Anti-Doom-Loop-Kult gegen die Krisen Kalas Liebfried im Gespräch
8. Mai 2025 • Text von Quirin Brunnmeier
Mit einem neuen Programmansatz übernimmt der Künstler und Kurator Kalas Liebfried die Leitung der Lothringer 13 Halle in München. Im Interview spricht er über seine hybride Rolle, thematische Halbjahreszyklen und warum er die klassische Ausstellungspraxis invertieren will.

gallerytalk.net: Was macht die Lothringer 13 so besonders?
Kalas Liebfried: Das Besondere an der Lothringer 13 ist der Fünfjahreswechsel, der von der Stadt München so gewollt ist. Dieser Zyklus schafft immer wieder eine Tabula-Rasa-Situation – die Chance, komplett neu zu starten. Meine Vorgänger*innen, viele davon selbst bildende Künstler*innen wie Jörg Koopmann oder Uli Aigner, haben diesen Ort mit eigenen Energien geprägt. Ich sehe mich in dieser Tradition, aber auch mit einem klaren eigenen Ansatz. Die Halle hieß ursprünglich Künstlerwerkstatt und hat immer schon eine DNA, die künstlerische Kuration betont.
Wie würdest du deinen Ansatz beschreiben?
Ich begreife mich primär als Künstler und sekundär als Kurator – wobei ich diese Trennung eigentlich nicht mache. Mein Ansatz ist, mich mit den Strömungen der Gegenwart auseinanderzusetzen. Das Programm ist ein künstlerisches Projekt mit kuratorischen Mitteln. Statt klassischer Ausstellungen entwickle ich sogenannte “Currents” – thematische Ströme, die jeweils circa ein halbes Jahr dauern und performativ, diskursiv und installativ aufgebaut sind. Die erste Phase startet jetzt unter dem Titel “Anarchic Animism”, im Herbst folgt “Machinic Metabolism”. Beide Kapitel beschäftigen sich mit dem Anthropozän und Formen ökologischer wie technologischer Zerstörung – also mit den multiplen Krisen unserer Zeit.

Was unterscheidet einen “Current” von einer klassischen Ausstellung?
Ich versuche, die klassische Ausstellungspraxis zu invertieren. Performance, Tanz, Sound, Diskurs und andere temporäre Formate stehen im Zentrum. Die Ausstellungsteile begleiten diese, nicht umgekehrt. Dabei geht es auch um Performativität jenseits des menschlichen Körpers – etwa durch skulpturale oder installative Prozesse. Ich will genau jenen Kunstformen Raum geben, die in den bildenden Künsten oft marginalisiert werden, obwohl sie oft das größte Publikumsinteresse erzeugen.
Wen soll dieses Programm ansprechen?
Ich denke nicht in Zielgruppen, sondern in Beteiligten. Wenn das Programm stimmig ist, entsteht Resonanz mit ganz unterschiedlichen Menschen. Das Programm ist offen gedacht – lokal und international, generationenübergreifend und disziplinübergreifend. Ich arbeite mit einem offenen Ensemble, in dem ein*e Workshop-Leiter*in gleichwertig mit einer bekannten Videokünstler*in genannt wird. Ziel ist es, Hierarchien abzubauen und das Publikum durch die Auswahl der Beteiligten und Formate mit der Szene, aber auch mit neuen internationalen Perspektiven zu verbinden. Es geht nicht nur um junge zeitgenössische Künstler*innen, es geht um zeitgenössische Ideen.

Kannst du konkrete Beispiele nennen?
Es nehmen unter anderem Joshua Bonnetta, ein in München lebender kanadischer Filmemacher, Maxine Weiss mit einer parasitär wachsenden Installation sowie Paul Valentin mit einer großen Szenografie teil. Angela Melitopoulos wird sowohl im Symposium auftreten als auch im Herbst mit einer Videoinstallation vertreten sein. Dazu kommen transdisziplinäre Positionen wie die Violinistin Biliana Voutchkova oder der Booker-Preisträger Georgi Gospodinov, der mit einer Videoarbeit vertreten ist und seinen neuen Roman vorstellen wird.
Hast Du Dir für deine Zeit als Direktor ein Ziel gesetzt? Quasi eine Überschrift, die für Deine Pläne stehen könnte, ein Schlagwort?
Ich habe die Lothringer 13 Halle als einen Anti-Doom-Loop-Kult konzipiert. Es geht darum, künstlerische und kollektive Resilienzstrategien gegen die Krisenschleifen unserer Gegenwart zu entwickeln – ohne Dogma, ohne Guru. Es ist ein Anti-Kult, der sich offen und prozesshaft organisiert. Das gesamte Programm ist auf fünf Jahre angelegt, mit zehn Currents und einer begleitenden Zeitschrift in zehn Ausgaben, die zugleich als Katalog fungiert. Mein Ziel ist es, eine andere Form von Institution vorzuschlagen – nicht besser, aber mit eindeutig anderen, progressiven Perspektiven. Und in fünf Jahren soll jemand Neues – der jeweiligen Gegenwart entsprechend – wieder alles umkrempeln.
WANN: Die Opening Rituals finden zwischen Donnerstag, dem 8. und Sonntag, dem 18. Mai 2025 statt.
WO: Lothringer 13 Halle, Lothringer Straße 13, 81667 München.