Kunst für ein Wochenende Neapel Zehn Galerien, die es zu entdecken lohnt
14. Juli 2021 • Text von Julia Meyer-Brehm
Wer das aktive Erkunden nicht scheut, kann in Neapels zeitgenössischer Kunstszene wirklich eine gute Zeit haben: In prächtigen Villen, ehemaligen Fabrikgebäuden, Hinterhäusern oder urbanen Geschäften stößt man auf echte Perlen der Gegenwartskunst. Wer in naher Zukunft nach Neapel reist, sollte den vielfältigen Galerien daher unbedingt Beachtung schenken. Wir haben zehn sehenswerte Orte versammelt, die jede Suche wert sind.
Alfonso Artiaco
In der von Éric Troncy kuratierten Show „La Bohème“ trifft Emily Mae Smith auf Juergen Teller und Ugo Rondinone auf Sarah Lucas. Ausgangspunkt der Schau ist die gleichnamige Puccini-Oper von 1896, in der vier Künstler – ein Dichter, ein Maler, ein Musiker und ein Philosoph – unter spärlichen Umständen zusammen in einer Pariser Mansarde leben. In dieser theatralischen Idealisierung einer prekären Situation leben Kunstschaffende nur „von Luft und Liebe“ und alles geht etwas sorglos und skurril zu. Die Ausstellung bei Alfonso Artiaco baut auf dem Begriff der Bohème auf und ist eine Hommage an die Launenhaftigkeit, Kreativität und Ausdrucksfreiheit, die mit ihm einher zu gehen scheint.
WANN: „La Bohème“ läuft bis zum 4. September.
WO: Alfonso Artiaco, Piazzetta Nilo, 7, 80134 Napoli.
Tarsia
Tarsia vereint zwei der schönsten Dinge der Welt: Kunst und Botanik. Der gemeinnützige Raum, der 2018 eingeweiht wurde, ist zum einen Teil ein halb unterirdischer Blumenladen, zum anderen Teil Kunstort, an dem wechselnde Ausstellungen stattfinden. Aktuell ist eine immaterielle Schau zu erkunden, die aus einem Audio, einem Text und einer Performance besteht. Der Ausstellungsraum befindet sich im Bezirk Montesanto im Zentrum von Neapel, ganz in der Nähe eines der ältesten Märkte der Stadt. Das Programm verbindet neapolitanische Kultur mit internationalen Künstler*innen und Kurator*innen und fördert zudem den Austausch innerhalb des Viertels.
WANN: Alle Informationen zu kommenden Ausstellungen findet ihr hier.
WO: Tarsia, Via Tarsia 52, 80134 Napoli.
Galleria Umberto Di Marino
Füchse sind Tiere, die wir alle irgendwie lieb haben, oder? André Romãos hat sogar seine Einzelausstellung „Le Volpi“ in der Galleria Umberto Di Marino nach ihnen benannt. Der Künstler ist fasziniert von den Geschichten, die sich um die Figur des Fuchses ranken. Besonders in der chinesischen Mytholgie seien die Grenzen zwischen dem Menschlichen und dem Tierischen viel flexibler als in westlichen oder zeitgenössischen Traditionen. Die Tiere werden darin zu Meistern der Illusion und der Verwandlung erklärt. In seinen Werken testet Romão die Grenzen von künstlichen und natürlichen Formen aus, zeigt unter anderem Skulpturen, die zur Hälfte aus Pflanzen oder komplett aus Muschelschalen bestehen.
WANN: „Le Volpi“ läuft noch bis zum 20. September.
WO: Galleria Umberto di Marino, Via Alabardieri 1, 80121, Napoli.
Acappella
In der Galerie Acappella lohnt sich nicht nur ein kurzer Besuch, sondern auch ein längeres Verweilen. Auf dem wunderschönen Galeriefußboden, umgeben von Tatiana Defraines Portraitserie, fühlt man sich mehr als aufgehoben. Die Einzelausstellung „FAME IS A BEE“ zeigt kleinformatige Malereien, die Nahaufnahmen unterschiedlicher Frauen zeigen und sich wie ein Band durch den Ausstellungsraum ziehen. Schnell baut man eine direkte Verbindung zu den dargestellten Personen auf, erkennt eigene Wesenszüge oder äußerliche Merkmale. Und irgendwo zwischen all diesen Alter Egos im Postkartenformat trifft man natürlich auch auf eine Biene.
WANN: Die Ausstellung „FAME IS A BEE“ läuft noch bis zum 15. September.
WO: Acappella, Vico Santa Maria a Cappella Vecchia, 8/A, 80121 Napoli.
Galleria Fonti
Eine schummrige Lampe über der Eingangstür empfängt die Besucher*innen in den Räumlichkeiten der Galerie Fonti. Sie ist Teil von Constantin Thuns Einzelausstellung, die mit ihrer entspannten Atmosphäre eine gelungene Abwechslung zu der belebten Einkaufsstraße einige Meter weiter bietet. Die Räume sind mit Segeltüchern in wechselnden Rottönen ausgekleidet, drei kühl getönte Fotografien hängen an der Wand, ebenso wie ein möbelartiges Objekt aus Holz. Und sogar ein kleiner Ginkgobaum ist Teil der Ausstellung. Die Schönheit und Mehrdeutigkeit all dieser Objekte lassen einen die klassischen Ausstellungsformate hinterfragen und entführen die Besucher*innen an einen Ort gedanklicher Reflexion.
WANN: Constantin Thuns Einzelausstellung ist noch bis Samstag, den 31. Juli, zu sehen.
