Kompositionen aus Papier Jimmy Roberts stillgelegte Perfomance bei Tanya Leighton
12. August 2021 • Text von Teresa Hantke
Er komponiert Haptik und Akustik, verbindet Stoffe, Muscheln, Karton, Papier und Töne. Die Auseinandersetzung mit diversen Materialien und deren Sinneswahrnehmung durch Berührung stehen im Fokus der aktuellen Ausstellung “Technique et Sentiment” des karibischen Künstlers Jimmy Robert in der Berliner Galerie Tanya Leighton. Das bedeutet eine Chance, Roberts Verständnis von Körpersprache und Verbindung von Performance, Text und Bild hier näher zu kommen.
Normalerweise ist Jimmy Robert dafür bekannt, architektonische Räume mit Tanz zu verbinden. Erst 2019 war er mit seiner Performance “Joie Noire” im KW Institute for Contemporary Art in Berlin zu sehen. Auch in seiner aktuellen Ausstellung bei Tanya Leighton geht es dem aus Guadeloupe stammenden Künstler darum, sich den ihm gegebenen Galerieraum zu Eigen zu machen, indem er ihn mit seinem Körper erfühlt. Roberts befasst sich mit dem weißen Raum, dessen architektonischen Zierelementen sowie einem markanten Riss durch den Betonboden der Galerie und lässt diese im Zweidimensionalem auf den auf matter Baumwolle gedruckten Fotografien neu aufleben. Anders als sonst in einer Performance vor Publikum, in aktivem Körpereinsatz, ist Roberts Körper in “Technique et Sentiment” mal horizontal, dann vertikal auf Bildern abgebildet, welche an den Wänden hängen oder auf dem Boden liegen, verteilt. Auf fragmentarische Weise begibt sich der Künstler so mit der Architektur in einen Dialog.
Es ist jedoch nicht nur ein Austausch oder eine Konversation mit der Architektur des Raumes, sondern genauso mit zusammengetragenen Gegenständen und Materialien, wie Papieren, Stoffen bis zu Einladungskarten von Museumsausstellungen, die Robert aus seinem Archiv gebracht hat und auch hier in einzelnen Teilen in seinen Kompositionen neu anordnet. Stellvertretend stehen die kleinen farbigen Fotos und Collagen in den großformatigen Fotografien für seine Liebe zum Material Papier. Dieses tritt in der Ausstellung nicht nur bildlich in Roberts Kompositionen in Erscheinung, sondern auch in Form einer Tonbandaufnahme des Künstlers, die den Gang durch die Ausstellung begleitet.
In der Aufnahme “Technique et Sentiment VI” rollt Robert über ein großes Stück Papier, spielt mit dem Material, legt sich darauf, schreitet drüber und tanzt damit. Der Atem verstärkt sich bei zunehmender Anstrengung, wird dann wieder ruhiger. Man spürt förmlich, wie sich Robert durch den Ausstellungsraum der Galerie bewegt, und sein ganzer Körper präsent wird in den Kompositionen, in denen jedoch immer nur ein Fragment seines Körpers erscheint. Sehr subtil wird bewusst, wie Robert die Materialien erfühlt, auskostet und durch Berührung versucht, sie zu begreifen. Was sonst in Form von Bewegung und zirkulierender Gestik stattfindet ist in diesem Fall durch die Technik des Tonbandes und als fotografische Aufnahme eingefroren und als Moment festgehalten.
Festgehalten ist jedoch nicht nur die körperliche Berührung mit den Gegenständen auf den Bildern, die sich selbst wie Plastiken im Raum verteilen sondern auch die geistige Auseinandersetzung damit. So ist Robert auf einem Foto auf dem Bauch liegend zu sehen, wie er seine Hand in die Öffnung einer großen Muschel legt, die aus seiner Heimat Guadeloupe stammt. Die Hand des Künstlers liegt fast sehnsuchtsvoll nach seinen Wurzeln greifend in der geöffneten Schale der Meeresmuschel.
Roberts collagierte Bilder vereinen Elemente, die sinnbildlich wie die Meeresmuschel einerseits auf seine karibische Herkunft verweisen und andererseits die persönlichen Interessen des Künstlers widerspiegeln. Es ist eine Spurensuche nach Zugehörigkeit, die der Künstler präsentiert genauso wie eine Auseinandersetzung mit Materialien, die ihn prägen und begleiten – greifbar und unerwartet berührend.
WANN: Die Ausstellung “Technique et Sentiment” ist noch bis Samstag, den 4. September, zu sehen.
WO: Galerie Tanya Leighton, Kurfürstenstraße 24/25, 10785 Berlin.
Die Galerie Tanya Leighton zeigte dieses Jahr außerdem online die Gruppenausstellung “Tempest” und eine Einzelausstellung von Alexandra Domanovíc, über die wir ebenfalls geschrieben haben!