Leben und andere Alltagshürden "Arbeitstage" von Jenny Schäfer
2. März 2023 • Text von Carolin Kralapp
Mutterschaft, Kunst und Lohnarbeit irgendwie unter einen Hut kriegen. Und das alles während einer globalen Pandemie und zähen Lockdowns. Die Autorin und Künstlerin Jenny Schäfer gewährt in ihrem neuen Buch “Arbeitstage”, das bei Sukultur erschienen ist, intime Einblicke in ihren Alltag. Herrlich eloquente Lektüre – um sich selbst darin zu verlieren und wiederzufinden.
Es ist Dienstag, der 5. Januar 2021. Der Tag, an dem die Autorin und Künstlerin Jenny Schäfer in Hamburg beginnt, für ein Jahr lang Tagebuch zu schreiben. Das Produkt mit dem Titel “Arbeitstage” ist nun im Sukultur Verlag erschienen und dokumentiert zwölf Monate aus ihrem Leben und dem ständigen Spagat zwischen dem Kunstschaffen, der Lohnarbeit, die sie und ihre kleine Familie über Wasser hält und der Care-Arbeit als Mutter. Und das während einer globalen Ausnahmesituation namens Corona. Heute, zwei Jahre später, ist diese zum Glück weitestgehend überwunden. Die Hürden jedoch bleiben, die verworrenen, verlorenen Momente, die Zerstreutheit des Alltags und die kleinen Freuden zwischendurch.
Auf Instagram schreibt die Künstlerin zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24. Januar 2023: “Vor ziemlich genau zwei Jahren begann ich diesen Text zu schreiben. Nicht um ein Buch zu schreiben, sondern um nicht im Alltag unterzugehen, in meinem Denken und künstlerischen Tun zu bleiben, um wenigstens jeden Tag anzufangen mit dem Nachdenken, auch wenn kaum etwas zu Ende gedacht werden konnte.”
Mal ausschweifender, mal kurz und knapp, berichtet Jenny Schäfer von ihren Tagen und ständigen Gedankensprüngen, den kleinen und großen Hürden des pandemischen Lebens. Als freischaffende Künstlerin und Autorin, die sich bereits unzählige Auszeichnungen, Preise und Stipendien im Laufe ihrer Karriere erarbeitet hat, lebt es sich in Wahrheit weitaus weniger glamourös als es im ersten Moment vielleicht klingen mag. Finanzielle Sorgen begleiten stets den Alltag, riesen Sprünge sind so gar nicht drin. Statt großer Zukunftspläne und Sparmaßnahmen wird sich von Tag zu Tag gehangelt, die Strom- und Heizkosten zusammengekratzt. “Geld, Geld, Geld ist knapp, knapp, knapp […]” (S. 85).
Die Kunst allein finanziert Jenny Schäfer und ihrem L, wie sie im Buch den Namen ihres Kindes abkürzt, leider (noch) nicht das Leben. So bessert sie die Haushaltskasse mit Schichten im Kindergarten für 15€ die Stunde auf. Kinderlärm, Popos abwischen, Brote schmieren, Schmuseeinheiten und immer mal wieder krank werden. Husten, Schnupfen und Migräne. Dem ständigen Spagat, finanziell irgendwie klarzukommen, der eigenen Leidenschaft, der Kunst, nachzugehen und gleichzeitig der Mutterrolle gerecht zu werden, versucht die Autorin, in “Arbeitstage” eine Form von Ausdruck zu verleihen. Was nicht immer klappt und teilweise dazu führt, dass Tagebucheinträge abrupt und mit Gedankenfetzen enden. Die Zeit für sich selbst kommt an vielen Stellen zu kurz, was sich auch in eben diesen “Nicht-Worten” erkennen lässt.
Das Tagebuch von Jenny Schäfer endet mit dem Eintrag am 23. Dezember 2021, einen Tag vor Weihnachten. „Arbeitstage“ ist kein Buch, in das man zwischendurch reinliest und es wieder beiseitelegt. Es ist ein Buch, das verschlungen werden möchte, verschlungen werden muss. Federleicht lesen sich die 158 Seiten in einem Anlauf weg. „Arbeitstage“ erzählt keine in sich abgeschlossene, keine fiktive Geschichte. Es gibt kein Happy End, denn das hier erzählt aus dem echten Leben und keine Rom-Com-Storyline. Dennoch trifft Jenny Schäfer triviale kollektive Herausforderungen und Gedankengänge genau auf den Kopf, was die Lektüre insgesamt sehr zugänglich macht.
“Arbeitstage” beschreibt einen Auszug aus dem echten Leben einer Frau, Künstlerin und Mutter, die sich durch das Leben schlägt und der eigenen Zerstreutheit einen Raum, einen nicht perfekten Ausdruck, gewährt. Es ist die ungefilterte, manchmal eben auch unaufgeregte Wahrheit des Alltags, die geprägt ist von wiederkehrenden Menstruationsbeschwerden, finanziellen Sorgen und den kleinen Momenten des Glücks, die die Liebe für das eigene Kind, mittelmäßige grüne Muffins oder eine Masturbation am Vormittag so mit sich bringen.
“Arbeitstage” von Jenny Schäfer wird von Sukultur herausgegeben und ist hier erhältlich. Für den Artikel wurde der Autorin ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.