Quietschbunt und formenreich
Kunst_Handwerk in der Galerie für Zeitgenössische Kunst

10. August 2020 • Text von

In der Ausstellung „Kunst_Handwerk“ der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst werden zehn künstlerische Positionen gezeigt, die sich auf spielerische Art mit kunsthandwerklichen, volkstümlichen, materiellen und künstlerischen Traditionen auseinandersetzen. Gar nicht trocken, dafür umso bunter wird es in den Ausstellungsräumen.

Blick in einen bunten Raum der gfzk Leipzig.
Ausstellungsansicht, Kunst_Handwerk, GfZK Leipzig, © Foto Alexandra Ivanciu.

Im Bereich der zeitgenössischen Kunst trifft man häufig auf Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Materialien und Techniken auseinandersetzen und mit ihnen in ihren Werken experimentieren. Diesem Thema nimmt sich derzeit auch die Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig in der von Barbara Steiner und Franciska Zólyom konzipierten Ausstellung „Kunst_Handwerk“ an. Hier treffen die Besucherinnen und Besucher auf Wandbehänge, Fluchtwegsbegrenzungen, Knöpfe, Jacken, Holz und Bronze in vielfältigen Formen.

Johannes Schweiger und seiner Arbeit „Jockdom. Emphase der Flatness“ (2019) begegnet man zu Beginn des Rundgangs. Im Fokus seiner Arbeiten stehen das Weben und Filzen. Er untersucht die Materialeigenschaften und die jeweiligen kulturellen Bewertungen. Politische Dimensionen von Arbeit, Techniken und Fertigungsverfahren werden hier nach außen gebracht. Eine weitere Arbeit von ihm, „Economic Imperative LR 8000“ (2012/13), zeigt eine Vielzahl handgefertigter Keramikknöpfe.

Rosa Wand mit gelben Streifen und davor gemusterter Teppich
Ausstellungsansicht, Kunst_Handwerk, Johannes Schweiger, GfZK Leipzig, © Foto Alexandra Ivanciu.

Effektvoll ist auch ein Raum voller Wandbehänge des in Berlin ansässigen Künstlerkollektivs Slavs and Tatars, ursprünglich als Lesegruppe gegründet, die Momente der polnisch-persischen Beziehung behandeln und sie zu charakterisieren versuchen. Hier wird deutlich, dass das (Kunst-)Handwerk auch zum Träger einer kulturpolitischen Verständigung und zu einer Plattform für Kritik an herrschenden Systemen werden kann, was an Ausrufen, wie „Beware. The Anti-Imperalist Imperialist“ oder „Death without Death, Youth without Youth, Age without Age“ erkennbar wird.

Blick in einen grünen Raum mit Teppichen, auf dem arabische Schriftzeichen sind.
Ausstellungsansicht, Kunst_Handwerk, Slavs and Tatars, GfZK Leipzig, © Foto Alexandra Ivanciu .

Der deutsche Konzeptkünstler Olaf Holzapfel ist in Leipzig auch mit von der Partie und zeigt in der Ausstellung seine Arbeit „reimbursement cell“ (2020), eine große geschwungene Raumskulptur aus Holz und Reet, die er bereits in mehreren verschiedenen Varianten hergestellt hat. Die Werke sind Ergebnisse aus seinen Materialbeobachtungen. Eine Trennung von Natur und Kultur wird bei Holzapfel ganz offensichtlich hinfällig und sowohl von außen als auch von innen für die Besucherinnen und Besucher im Galerieraum spürbar. Man riecht das natürliche Material und kann sich für einen Moment in Ruhe abschotten vom Rest des Ausstellungsgeschehens.

Zwei Blocke aus Stroh
Ausstellungsansicht, Kunst_Handwerk, Olaf Holzapfel, GfZK Leipzig, © Foto Alexandra Ivanciu.

Was beim Durchstreifen der Räumlichkeiten besonders ins Auge sticht: die knallbunten Ausstellungswände mit verspielten Mustern und Farbzusammenstellungen. Das Ausstellungsdesign von Oliver Kimpel und Till Sperrle ist eine erfrischende Abwechslung zu den sonst meist so reinweißen oder einfarbigen Präsentationsflächen im Museum oder Galerien. Da hier keine klassischen Bilder an Wänden zu sehen sind, beißt es sich nicht mit den Exponaten – im Gegenteil: Sie erzeugen mit der Kunst ein spannendes Raumgefühl. Hier möchte man sich gerne auf die Suche nach Details begeben.

Ein kunsthandwerkliches i-Tüpfelchen der Ausstellung ist die dreiteilige Skulptur „A Crated Emergency Route: Escaping and Locking“ (2012) der südkoreanischen Installationskünstlerin Haegue Yang. In ihren performativen Skulpturen stattet sie ihre Arbeiten, zusammengefasst unter dem Überbegriff „Vehicles“, mit Lenkrollen und Griffen aus. Die hier zu sehende Arbeit wurde speziell für einen bestimmten Ausstellungsraum hergestellt, um die Fluchtwege vor Ort zu markieren und freizuhalten. Die Stahlkonstruktionen, bespielt mit Jalousien, Wollfäden und traditionellen koreanischen Stoffen dienen hier in Leipzig jedoch nicht mehr als Ausstellungselement für einen Zwischenraum, sondern erhalten zurecht eine Bühne ganz für sich allein in der Mitte des Raumes.

Buntes Werk der Künstlerin Heague Yang.
Ausstellungsansicht, Kunst_Handwerk, Haegue Yang, GfZK Leipzig, © Foto Alexandra Ivanciu.

Was hängen bleibt: An manchen Stellen des Rundgangs wäre etwas mehr Kontext wünschenswert gewesen, um die inhaltliche sowie politische Bedeutung für alle Besucherinnen und Besucher noch greifbarer zu machen, aber es ist dennoch nicht zu leugnen, dass diese Ausstellung ein ästhetischer Genuss ist, der in den offenen und quietschbunten Ausstellungsräumen erfahrbar wird.

Außerdem lernt man hier zwei Hände voll spannende internationale künstlerische Positionen kennen, die – mal mehr und mal weniger subtil – auf die politischen und kulturellen Dimensionen sowie die Wertschätzung und Bedeutung des Kunsthandwerks verweisen. Neben den hier erwähnten Arbeiten von Johannes Schweiger, Slavs and Tatars, Olaf Holzapfel und Haegue Yang gibt es in der Ausstellung noch einige weitere Exponate zu entdecken: Einen separaten (Film-)Raum mit Gemeinschaftsprojekten von Antje Majewski und Oliver Guesselé-Garai, eine Vielzahl von Jacken der bosnisch-österreichischen Künstlerin Azra Aksamija, Bronze-Stecktechniken und bulgarische Bauformen mit Plamen Dejanoff und mehr!

Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Graz und der Kestnergesellschaft Hannover. Auch ein Katalog zum „Kunst_Handwerk“ ist erhältlich.

WANN: Die Ausstellung ist bis zum 04. Oktober, Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr und Samstag/Sonntag 12-18 Uhr zu sehen.
WO: Galerie für Zeitgenössische Kunst, Karl-Tauchnitz-Straße 9-11, 04107 Leipzig.

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