Kunst in Quarantäne #24
Dystopien, Utopien und Metaverse

9. März 2021 • Text von

Die Welt scheint bisweilen immer noch etwas aus den Angeln, vielleicht kann uns digitale Kunst bei der Suche nach zuversichtlichen Möglichkeitsräumen helfen. Wir empfehlen diese Woche „The Peach Spring Beyond This World“ bei Âme Nue, „Mountain of the Metaverse“ von Keiken bei isthisit?, die Ausstellung “HAPPY HOUR” von Anna Ley bei „Good Job!“, das Programm “Crashing into the Future” bei e-flux und die virtuelle Gruppenausstellung “Wonderland” in der Epoch Gallery.

Zu sehen ist ein Screenshot der Arbeit Deep Simulator von aaajiao.
aaajiao: Deep Simulator, 2020.

Manches scheint dieser Tage noch immer dystopisch. Vor nicht allzu langer Zeit wären uns Dinge, die heute unseren Alltag bestimmen, gar nicht in den Sinn gekommen. Vielleicht ist es gerade deshalb eine gute Zeit, auch über Möglichkeiten nachzudenken, über Utopien. Einen solchen utopischen Raum könnte das Internet bilden. Unter dem Titel „The Peach Spring Beyond This World“ zeigen die chinesischen New-Media-Künstler*innen Ye Funa und aaajiao (Xu Wenkai) nun digtial neue Arbeiten im Kontext von Âme Nue. Sie beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit den sich verändernden Vorstellungen von Identität und der Informationsflut im digitalen Zeitalter. Ye Funa und aaajiao erkunden mit künstlerischen Mitteln, ob die virtuelle Welt ein sicherer Raum für neue Generationen sein könnte, ein Refugium für Meditation und Entspannung, in dem neue Modelle von Gemeinschaften imaginiert werden können.

Man sieht ein digitales Gesicht, ein Still aus dem Video: Feel My Metaverse von  Keiken + George Jasper Stone.
Keiken + George Jasper Stone: Feel My Metaverse, 2019 (still). Keiken would like to thank collaborators Sakeema Crook, Linda Rocco, Charlotte Oppenheim, Khidja, Rob Malone and Ebe Oke. Courtesy of the artists.

Wie wäre es, in einem Metaverse zu leben, in dem man die Fähigkeit hat, nahtlos von einem virtuellen Körper in den nächsten zu wechseln? Dieser Gedanke ist die Grundlage für eine Serie von künstlerischen Arbeiten, die mit der Vision einer Zukunft spielen, in der das Klima der Erde kollabiert ist. Unter dem Titel „Mountain of the Metaverse“ präsentiert das dimensionsübergreifende kollaborative Kollektiv Keiken, das hauptsächlich aus Hana Omori, Isabel Ramos und Tanya Cruz besteht, bei isthisit? eine Einzelausstellung. Ihre Praxis verschmilzt das Digitale mit dem Physischen und schafft spekulative Welten die aus Bewegtbild, CGI, Spielesoftware, Installation, virtueller und erweiterter Realität, Programmierung und Performance bestehen. Über drei Portale kann man in der Ausstellung die Metaversen betreten.

Zu sehen ist eine Installationsansicht von Good Job!. Man sieht einen Tisch mit einem Computerarbeitsplätze, an der Wand dahinter Kunst.
Installationsansicht: ‘Employed & Depressed’, semi-virtuelle Ausstellung bei Good Job!.

Was bedeutet eigentlich Arbeit? “Good Job!” beschreibt sich selbst als eine von Künstler*innen geführte, semi-virtuelle Offsite-Blase. Der Ausstellungsraum befindet sich gleichzeitig in einem Büro in Leipzig und im Internet. Jeden Monat werden neue künstlerische Positionen eingeladen, das ungewohnte Territorium zu erschließen. Die erste Gruppenausstellung unter dem Titel “Employed & Depressed” hat schon mal den Ton gesetzt. Im März stellt die Künstlerin Anna Ley sich und uns unter dem Titel “HAPPY HOUR” die Frage, wovon wir während unserer Lohnarbeit im Büro eigentlich wirklich träumen.

Zu sehen ist ein Still aus dem Film Bubble von Haonan Wang.
Filmstill: Haonan Wang: Bubble, 2020, Part of Crashing into the Future, e-flux.

Wir leben in einer Zeit, in der gesellschaftliche Widersprüche besonders deutlich werden. Vielleicht ist es wirklich der Moment, in der wir hastig in eine ungewisse Zukunft krachen. Unter dem Titel “Crashing into the Future” hat die Medienkünstlerin Cao Fei ein sechsteiliges Online-Programm mit Filmen und Interviews zusammengestellt. Für dieses Programm hat sie Arbeiten von Videokünstler*innen aus China ausgewählt, die in den transformativen späten 1980er und 1990er Jahren geboren wurden. Die meisten der vorgestellten Künstler*innen haben eine Zeit im Ausland studiert und gelebt, und ihre künstlerische Praxis spiegelt diese unterschiedlichen Einflüsse wider. “Crashing into the Future” ist die fünfte Ausgabe von “Artist Cinemas”, einer langfristigen, von Künstlern kuratierten Online-Reihe von Filmprogrammen für die Plattform e-flux. “Crashing into the Future” läuft noch bis zum zum 5. April 2021, jede Woche wird eine neuer Film präsentiert, flankiert von Interviews und Texten.

Zu sehen ist ein Screenshot der virtuellen Gruppenausstellung "Wonderland",in der Epoch Gallery.
Screenshot: Gruppenausstellung “Wonderland”, Epoch Gallery, 2021.

Eine heruntergekommene Burg, die entfernt an das Disney-Schloss erinnert, Neon-Schilder und chinesische Schriftzeichen. Die neue virtuelle Gruppenausstellung “Wonderland” in der Epoch Gallery hat ebenfalls einen konkreten Bezug zu China. In diesem von Künstler*innen betriebenen “virtuellen Experiment” werden für die jeweiligen Ausstellungen digitale Welten geschaffen, in denen man sich bewegen, umschauen und die Kunst entdecken kann. Die aktuelle Ausstellung zeigt Positionen von Künstler*innen aus der chinesischen Diaspora, die alle in den USA leben. Den virtuellen Rahmen bildet ein dystopischer, heruntergekommener Vergnügungspark, der an das echte verlassene “Wonderland” in Chenzhuang, China angelehnt ist.