Abtauchen in unbekannte Frequenzen
Jana Winderen im Haus der Kunst

29. Oktober 2024 • Text von

Wie klingt unsere Umwelt? Jana Winderen präsentiert im Haus der Kunst ihre immersive Soundinstallation “Absent Voices”. Die Künstlerin komponiert eine Symphonie aus vertrauten und unbekannten Klängen, zusammengesetzt aus Tonaufnahmen ihrer zahlreichen Exkursionen nach Thailand, Island oder den Nordpol.

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Jana Winderen recording with hydrophones for her installation ‘Acoustic Refuge’ for the Greenlight District 2019, Grenland Kunsthall, Porsgrunn, Norway, Foto: Lena Winderen.

Es knistert, knackt und knurrt aus den im Kreis angeordneten Lautsprechern. Vogelgezwitscher mischt sich unter das Surren von Insekten und das Grunzen von Tieren. Ein melodisches Konglomerat aus zahlreichen Klängen fügt sich zu einer polyphonen Klanglandschaft zusammen, sanftes Rauschen und tiefe Bässe kreieren ein immersives Hörerlebnis. Jana Winderen bespielt mit ihrer 10-kanaligen Live-Audio-Performance “Absent Voices” das Auditorium des Haus der Kunst, wo Besucher*innen in eine Klanginstallation der natürlichen Welt eintauchen können. Die Künstlerin erzeugt dabei trotz der Abwesenheit von Bildern zahlreiche visuelle Assoziationen.

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Jana recording with hydrophones for her project  Silencing of the Reefs, TBA21–Academy, Silver Bank, Dominican Republic, 2010. Foto: José Alejandro Alvarez, TBA21–Academy.

Auditive Eindrücke prasseln wie sanfter Regen auf die Besucher*innen der Installation ein. Vor dem inneren Auge erscheinen Visionen von Regenwäldern, Frühlingswiesen oder den Tiefen der Meere. Winderen verarbeitet in ihrer Live-Audio-Performance Aufnahmen aus den Tropen und dem Nordpolarmeer, aus Norwegen, Thailand und Island – ein Sammelsurium der Geräuschkulissen verschiedenster Lebewesen und Wetterbedingungen erzeugt einen immersiven Klangteppich. Dabei kombiniert die Künstlerin uns vertraute Klänge mit unbekannten Tönen.

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Listening Through the Dead Zones, commission by IHME 2021, Helsinki Rowing Stadium, Helsinki, Finland. Foto: Jana Winderen.

Auf ihren Exkursionen untersucht Winderen menschliche und nicht-menschliche Stimmen mit Hilfe moderner Schallaufnahmetechnologie. Die Künstlerin fokussiert sich dabei auf Klanglandschaften, die sonst nur schwer zugänglich sind. Sie verwendet Hydrophone für Unterwasseraufnahmen, SoundField-Mikrofone in der Luft und einen Pettersson-Ultraschalldetektor, um Aufnahmen auf einem Sonosax R4+-Rekorder zu machen. Die auf Booten, Schiffen oder im eigenen Garten aufgenommenen Klänge verarbeitet die Künstlerin anschließend in ihrem Studio. Durch Performances und Klanginstallationen möchte Winderen den Besucher*innen eine auditive Welt aus sonst verborgenen Frequenzbereichen, vermischt mit vertrauten Tönen, erlebbar machen.

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Jana Winderen recording with a SoundField 350 microphone in Krýsuvík, Iceland, 2014. Foto: Finnbogi Petursson.

Der Sound der 10-kanaligen Live-Audio-Performance wandert durch die Weite des Auditoriums, kriecht den Besucher*innen unter die Haut und erinnert dabei an das Phänomen des Autonomous Sensory Meridian Response – kurz ASMR – das durch akustische Reize ausgelöst wird und ein sanftes Kribbeln auf der Haut der Zuhörer*innen hinterlässt.

Jana Winderens Klanginstallation “Absent Voices” scheint durch die unmittelbare Nähe des Haus der Kunst zum Englischen Garten und zur Eisbachwelle die Geräusche des Parks ins Museumsgebäude zu bringen. Gleichzeitig entsteht der Wunsch nach einem Spaziergang, einfach loszugehen und bewusst hinzuhören. Winderens musikalische Kompositionen eröffnet nicht nur ein neues Hörerlebnis, sie lässt uns unsere eigene Wahrnehmung und Wertschätzung der Umwelt hinterfragen.

WANN: Die Live-Audio-Performance von Jana Winderen “Absent Voices” ist noch bis zum Sonntag, den 24. November zu hören.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München. 

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