Ist da jemand? #3 Maximilian Arnold
16. April 2020 • Text von Anna Meinecke
Eigentlich nimmt Maximilian Arnold Raum ein mit seiner Malerei. Jedenfalls hat man sich über die vergangenen Jahre daran gewöhnt. Seine neueste Werkserie umfasst jedoch ausschließlich kleinformatige Arbeiten. Sie sind unter besonderen Umständen entstanden: während des Lockdowns in Italien.
gallerytalk.net: Bist du gerade alleine?
Maximilian Arnold: Zum Glück nicht, meine Freundin Elli und ich sind vor vier Tagen aus einer sechswöchigen Quarantäne aus Italien wiedergekommen. Im Moment sind wir in ihrer Wohnung in Frankfurt am Main und müssen nochmal zwei Wochen dranhängen.
Bist du gerade kreativ?
Ich lese und zeichne etwas und sammle wie immer Bilder aus verschiedenen Quellen für mein Archiv, die ich als Grundlage für meine späteren Arbeiten verwende.
Du hast gerade mehrere Wochen deiner Residency in Brescia unter besonderen Bedingungen verbracht: Kaum warst du da, ging in Italien der Lockdown los. Wie hast du die Zeit erlebt?
Ich habe diese Zeit als sehr intensiv wahrgenommen, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Trotz des Ernstes der Situation im Allgemeinen und der Tatsache, dass ich dort bestimmte Freunde, Arbeiten und Museen nicht sehen konnte, auf die ich mich gefreut habe, hat die Situation dazu geführt, dass ich mich noch besser auf meine Arbeit im Atelier konzentrieren konnte. Außerhalb der künstlerischen Blase war es allerdings zeitweise apokalyptisch: Bergamo und Brescia waren die mit am heftigsten betroffenen Städte in Norditalien. Der Lärm von Sirenen der Krankenwagen und Hubschrauber im Minutentakt – tagsüber und nachts – waren allgegenwärtig und das Militär war andauernd präsent. Das war sehr bedrückend.
Anders als in Deutschland gab es in Italien einen richtigen Lockdown. Wie erging es dir damit?
Wir waren also nur dreimal in sechs Wochen draußen, um kurz einzukaufen – kein Spazieren, kein Sport außerhalb des Wohnortes. Es war gerade am Ende sehr hart, aber ein richtiger Schritt, den die Menschen in Brescia und ganz Italien geschlossen gegangen sind, um gemeinsam einer weiteren Ausbreitung entgegenzuwirken. Es ist immerhin ein Privileg, überhaupt zu Hause bleiben zu können, weil es bedeutet, dass man eines hat. Viele Menschen müssen sich mit ganz anderen Problemen auseinandersetzen.
Wie hat sich die Lage vor Ort auf deinen Arbeitsprozess ausgewirkt?
Ich habe durch die Isolation in dem Sinne genossen, dass ich die Möglichkeit hatte, mich ohne Druck und Ablenkung voll und ganz auf alles zu konzentrieren, was ich wahrend meiner Zeit als Artist in Residence geplant oder nicht geplant habe. Das Konzept einer Residency wurde quasi noch einmal verstärkt bezogen auf das Abgeschirmt-Sein. Diese Art von Entschleunigung und Langeweile ist eine positive Sache und manchmal Voraussetzung, wenn es darum geht, Kunst zu machen – und auch im Allgemeinen, denke ich.
Was für Arbeiten sind in der Zeit entstanden?
Ich habe mich auf sehr kleine Formate konzentriert. Das habe ich seit fast fünf Jahren nicht mehr getan. Es spiegelt genau diese Art von Konzentration und Enge, die ich in dieser Situation erfahren habe und die hoffentlich in einer gewissen Art von Dichte in diesen kleinen Gemälden sichtbar wird. Mich interessiert auch der Fakt, dass ich die Arbeiten vor dem Ausbruch vorbereitet und währenddessen beziehungsweise danach fertig gestellt habe. Denn naturgemäß fließen so viele externe Dinge in die Arbeiten mit ein und im Falle der neuen Gemälde eben auch so tiefgreifende und intensive Erfahrungen, die hoffentlich etwas mit ihnen gemacht haben.
Was beschäftigt dich seit deiner Rückkehr nach Deutschland?
Mir ist aufgefallen, wie rücksichtslos hier teilweise mit der Situation umgegangen wird. Viele Leute außerhalb Italiens beschweren sich über die Kontaktbeschränkungen und gehen trotzdem raus, um sich mit anderen zu treffen. Ich glaube, sie haben keine Vorstellung davon, wie viele Menschen schon gestorben sind und wie schlimm sich das Ganze gerade für andere entwickeln kann. Vor allem, wenn Menschen nicht verantwortungsvoll mit dieser Situation umgehen, was in Italien noch nicht einmal der Fall war – im Gegenteil.
Was macht dich im Moment glücklich?
Ganz klar die Zeit, die ich mit Elli gerade zu zweit verbringen kann – ein echter Luxus für uns, da wir normalerweise eine Fernbeziehung führen. Alles in allem muss ich sagen, dass mir die Ruhe und Entschleunigung auch persönlich sehr guttut. Ich habe gemerkt, dass ich das für mich in meinen normalen, teilweise zumindest doch sehr hektisch empfunden Alltag mitnehmen möchte. Ich möchte mir noch öfter eine Auszeit nehmen, wenn ich denke, dass ich sie brauche.
Worauf freust du dich?
Ich freue mich riesig darauf, meine Familie und meine Freunde endlich wieder zu sehen und mit ihnen draußen in unserem Kiez in Berlin-Schöneberg Wein zu trinken!
Mehr von Maximilian Arnold erfahrt ihr zum Beispiel auf seiner Website oder über seinen Instagram-Account.
Wir gehen nicht raus, bleiben ganz bei uns – so sehr, dass wir uns manchmal eine Runde zu viel um uns selbst drehen. Deswegen horchen wir nach, was draußen so los ist. In unserer Interview-Serie „Ist da jemand?“ sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit die Gegenwart auf berührende Weise kommentieren.