Unsichtbare Netze der Migration Jasmin Werner bei Guido W. Baudach
18. Oktober 2024 • Text von Carolin Kralapp
Smartphone gezückt: Jasmin Werner untersucht die täglichen Erfahrungen und Herausforderungen von Arbeitsmigrant*innen in der globalisierten Welt. Ihre Ausstellung “Remote Control” in der Galerie Guido W. Baudach zeigt, wie stark wirtschaftliche Prozesse und digitale Kommunikation mit dem Leben von Migrant*innen verflochten sind. Dabei geht sie über das Praktische hinaus und beleuchtet auch die emotionalen und gesellschaftlichen Dimensionen, die das Leben in der Fremde prägen.

Bunte Pappmaché-Smartphones, gestapelt auf kleinen Tischen, in Regalen aufgereiht, bemalte Rollläden und eine grinsende Weltkugel – auf den ersten Blick wirkt das Setting kindlich-verspielt. In ihrer Ausstellung “Remote Control” (dt.: “Fernkontrolle”) beleuchtet die deutsch-philippinische Künstlerin Jasmin Werner in verschiedenen Medien das unsichtbare Netz globaler Migration. Im Mittelpunkt der Ausstellung in der Galerie Guido W. Baudach stehen Geldtransfers, digitale Netzwerke und Mobilfunk, die das Leben von Migrant*innen prägen und begleiten.
Ein zentrales Werk der Ausstellung ist ein gemalter Admiralschmetterling auf einem Rollladen. Diese Arbeit gehört zur Serie “Send Money Fast“, die Werner zusammen mit dem Berliner Schildermaler Dawid Celek entwickelt hat. Der Schmetterling, eine wandernde Spezies, dient hier als Symbol für Arbeitsmigration und Binnenstruktur. Die Idee zu der Werkserie entstand vor einem Handyshop mit entsprechenden Rollläden in Berlin-Moabit, der Western Union-Dienste anbietet – ein unverzichtbares Werkzeug für viele Migrant*innen, um Geld in die Heimat zu schicken. Ein weiterer Rollladen verweist mit den Worten “Small World” und “Moneytransfer” auf ebendieses Geflecht. Die bemalten Rollläden symbolisieren die unsichtbare Ökonomie, die viele Migrant*innenengemeinschaften miteinander in der Ferne verbindet.

Werner, selbst Nachfahrin einer philippinischen Familie in zweiter Generation, thematisiert in ihrer Arbeit die zentrale Rolle von Mobiltelefonen und Geldüberweisungen in der philippinischen Diaspora. Seit den 1970er Jahren, als Präsident Marcos die “Arbeits-Export-Politik” einführte, leben Millionen Filipinos im Ausland, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Handys und soziale Medien ermöglichen es vielen, über große Distanzen hinweg in Kontakt zu bleiben. Eine Folge dieser geografischen Zerstreuung: Filipinos zählen heute zu den aktivsten Nutzer*innen von Internet und sozialen Medien weltweit – das tägliche Leben verlagert sich zunehmend in den digitalen Raum, und das Smartphone wird zu einem unverzichtbaren Begleiter.

Für “Remote Control” beauftragte Werner Künstler*innen aus der philippinischen Stadt Paete, handgemalte Pappmaché-Smartphones zu gestalten. Paete ist berühmt für seine jahrhundertealte Holzschnitzkunst. Die bunten Papphandys sind mit Chatfenstern, Emojis sowie Naturmotiven und Hunden verziert. Sperrbildschirme und Hintergrundbilder liegen hier dicht an dicht, nebeneinander und übereinander. Diese Werke thematisieren einerseits die moderne Kommunikation in der philippinischen Diaspora und würdigen gleichzeitig das traditionelle Handwerk der Stadt. Ergänzt werden sie durch fein geschnitzte Holzaugen, die an Heiligenfiguren erinnern und die Betrachter*innen vorsichtig ermahnen, dass in der digitalen Welt immer jemand zuschaut.

Trotz ihrer zunächst spielerisch-leichten Erscheinung beleuchten die Werke auch die düsteren Seiten der digitalen Vernetzung. Auf den Philippinen existieren sogenannte “Troll-Farmen”, in denen Mitarbeitende mit gefälschten Social-Media-Konten gezielt Falschinformationen verbreiten – gegen Bezahlung. Besonders alarmierend ist dabei, dass diese Troll-Armeen in den letzten Jahren zur Verbreitung von Fake News beigetragen haben, die politische Prozesse beeinflussen und Geschichtsrevisionismus fördern. In ihrer Kunst verbindet Werner den Alltag von Arbeitsmigrant*innen mit der verborgenen Welt der digitalen Manipulation und verdeutlicht, wie die Grenzen zwischen Vernetzung und Kontrolle zunehmend verschwimmen.
Die Ausstellung “Remote Control” lädt dazu ein, darüber nachzudenken, wie sich Heimat in einer vernetzten Welt gestaltet. Während digitale Technologien es ermöglichen, über große Distanzen hinweg in Kontakt zu bleiben und Familien über den gesamten Globus miteinander zu verbinden, birgt diese digitale Nähe auch Risiken – von Überwachung und Ausbeutung bis hin zu politischer Manipulation. Werner bringt genau diese Ambivalenz mit ihren Arbeiten zum Ausdruck, legt die unsichtbaren Netze von Arbeitsmigration offen und wirft die große Frage auf, was eigentlich geschieht, wenn das Digitale zum neuen Ort für Heimat und Identität wird.
WANN: Die Ausstellung “Remote Control” läuft nur noch bis Samstag, den 26. Oktober.
WO: Galerie Guido W. Baudach, Pohlstraße 67, 10785 Berlin.