnen hängt, daneben das Bild eines mittelalterlichen Folterstuhls aus Hexenjagdzeiten. Eine Schaufensterfigur im angedeuteten Dirndl, mit jugoslawischen Geldscheinen unterm Rock und Burka über dem Kopf. Kitschige Bergpanoramen neben heimeligen Fischstäbchenverpackungen. Würste und Brezeln aus dem bayerischen Klischeekasten. Daneben verfremdete Ausweisdokumente als scheinbar ultimative Bezeugung einer bestimmten und bestimmbaren Identität.

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Bild: DRINK COLD, PISS WARM, Anna McCarthy, Sperling

Anna McCarthy schafft in der Galerie einen wilden Assoziationsraum in dem sich Elemente und Details aufeinander beziehen und um einen diffusen und doch stimmigen Kern kreisen. Es ist ein Raum des Ekels und der Empörung ob falscher Hysterien und kalter Ängste. Ein Raum des Unbehagens gegenüber starren Meinungen und sturen Behauptungen. Manchmal scheinen die gedanklichen Kurzschlüsse jedoch ein wenig zu direkt und überspitzt. Wenn etwa Videobilder von betrunkenen Besuchern des Oktoberfests direkt journalistischen Kommentaren über das Leid der Flüchtlinge auf der Balkanroute gegenübergestellt werden. Dennoch schafft es Anna McCarthy in ihrer Ausstellung politische Themen mit privaten Erlebnissen zu vermengen. Mit einer gesunden Portion Sarkasmus, jedoch nicht zynisch, stellt sie die durchaus berechtigte Frage, warum sich im Moment alle wie in einem verdammten Kindergarten verhalten.

WANN: Die Arbeiten sind bis zum 24. März 2016 zu sehen.
WO:
Galerie Sperling, Regerplatz 9, 81541 München.

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