Kommunikation ist Kunst Die KW melden sich lautstark zurück
22. Januar 2017 • Text von Eva Beck
Frisch renoviert und unter neuer Leitung stellen die KW ein Programm auf, das auf Vermittlung und Dialog setzt. Die Werke der ausgestellten Künstler sollen diese Anliegen widerspiegeln. Den Anfang hierzu machen Ian Wilson und Hanne Lippard.
„Ian Wilson ist im Januar 1970 nach Paris gekommen und hat über die Idee der oralen Kommunikation als Kunstform gesprochen“. In einem glatten, klaren Satz manifestiert sich das Werk des südafrikanischen Künstlers hier nachträglich in physischer Form, obgleich es in seiner Beschaffenheit sonst komplett entmaterialisiert ist. Wilsons künstlerisches Medium beläuft sich auf die Veranstaltung von Diskussionen zu elementaren Themen und Konzepten, deren Stattfinden nur in Form von gedruckten Einladungskarten und Verkaufszertifikaten dokumentiert wird. Das Werk an sich – die geführten Gespräche – verflüchtigen sich und werden nicht festgehalten.
Wie präsentiert man nun ein medial derart reduziertes Werk im Ausstellungskontext? In einer von Wilson entworfenen Vitrine werden diverse Ankündigungen seiner Diskussionen aus den Siebziger Jahren ausgestellt, doch funktionieren diese weniger als Beweis des Geschehenen, sondern als eine Hervorhebung seiner Immaterialität. Eine weitere Vitrine wirft rein textuell einen Blick auf die Künstlerpersönlichkeit des Südafrikaners. Hier liegt das Anzeigenblatt einer Kunstzeitung, in der Wilson seinen Namen neben Werbung und Ankündigungen ohne Erläuterung abdrucken ließ. So reduziert er sich selbst, aber er mystifiziert sich auch. Für Mystik und Spiritualität scheint er ein Faible zu haben, beachtet man die Wahl seiner Themen für die Diskussionen: Anfangs ging es um Zeit, dann wandte er sich dem Wesen von Wissen und Nicht-Wissen und nun dem Konzept des Absoluten zu.
Die spirituelle Kontemplation des Künstlers drückt sich in minimalistischer Formensprache bereits in seinen letzten körperlichen Werken der Sechziger Jahre aus, von denen ebenfalls Einzelne gezeigt werden: „Circle on the Wall“ und „Circle on the Floor“ sind zwei mit Bleistift beziehungsweise Kreide perfekt gezogene Kreise. Diese simplen Gesten umschließen auf metaphorischer Ebene eine existenzielle Gesamtheit der Dinge, gleichzeitig wird mit ihnen die Beziehung zwischen Form und Metaphysik untersucht. Hier zeigen sich bereits erste Ansätze von Wilsons letztendlicher völliger Auflösung von Materialität.
In den späten Sechziger Jahren transformierte Wilson dann das gesprochene Wort zur Kunstform. Früh proklamierte er das ästhetische Potenzial der Sprache, das mittlerweile so manch ein Künstler für sich entdeckt hat – etwa die Norwegerin Hanne Lippard, deren Werk zu Wilsons Arbeiten in Kontext gestellt wird. Den gemeinsamen Nenner teilen auch die Kunstwerke selbst als Institution in ihrem Anspruch, Dialog und Gespräch in Zukunft als vorantreibende Kraft für sich nutzen. Und sie deklarieren diesen in Form eines Ausstellungszyklus, der sich auf Wilson aufbauend über Hanne Lippard und mit Adam Pendleton und Paul Elliman in den folgenden Monaten entfaltet. Die Ausstellungen der einzelnen Künstler korrespondieren und kommunizieren dabei miteinander.
So auch „Flesh“ im Erdgeschoss der ehemaligen Fabrik: Hier befindet sich zunächst einzig und allein eine beige Wendeltreppe. In ihrer spiralen Form und symbolischen Funktion für Transzendenz greift sie Wilson direkt auf. Als Teil einer immersiven Installation führt sie in einen niedrigen, mit fleischfarbenem Teppich ausgelegten Raum, in der Lippards mesmerisierende Stimme ertönt.
Zwölf Minuten lang spricht sie zu dem Publikum in einer sanften Eindringlichkeit, die einem das Gefühl verleiht, individuell adressiert zu werden: „Would you dare to dream if you were able to sleep at night?“. Intime Fragen, beruhigende Poetik, seichte Floskeln und experimentelle Syntaktik enthüllen die visuelle Macht der Sprache. Ihre melodische Stimme wird zum Bildträger, sie ist „zwar Fleisch, aber nicht körperlich.“ Sie zeigt, dass mit der Kraft der mündlichen Kommunikation die Distanz zwischen Künstler und Betrachter, zwischen Form und Inhalt, minimiert werden kann. Besonders deutlich wird hier dem Wunsch und dem Vorhaben der Kunstwerke für ihren neuen Lebensabschnitt Ausdruck verliehen.
WANN: Die Ausstellung von Hanne Lippard wird bis zum 9. April zu sehen sein, Ian Wilson bis zum 14. Mai. Das restliche Programm des Zyklus ist hier abzurufen.
WO: KW Institute for Contemporary Art, Auguststraße 69, 10117 Berlin.