WO: Galleria Fonti, Via Chiaia, 229, 80132 Napoli.
Studio Trisorio
Steve Riedells Einzelausstellung „The Days“ im Studio Trisorio wartet mit komplexen Werken aus verschiedenen Formen und Farben auf. Gezeigt werden große und kleine Arbeiten, die wie Objekte in den Raum hinein zu ragen scheinen. Einige Zeichnungen aus Riedells Serie „Song Lyric“ lassen Liedtexte von Bob Dylan, Morrissey und Van Morrison zu geometrischen Konstruktionen werden. Studio Trisorio hat vor kurzem außerdem einen weiteren Ausstellungsraum eröffnet, in dem Werke von Künstler*innen wie Jan Fabre, Rebecca Horn und Christiane Löhr in ständigem Wechsel gezeigt werden. Und auch in einem Schaufenster ein paar Häuser weiter sind Installationen der vertretenen Künstler*innen zu sehen.
WANN: „The Days“ läuft noch bis Samstag, den 31. Juli.
WO: Studio Trisorio, Riviera di Chiaia, 215, 80121 Napoli / Via Carlo Poerio, 110, 80121 Napoli / Schaufenster der Via Carlo Poerio 116, 80121 Napoli.
Galleria Tiziana di Caro
Besucher*innen werden zu Schiffbrüchigen in der Einzelausstellung „Altrove e altri canti“ von Giovanni Giaretta. In der Galerie Tiziana di Caro ist unter anderem Giarettas Serie „Elsewhere and Other Islands“ zu sehen, die aus digitalen Zeichnungen auf Papier besteht. Die kleinen Inseln sind nicht verortbar, sondern repräsentieren ein Anderswo aus unserer Fantasie. Giaretta manipuliert Comics und Cartoons, in denen einsame Inseln vorkommen, entfernt menschliche Präsenz und lässt nur Hinweise übrig. Das Eiland wird so vom Schauplatz einer satirischen Szene zu einem ikonischen Ort der Ruhe und der Einsamkeit. Wenn die Insel dann die ganze Wand einnimmt, wird man selbst potentielle*r Inselbewohner*in.
WANN: „Altrove e altri canti“ ist bis 10. September zu sehen.
WO: Galleria Tiziana di Caro, Piazzetta Nilo, 7, 80134 Napoli.
Luigi Solito
Nachdem die erste Ausgabe von „PORTAL“ im Projektraum Schaufenster in Berlin stattgefunden hat, ist „PORTAL #2 – Napoli /Berlino“ nun in Neapel zu sehen und eröffnet buchstäblich ein Tor zwischen den beiden Städten. Die Ausstellung wurde von Anna Nezhnaya und Fabia Mendoza kuratiert und zeigt insgesamt sechzehn Künstler*innen verschiedener Nationalitäten, die alle durch die Berliner Kunstszene verbunden sind, darunter Lukas Glinkowski, Ryan Mendoza und Frédéric Platéus. Aber nicht nur in der ersten Etage einer ehemaligen Wollmühle zeigt Luigi Solito Kunst, auch im historischen Spazio NEA ist Lennart Bredes Fotoausstellung „Because You Want To Be Loved“ zu sehen.
WANN: „PORTAL #2 – Napoli / Berlino“ und „Because You Want To Be Loved“ sind noch bis 25. September zu sehen.
WO: Luigi Solito, Piazza Enrico De Nicola, 46, 80139 Napoli / Spazio NEA, Via Santa Maria di Costantinopoli, 53, Piazza Bellini, 59, 80138 Napoli.
Casa Morra – Archivio d’Arte Contemporanea
Beuys’ 100. Geburtstag geht auch an Neapel nicht vorbei: Die Ausstellung „Beuys e Napoli“ widmet sich den Aufenthalten des deutschen Künstlers in Neapel und Italien zwischen 1971 und 1985. Das Archiv der Fondazione Morra dokumentiert die zeitgenössische künstlerische und kulturelle Produktion in Kampanien und auf internationaler Ebene von 1969 bis zum heutigen Tag. Das Projekt Casa Morra beherbergt eine der größten zeitgenössischen Kunstsammlungen der Stadt und ist im sehr sehenswerten Palazzo Cassano Ayerbo D’Aragona im Stadtteil Materdei untergebracht. Allein der Besuch des monumentalen achteckigen Treppengewölbes lohnt sich sehr.
WANN: „Beuys e Napoli“ ist noch bis zum 13. November zu sehen.
WO: Casa Morra, Salita San Raffaele 20/c, 80136 Napoli.
Andrea Nuovo Home Gallery
Wer von den typischen Ansichten italienischer Hinterhöfe, Hausfassaden und Portale nicht genug bekommen kann, der sollte der Andrea Nuovo Home Gallery einen Besuch abstatten. Aktuell zeigt der seit 2018 bestehende Kunstort eine Einzelausstellung des neapolitanischen Künstlers Paolo La Motta. „Fineste sul quadro“ präsentiert Malerei auf Holz und Leinwand in kleinen und großen Formaten. La Motta zeigt Perspektiven auf Orte in und um Neapel sowie die flüchtige Präsenz einzelner menschlicher Figuren. Ein angenehmes Gleichgewicht zwischen objektiver Analyse und subjektiven Eindrücken des städtischen Raums.
WANN: „Finestre sul quadro – Paolo la Motta“ ist bis zum 18. September zu sehen.
WO: Andrea Nuovo Home Gallery, Via Monte di Dio, 61, 80132 Napoli.