Kunst in Kirchen
In der Weihnachtszeit gibt es viel zu entdecken

7. Dezember 2021 • Text von

Gestern war Nikolaus, am nächsten Sonntag ist schon der dritte Advent. Es geht also mit großen Schritten auf Weihnachten zu. Wer dieser Tage in besinnliche Weihnachtsstimmung kommen möchte, hat die Möglichkeit, Kunst in Kirchen zu entdecken. Denn vielerorts können diese nicht nur mit ihrer Architektur überzeugen, sondern auch mit einem reichen Innenleben.

(UN)FINISHED, © Archiv Mischa Kuball, Düsseldorf / VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Bunte Farbspiele in Köln

Der Klassiker, wenn es um besinnliche Weihnachtsstimmung geht, ist der Kölner Dom. Hier findet sich neben dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Dreikönigenschrein mit den Gebeinen der als Heilige Drei Könige verehrten Reliquien auch das große Mosaikfenster von Gerhard Richter. 2007 erhielt das Südquerhausfenster eine entsprechende Verglasung nach dem Entwurf des Künstlers. Mittels Zufallsgenerator bestimmte Richter die Anordnung der gleich großen Quadrate, die sich auf der einen Hälfte der Fensterbahnen befinden. Die jeweils andere Hälfte des Rasters ist eine Spiegelung der ersten Seite. Wie Pixel muten die in 72 verschiedenen Farbtönen ausgeführten Quadrate an, werfen buntes Licht auf die unter dem Fenster stehenden Kirchengänger*innen. Durch 11.263 Quadrate aus mundgeblasenem, farbigem Echt-Antikglas fallendes Licht lässt wundersame Farbspiele auf den Wänden des Doms entstehen, die wie mit Glas gemalte impressionistische Gemälde wirken. Wer Erleuchtung in dunklen Wintertagen sucht, wird vielleicht hier fündig.

WO: Kölner Dom, Domkloster 4, 50667 Köln.

Rudolfo42, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons.

Garten der Kunst in Krefeld

Ein Kleinod für moderne und zeitgenössische Kunst findet sich überraschenderweise in Krefeld. In der Kirche Pax Christi lassen sich Werke von Günther Uecker oder Ulrich Rückriem im Innenraum und Außenraum des zunächst unscheinbaren Gebäudes entdecken. Im Eingangsbereich heißt ein in Filz gewickeltes Samurai-Schwert von Joseph Beuys Besucher*innen willkommen, mahnt als Friedenssymbol, die Waffen niederzulegen. Innerhalb des Kirchenraums treffen Neugierige auf die Installation “Abendmahl” von Klaus Staeck. Vor der wandfüllenden Reproduktion einer Schwarzweißfotografie, die elegant gekleidete Geschäftsleute und Politiker in gelöster Stimmung am Buffet zeigt, ist ein einfacher Holztisch aufgebaut. Darauf stehen dreizehn mit Steinen bestückte Pappteller und Tischkarten mit den Namen der ärmsten Länder dieser Welt. Typisch für Staeck ist “Abendmahl” ein Werk mit politischer Sprengkraft. Ganz besonders interessant wird es aber erst im Garten von Pax Christi, in dem sich an Sommer- wie Wintertagen inmitten von Kunst umherspazieren lässt. Hier weist beispielsweise eine große eiserne Treppe von Magdalena Jetelová direkt gen Himmel, ragt mit vierzehn Metern bis über die umstehenden Baumkronen hinaus.

WO: Pax Christi, Glockenspitz 265, 47809 Krefeld.

Mischa Kuball, (un)finished, 2021, Ortsspezifische Installation im Innen- und Außenraum.

Dys(u)topia mit Mischa Kuball in Berlin

In großen leuchtenden Buchstaben prangt das englische Wort “(un)finished” über der Eingangspforte der nächsten Station. Dieses Mal geht es nach Berlin, wenn noch bis Anfang nächsten Jahres die temporäre Ausstellung des Künstlers Mischa Kuball in die St. Matthäus-Kirche lockt. In Sichtweite zum Bau des “Museums des 20. Jahrhunderts”, welches als “Vollendung” des Kulturforums gilt, rückt Kuball das scheinbare Gegenteil, das Unvollendete in den Fokus. Der Künstler benennt die Dynamik des Unfertigen als treibende Kraft in der Kunst, besonders in einer so lebendigen Stadt wie Berlin. Gleichzeitig lässt sich auch das Misstrauen an finalen Lösungen in der Schau ausmachen, besonders im Hinblick auf die bewegte Geschichte des Ortes. Im Innenraum findet sich über dem Altar ebenfalls ein Lichtzeichen, ein leuchtendes “(u)”. Es kann für “unfinished” stehen, aber auch für die Sehnsucht des Menschen nach Vollendung, letztlich eine Utopie. Diese trifft auf Dystopien, wenn in einem mehrfach geschichteten Stadtplan die Geschichte des Kulturforums auf dem Boden der Kirche aufgerollt wird. Eine Überlagerung vom Straßennetz des alten Tiergartenviertels, Albert Speers Planungen der Welthauptstadt “Germania” und eine Ansicht von der Zerstörung nach dem Krieg.

WANN: Die Ausstellung “Mischa Kuball: (UN)FINISHED” läuft noch bis Sonntag, den 2. Januar 2022.
WO: St. Matthäus-Kirche, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin.

Farbhörer, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons.

Brutalistische Betonlandschaft in Neviges

Wer auf der Suche nach spannenden Kirchen ist, darf zuletzt die Wallfahrtskirche Maria Königin des Friedens in Velbert-Neviges von Architekt Gottfried Böhm nicht außer Acht lassen. Hier gilt jedoch vielmehr die Kirche selbst als Gesamtkunstwerk. Gleich einem felsartigen Gebilde ragt die Wallfahrtskirche als brutalistische Betonlandschaft in die Höhe, überträgt sich die wabenartige Struktur vom Außen ins Innen. Einzigartig sind die scharf voneinander abgegrenzten Betonwände sowie die in der Höhe variierende, verschachtelte Dachlandschaft. Das Betreten der Kirche gleicht dem Gang ins Dunkel einer Höhle. Innen wie außen ist der gleiche unverkleidete Beton sofort erkennbar. Im Innenraum angelangt, erzeugt eine dreigeschossige Emporenwand den äußerst verschachtelten Raumeindruck. Wer an kalten Wintertagen Zuflucht in der architektonischen Felsenhöhle sucht, wird überrascht von der raffinierten Lichtführung und findet, wenn nicht schon im Kölner Dom geschehen, vielleicht hier zur Erleuchtung.

WO: Marienwallfahrt Neviges, Elberfelder Str. 12, 42553 Velbert.