Kunst in Quarantäne #31
Zwischen Antike und VR

4. Mai 2021 • Text von

In Zeiten ständiger digitaler Zugänglichkeit ist alles möglich: eine Ausstellung über Kybernetik und Netzkunst besuchen und kurz darauf einem Online-Talk zur zeitgenössischen Rezeption der Medusa lauschen. Geplant waren alle Tipps ursprünglich als analoge Ausstellungen, aber der virtuellen Vermittlung sind kaum Grenzen gesetzt. Vom kollektiven Wissensaustausch, über einen Dialog zwischen Lydia Ourahmane und Elena Filipovic, bis hin zur postalisch-virtuellen VR-Ausstellung ist in diesem Kunstgriff alles dabei.

Ausstellungsansicht, “Calculating Control: (Net)Art and Cybernetics”, Haus der Statistik, Berlin, 2021. Foto: Alexia Manzano.

Die Ausstellung “Calculating Control: (Net)Art and Cybernetics” plante am vergangenen Wochenende ihre Pforten zu öffnen – eine analoge Eröffnung konnte natürlich nicht stattfinden, aber digital machte das Kollektiv “Zentrum für Netzkunst” das Ausstellungs- und Rechercheprojekt dennoch zugänglich. Es beschäftigt sich mit Werken von 1966 bis heute, die den schon frühen Einfluss von Kybernetik und digitaler Datenverarbeitung auf die Kunst zeigen, und findet passenderweise im Haus der Statistik statt. Dort befand sich von 1970 – 1989 die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR, die Daten erhob und auswertete. Vom 21. bis zum 23. Mai ist außerdem in dem experimentellen, digitalen Format “unConference: Embodied Cybernetics in Everday Life (Mimetics, Empathy and Hacking” ein kollektiver Wissensaustausch geplant. Wer noch mehr wissen möchte: im Journal zum Projekt veröffentlicht das “Zentrum für Netzkunst” zusätzlich bis Anfang Juli regelmäßig Beiträge zum Thema.

Installationsansicht, Lydia Ourahmane, “Barzakh”, Kunsthalle Basel, 2021. Foto: Philipp Hänger / Kunsthalle Basel.

In ihrer Einzelausstellung “Barzakh”, die noch bis zum Sonntag, den 16. Mai, in der Kunsthalle Basel zu sehen ist, befragt die Künstlerin Lydia Ourahmane Konstruktionen von Zuhause und was ein solcher Ort bedeuten kann. Dabei geht es nicht nur um ein konkretes Zuhause, sondern auch darum, wie sich Erinnerungen und Geschichten in Orte einschreiben. Für die Ausstellung brachte die Künstlerin die Einrichtung ihrer Wohnung in Algier nach Basel und rekonstruierte dort ihr Zuhause, das sie mit verschiedenen Überwachungsmechanismen ausstattete – nicht zuletzt geht es in ihren Installationen auch um Machtstrukturen und das Gefühl unter Beobachtung zu stehen. Um diese komplexen Themen zugänglich zu machen und die Ausstellung auch digital zu vermitteln, teilte die Kunsthalle Basel ein eindrückliches Gespräch zwischen der Direktorin und Kuratorin Elena Filipovic und der Künstlerin Lydia Ourahmane.

Matias Brunacci, “Virtualhumanism”, interaktive VR-Installation. © in VR we trust.

“Willst du auch mitfahren auf dem Virtual-Reality-Hypetrain?” – so leiten die Kuratoren Clemens Schöll und Daniel Hengst ihr experimentelles Online-Ausstellungsformat “in VR we trust” ein. Die Ausstellung möchte mit vier Künstler:innen das Potential von Virtual Reality als künstlerisches Medium ausloten und reflektieren. Um es nicht bei einem rein digitalen Format zu belassen, kann man noch bis heute eine Cardboard-Virtual-Reality-Brille bestellen und die Ausstellung zuhause postalisch-virtuell erleben. Am Dienstag, den 11. Mai, und am Mittwoch, den 12. Mai, finden außerdem noch digitale Künstler:innen- und Expert:innengespräche statt.

In der Ausstellung “Europa: Antike Zukunft”: Haris Epaminonda, Chapters, 2013, 16mm digital überspielt, Single Screen Version, 97 min. Sound: Part Wild Horses Mane On Both Sides. Courtesy die Künstlerin und Galleria Massimo Minini, Brescia; Casey Kaplan, New York; Rodeo, London/​Piraeus.

Die HALLE FÜR KUNST Steiermark startete am Freitag, den 23. April, ihren Ausstellungsbetrieb und zeigt als Auftakt noch bis zum Sonntag, den 15. August, die Gruppenshow “Europe: Antike Zukunft”. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Diskussion über die politische und kulturelle Zukunft Europas und dem Balanceakt zwischen Individuen und einer internationalen Gemeinschaft. Es scheint dringender denn je, sich in Zeiten von erstarkenden Interessen einzelner Nationalstaaten mit Konzepten einer gemeinschaftlichen, kosmopolitischen Zukunft zu befassen. Ideen müssen nicht immer neu sein – manchmal kann man auch auf das utopische Ideengut der Antike zurückgreifen. Selbst wenn man die Ausstellung nicht unbedingt analog besuchen kann, lohnt sich das digitale Rahmenprogramm, das die HALLE FÜR KUNST Steiermark begleitend auf die Beine gestellt hat. Zahlreiche Online-Talks von Künstler:innen, Theoretiker:innen und Wissenschaftler:innen bieten facettenreiche Einblicke in zeitgenössische Rezeptionen antiker Mythen und Überlegungen zu der Zukunft Europas.