Kunst und TikTok: Kann das gut gehen?
Eine Bestandsaufnahme

14. Januar 2021 • Text von

Aus dem Social-Media-Game aktuell nicht wegzudenken: TikTok. Was hat sich im Bereich der Kunst auf der Videoplattform getan, welche Museen haben den Weg zu TikTok geschafft und wie präsentieren sie sich? Könnte das vielleicht die neue Form der Kunstvermittlung werden? Eine Bestandsaufnahme.

Collage mit einem Smartphone, das das TikTok-Profil der Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigt. Außerdem Kopfhörer, das große TikTok-Logo, eine Staffelei und Stempel mit dem Schriftzug ART / Kunst.
Collage: gallerytalk.net.

Wie immer, wenn eine neue Social-Media-Plattform das Licht des World Wide Webs erblickt, tut sich eines zunächst auf: Skepsis. Mittlerweile ist jedoch klar, dass die App TikTok zu den Top-Downloads weltweit zählt und der dort veröffentlichte Content von Millionen junger Menschen gesehen und geteilt wird. Zeit also, das Videoportal mal gründlich nach Kunstbeiträgen zu durchsuchen und sich einen Eindruck davon zu verschaffen, was die Museen dort eigentlich so treiben.

Vorab kurz zu TikTok: Die vom chinesischen Internet-Tech-Unternehmen ByteDance entwickelte App ist 2016 erschienen und wurde 2018 zum Nachfolger von musical.ly, was maßgeblich zur rasanten Verbreitung beigetragen hat. Im Gegensatz zu beispielsweise Instagram, das mit den Reels aber auch ein Pendant zu dem Videotool anbietet, können auf TikTok selbst ausschließlich Videos von maximal 60 Sekunden hochgeladen werden, die mit Spezialeffekten, diversen Filtern und Text nach Lust und Laune aufgepeppt werden können. Aus 19 Kategorien kann man für die bewegten Bilder den passenden Song aussuchen, sofern man keine eigene Tonaufnahme parat hat. Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die App bis heute Probleme mit dem Datenschutz hat und dafür auch schon heftig in die Kritik geraten ist. TikTok greift bisher noch auf das zu, was in der Zwischenablage des Smartphones gespeichert wird. Eher nicht so cool. Bleibt zu hoffen, dass sich da zukünftig noch was tut.

Ein Screenshot von den TikTok-Video der Uffizien in Florenz. Mode-Influencerin Chiara Ferragnie vor Botticellis "Geburt der Venus", Nahaufnahmen von Gemälden und Schuhen der Sammlung.
Uffizi Galleries, Screenshot via TikTok.

Zu den aktuell reichweitenstärksten Museumsaccounts gehören das Museo del Prado in Madrid und die Uffizien in Florenz. Hier werden Renaissance-Gemälde zum Sprechen gebracht, Hintergrundgeschichten zu einzelnen Kunstwerken erzählt und auch schon mal die erfolgreichste Mode-Influencerin der Welt, Chiara Ferragni, zum Posieren vor Botticellis “Geburt der Venus” eingeladen. Das bringt Likes und vor allem eines: Reichweite! Auch das Rijksmuseum in Amsterdam erreicht mit seinen Videos eine beachtliche Zahl an Follower*innen. Hier wird getanzt, was das Zeug hält, Detailaufnahmen der Bestände werden gezeigt und sogar TikTok-Livestreams geplant. Insgesamt sieht das hier schon recht aufwendig und professionell aus.

Das Museumsangebot auf TikTok aus dem deutschsprachigen Raum ist bisher recht übersichtlich. Die Kunsthalle München zeigt schillernde Haute Couture und Ausstellungsansichten, das MAK in Wien hingehen ausschließlich einen tanzenden Museumswärter unter dem Hashtag #dancingguard. Zugegeben, das ist äußerst amüsant, hat aber mit Kunstvermittlung noch nicht so viel zu tun. Das Museum für Naturkunde in Berlin hat mit über 20.000 Follower*innen schon einen starken TikTok-Account, auf dem unter anderem meditatives Vogelgezwitscher und Fakten rund um die Natur mit der Community geteilt werden. Das scheint gut anzukommen.

Screenshot von den TikTok-Videos der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Ausstellungsansichten, Schriftzüge und Nahaufnahmen der Kunstwerke sind zu sehen.
Schirn Kunsthalle, Screenshot via TikTok.

