In die Schweiz verpflanzt Jasmin Werner bei Damien & The Love Guru
8. Juli 2025 • Text von Anja Grossmann
Mit „Apparat Kleptokrat“ zeigt Damien & The Love Guru Arbeiten von Jasmin Werner in Zürich. Die deutsch-philippinische Künstlerin stellt zum ersten Mal in der Schweiz aus. Dies nimmt sie zum Anlass, sich mit machtstrukturellen Verknüpfungen des Landes zur politischen Geschichte der Philippinen auseinanderzusetzen. Das Land und seine Bevölkerung litten 1972 bis 1986 unter der diktatorischen Herrschaft von Ferdinand Marcos. Bis heute unterhält die Familie Marcos Bankkonten in der Schweiz. Werner geht diesen Verbindungslinien nach.
Kleine rosa Blüten kleben am Schaufenster der Galerie Damien & The Love Guru in Zürich. Die Scheibe präsentiert sich als mit vegetativen Formen gestaltete Fläche, wie von einem Kind mit Freude bestickert. Zugleich gibt sie den Blick frei auf die im vorderen Ausstellungsraum präsentierten „Angel’s Trumpets“ von Jasmin Werner. Der poetische Titel „Engeltrompeten“ bezeichnet die Pflanzen, die da aus Rucksäcken zu wachsen scheinen. Sie wirken wie kleine Bäume mit grünem Geäst und länglichen Blättern. Es scheint, als hätten Backpacker sie sich als Urlaubsmitbringsel in die Taschen gesteckt. Beginnen die Staudenpflanzen zu blühen, verströmen ihre großen, weißen Kelche einen betörenden Duft.
Tatsächlich handelt es sich um hochgiftige Pflanzen. Sie stammen aus Südamerika, wo sie aufgrund ihrer toxischen Wirkung zu Rauschmitteln verarbeitet und für schamanische Rituale genutzt werden. Die bewusstseinsverändernde Wirkung der Pflanze nutzen auch Straftäter im Kontext von Überfällen. Die Künstlerin erklärt im Gespräch mit gallerytalk.net: „Aus der Nuss lässt sich ein Pulver herstellen, das Kriminelle ihren Opfern ins Gesicht blasen, um sie auszurauben. Im intoxikierten Zustand bleiben die Opfer bei Bewusstsein und werden zugleich willenlos. Nicht nur ihre Taschen, auch Wohnungen und Konten werden leer geräumt.“
Diese Form der Plünderung verbindet die deutsch-philippinische Künstlerin in der Ausstellung „Apparat Kleptokrat“ mit der kleptokratischen Herrschaftsperiode von Ferdinand Marcos. Als Präsident der Philippinen führte er das Land 1972 bis 1986 in den finanziellen Ruin, bereicherte sich dabei privat und finanzierte den extravaganten Lebensstil seiner Familie.
Werner inszeniert die Reproduktion eines Zeitungsartikels der US-Boulevardzeitung New York Post. Unter der Überschrift „The End“ verhandelt das Blatt den revolutionären Aufstand gegen Marcos von 1986. Nachdem das diktatorische Regime von einem Volksaufstand abgesetzt worden war, flohen Ferdinand Marcos und seine Frau Imelda nach Hawaii. US-Präsident Ronald Reagan hatte der Familie Asyl in den USA angeboten.
Mit der Installation „Imelda und Ferdinand on the way to exile“ inszeniert Werner diese Flucht. Zu sehen sind zahlreiche kleine Koffer aus Holz, ein Modellflugzeug der US-Luftwaffe sowie die aufgestellte Außenfassade des Schweizer Bankhauses Credit Suisse. Imelda und Ferdinand Marcos werden als Figuren mit viel Gepäck präsentiert. Sie erreichten die USA mit neun Millionen Dollar in bar, Juwelen und Wertpapieren. Die zahlreichen Koffer verweisen auf die Annehmlichkeiten einer Flucht, die nicht überstürzt, sondern bedacht geplant erscheint. Die Szenerie wirkt viel eher wie der Flug eines reichen Paars in den Urlaub nach Übersee. Neben dem Flugzeug warten bereits Palmen.
Werner nutzt eine naive Ästhetik, die im krassen Gegensatz zu den damit visualisierten Themen steht. Die handbemalten Figuren und Objekte erinnern an traditionelles Schnitzhandwerk, Spielzeug oder Souvenirfiguren. Tatsächlich ließ die Künstlerin alle Einzelteile unter anderem von Familienmitgliedern in den Philippinen anfertigen. Sie stammen aus der Stadt Paete, die für ihre Holzschnitztradition bekannt ist. In der Ausführung orientierten sie sich an der Schweizer Holzspielwarenmarke Trauffer.
Eine weitere Verbindung zur Schweiz zeigt sich in Werners Verweis auf die Bank Credit Suisse. Bis heute unterhält die Familie Marcos Konten in der Schweiz. Hiesige Bankinstitute wie die Credit Suisse lagerten das zweifelhaft erworbene Geld. Werner thematisiert diese Relation in ihrer Bodeninstallation.
Aus der aufgestellten Außenfassade des ehemals renommierten Bankhauses am Zürcher Paradeplatz laufen Kühe. Die mit Blumen bestickerte Rückseite der Fassade bildet die Kulisse einer bäuerlichen Szenerie: Ein Bauernpaar hütet Tiere. Ein Mann in Alptracht nebst Bernhardiner schwenkt die Schweizer Fahne. Die ländliche Szene im Miniaturformat evoziert eine Bergidylle, die nicht nur im touristischen Zusammenhang mit der Schweiz assoziiert wird.
Durch die Inszenierung im Kontext der Flucht der Marcos hinterfragt Werner sowohl die naturromantischen Bilder der Schweiz als auch deren politische Neutralität. Auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft steht: „In Übereinstimmung mit dem Neutralitätsrecht nimmt die Schweiz nicht an Kriegen zwischen anderen Staaten teil.“ Steht das Bewahren von mit kriegerischen Mitteln erworbenem Geld nicht in Widerspruch dazu?
Durch Marcos Schweizer Konten sei der Weg geebnet worden „für die Rückkehr der Familie in die philippinische Politik – womöglich sogar indirekt für deren heutigen Wiedereintritt ins Präsidentenamt“, schreibt der Künstler und Kurator Mitchell Anderson im Ausstellungstext zu „Apparat Kleptokrat“. Seit 2022 ist Ferdinand Marcos Jr. Präsident der Philippinen. Das Schweizer Bankhaus Credit Suisse gibt es nicht mehr. Fragwürde Geldflüsse der Marcos in die Schweiz bestehen weiterhin.
Die familiäre Verbindung von Werner zu den Philippinen und der Standort der Galerie Damien & The Love Guru sind der Ausgangspunkt für eine Erkundung der anhaltenden Verwicklung der Schweiz in die ungeklärten Machenschaften der Marcos-Familie. Aus ihrer individuellen Perspektive fragt die Künstlerin mit „Apparat Kleptokrat“ nach der machtstrukturellen Relation von zwei Ländern und nutzt dabei eine Bildsprache, die lokales Handwerk mit einer kindlichen Ästhetik verbindet. Schaut man genau hin, werfen ihre Arbeiten Fragen auf, die nachhallen.
WANN: Die Ausstellung „Apparat Kleptokrat“ von Jasmin Werner läuft bis Samstag, den 26. Juli.
WO: Damien & The Love Guru, Aemtlerstrasse 74, 8003 Zürich.
