Kritik und Selbstermächtigung
Politisch und kulturell relevante Gruppenausstellungen

12. Oktober 2021 • Text von

Körperbilder, Kapitalismus, Kolonialgeschichte und die Institution Kunst – all diese Themen verhandeln derzeit aktuelle Gruppenausstellungen von Berlin bis München. Ihnen gemein ist ein kritischer Ansatz. Die einen üben offen Systemkritik, andere kritisieren eher konzeptuell.

Jordan Strafer, PEP (Process Entanglement Procedure), 2019, Videostill, Courtesy die Künstlerin
Jordan Strafer, PEP (Process Entanglement Procedure), 2019, Videostill, Courtesy die Künstlerin.

Die Arbeiten der Ausstellung „Illiberal Arts“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin setzen dort an, wo der ökonomische und politische Liberalismus seine Kerben im System hinterlässt. Angelehnt an das Konzept der „Lebensarbeiten“ der Theoretikerin Lu Märten stellen die Kurator:innen Kerstin Stakemeier und Anselm Franke eine legitime wie radikal gedachte Frage: Muss das, was sich zur Kunst entwickelte, unbedingt auch Kunst bleiben?

„Illiberal Arts“ ist ein Ausstellungs- und Publikationsprojekt mit Poets, Autor:innen und Künstler:innen wie Jordan Strafer, Bill Dietz, Pauline Curnier Jardin, Melanie Gilligan, Henrike Naumann und einigen anderen. Der berühmteste Name auf der Künstler:innenliste der Schau ist wohl Anne Imhof. Sie hat das Ausstellungsdesign für die Gruppenschau entworfen, in dem auch Zeichnungen und eine Malerei der Künstlerin zu finden sind.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag, den 21. November.
WO: Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin.

Daniel Lind-Ramos, “Con-junto (The Ensemble)”, 2015, Photo: Pierre Le Hors
Daniel Lind-Ramos, “Con-junto (The Ensemble)”, 2015, Photo: Pierre Le Hors.

Im Münchner Haus der Kunst versammeln sich derzeit Geschichten des Widerstands und der Selbstermächtigung unter einem gleichwohl ungewöhnlichen wie spannenden Thema: „Sweat“ lautet der Titel der Gruppenausstellung. Ja, richtig, es geht um den Schweiß, der uns allen regelmäßig aus den Poren unseres Körpers dringt und durchaus auch schon mal für unangenehme Gerüche sorgen kann. Vor allem aber, das will die Ausstellung im Münchner Haus der Kunst zeigen, ist Schweiß ein Indikator für eine ganze Bandbreite an Emotionen: von Angst bis Erregung. 

Während der Titel der Ausstellung auf den ersten Blick etwas unbestimmt daherkommt, so beinhalten die dreißig künstlerischen Positionen der Gruppenschau eine Menge kritischer Befragungen. Dazu zählt beispielsweise die Befragung der Gewaltsamkeit des Ausschlusses von künstlerischen Institutionen, die Künstlerin Christine Sun Kim vornimmt. Eines haben alle Werke der Ausstellung gemeinsam, sie nehmen den menschlichen Körper zum Ausgangspunkt ihrer teils kritischen Befragungen.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag, den 9. Januar 2022.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München.

The Future Of Cities by Walther Le Kon, Studio Forage, Seven Stories of Mellonopolis, mixed-media Installation, Foto: HALLE 14 | Walther Le Kon, 2021
The Future Of Cities, Ausstellungsansicht Anna Heringer & Dipdii Textiles, Foto: HALLE 14 | Walther Le Kon, 2021.


Wie können unsere Städte in Zukunft aussehen? Diese Frage macht sich eine kleine aber feine Ausstellung, ein Projekt der Halle 14 – Zentrum für zeitgenössische Kunst, in Leipzig zum Thema. Insgesamt elf künstlerische und architektonische Arbeiten gehen ihr auf den Grund und liefern verschiedene Antworten darauf.

Die Gruppenausstellung mit dem durchaus pessimistischen Titel „The Future of Cities. Not for granted“ erhebt an der ein oder anderen Stelle auch den mahnenden Zeigefinger und hält neben guten visionären Ideen auch dystopische Phantasien für die Stadt der Zukunft parat. Eine Ausstellung, die offenbar ganz deutlich machen will: So wie es ist, kann es auf keinen Fall bleiben!

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Samstag, den 29. Januar 2022.
WO: Halle 14 – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Spinnereistraße 7, 04179 Leipzig.

Andrea Chung, 'Im Hole 'Im Canher, 2007, Photo cut out with plexiglass frame
Andrea Chung, ‘Im Hole ‘Im Canher, 2007, Photo cut out with plexiglass frame, 38,1 x 57,15 cm, Courtesy of the artist and Tyler Park Presents, Los Angeles.

So poetisch und melancholisch die hier gezeigte Arbeit von Andrea Chung, so gleichermaßen gefühlvoll ist auch der Titel unter dem sie derzeit im Times Art Center in Berlin zu sehen ist: „Más allá, el Mar Canta (Jenseits singt das Meer)“ ist der lyrische Titel einer aktuellen Gruppenausstellung im Times Art Center Berlin. Dieser ist vom gleichnamigen Buch des Autors Regino Pedroso inspiriert. die Schau präsentiert sich als etwas wie eine Sammlung von persönlichen Geschichten, die alle die chinesische Diaspora in Mittelamerika und der Karibik als Hintergrund haben. Sie sollen „diasporische Intimitäten“ beschreiben, die für die Entfremdung im Kolonialismus einerseits und für das fruchtbare Potential für ein Miteinander andererseits stehen.

Besonders interessant an dieser Ausstellung ist ihr Anspruch, diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen und diasporische Geschichten aus einer Ecke herauszuholen in der sie lange unbedeutende Ereignisse und private Angelegenheiten waren. 

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag, den 19. Dezember.
WO: Times Art Center, Brunnenstraße 9, 10119 Berlin.