Auch im Bereich der zeitgenössischen Kunst sieht es leider noch etwas trostlos aus. Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt hat vor kurzem den Weg zu TikTok gefunden und begrüßt die noch kleine Follower*innenschaft mit humorvollen Clips zum Lockdown, einsamen Tänzen im Museum sowie Einblicken in die aktuell geschlossenen Ausstellungen. Musikalisch untermauert wird das Ganze mit Songs wie “Bye Bye Bye” von *NSYNC oder der Corona-Hymne “Fuck 2020” von Scooter. Auch das Mudam Museum in Luxemburg ist mit einem noch kleinen Account auf der Videoplattform vertreten und informiert derzeit beispielsweise über die Sonderausstellung zur Künstlerin Charlotte Posenenske – manchmal in englischer, aber überwiegend in französischer Sprache.

Weltweit renommierte und große Häuser, wie zum Beispiel das MoMA oder das Metropolitan Museum in New York, haben zwar Accounts auf TikTok, halten sich aber mit ihrem Content bisher noch ganz und gar beziehungsweise weitestgehend zurück. Da ist noch viel Luft nach oben.

Eine Infografik: Übersicht von Kunstmuseen auf der Videoplattform TikTok inklusive der Followerzahlen, Stand: 10.01.2021.
Grafik: gallerytalk.net; Stand: 10.01.2021.

Welches Fazit lässt sich daraus nun ziehen? Der aktuelle Auftritt der Museumswelt auf TikTok ist bisher eher mau und definitiv noch stark ausbaufähig. Es ist irgendwie nicht überraschend, dass der Weg ein längerer und steinigerer zu sein scheint und die Institutionen wohl noch etwas Zeit brauchen, um auf der “neuen” Plattform anzukommen und eigene Strategien zu entwickeln. Auch in Sachen Kunstvermittlung ist die Präsentation noch nicht wirklich überzeugend.

Man darf privat von der App halten, was man möchte, sie als völlig sinnfrei und bildungsfern abstempeln oder auch zurecht wegen der Datenschutz-Problematiken ablehnen. Vielleicht werden “wir”, die Ü24-Menschen, den Reiz hinter dem “Spaß-Format” auch nie vollständig verstehen können – schwer zu sagen. Sich dem Neuen, das sicher nicht von heute auf morgen wieder von der Bildfläche verschwinden wird, komplett zu verschließen, erscheint mir da aber auch nicht der richtige Weg, denn so geht den Häusern eventuell eine noch unbekannte, möglicherweise kunstinteressierte Anhänger*innenschaft durch die Lappen.

Natürlich wird eine Kunstvermittlung in 60-sekündigen TikTok-Videos nie vollends ausreichen, um die Bandbreite der Kunstgeschichte zu erfassen – aber seien wir mal ehrlich, wer oder was kann das schon? TikTok könnte ein erster Berührungspunkt, ein Teaser, sein, um ein anfängliches Interesse zu wecken und die Kunst auf eine lockere, nicht bierernste Art und Weise kennenzulernen. Dafür braucht es allerdings dringend gute Strategien. Wo liegt denn eigentlich das Problem, Kunstwerke aus verschiedenen Blickwinkeln abzufilmen und das Ganze mit coolen Beats und aufblinkenden Hardfacts zu unterlegen? Probiert es aus. Kunst darf bitte auch Spaß machen.

Plattformen wie TikTok oder auch Instagram zwingen die Mitarbeiter*innen der Museen, ihren Blick weiter zu öffnen, sich in ihren Vermittlungsprogrammen weiterzuentwickeln. Ein bisschen Bewegung und frischer Wind sind doch besser als Stillstand, oder? Wer im institutionellen Kontext immer noch nicht verstanden hat, dass wir mittlerweile in einer digitalen Welt leben, in der Social-Media-Plattformen einen nicht unerheblichen Teil einnehmen und stattdessen vor jeder Neuerung panisch zurückschreckt, wird in Zukunft wohl kaum am innovativen Entwicklungsprozess der Museen beteiligt sein. Ob das mit der Kunstvermittlung dann tatsächlich gut gehen wird, muss sich letztlich erst noch zeigen. Klar, ist viel Arbeit, aber die Möglichkeiten sind da.