Ist da jemand? #11
Lina Scheynius!

11. Januar 2021 • Text von

Lina Scheynius mag intime Aufnahmen. Doch nie hat sie sich so verletztlich gefühlt, wie mit den Fotos von ihrem Bett. Mit gallerytalk.net spricht sie über ihre “Bubble” und die Sehnsucht nach dem Geruch des Waldes.

Licht fällt auf ein Bett mit zerknittertem Laken und Laptop.
Lina Scheynius: Untitled („My Bed“)2020 Analogue C-Print 40 x 60 cm, 41,5 x 61,5 cm (framed) 3 + 2 AP. Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner, Berlin.

gallerytalk.net: Bist du gerade allein?
Lina Scheynius: Ja, ich lebe allein. Aber ich darf eine „Bubble“ mit einem anderen Haushalt bilden und ich kann Leute draußen treffen. Es ist also sehr angenehm verglichen zu dem Schock im Frühjahr, als ich von einem auf den anderen Moment komplett isoliert war.

Bist du gerade kreativ?
Im Winter ist es immer ein bisschen schwieriger für mich, einfach weil es so viel dunkel ist. Aber ich bin kreativ. Mir kommt es sogar so vor, als habe sich meine kreative Praxis über das Jahr hinweg erweitert. Neben der Fotografie lese, zeichne, koche und schreibe ich viel mehr, als ich das früher getan habe. Im Frühjahr war ich erst einmal überhaupt nicht kreativ, aber mittlerweile habe ich das aufgeholt.

Installationsansicht “How to Human”. Arbeiten von Lina Scheynius. Galerie Tanja Wagner, 2020. Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner, Berlin.

Die Welt ist während der vergangenen Monate kleiner geworden. Du hast dein Bett, Kissen und zerknitterte Laken zum Motiv deiner Arbeit gemacht. Was hast du während deiner Arbeit an der Serie gelernt?
Dass man mehr Ausdruck in einem Objekt entdecken kann, als man sich das gemeinhin so vorstellt. Das Bett ist eine Welt für sich – voll von Landschaften, steter Veränderung unterworfen. Interessanterweise habe ich mich viel verletzlicher dabei gefühlt, jetzt meinen Schlafplatz zu zeigen, als in der Vergangenheit meine deutlich intimeren Fotos.

Was macht dich im Moment glücklich?
Vogelgesang. Ich hatte dem bis zu diesem Jahr nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Vergangene Nacht bin ich sogar vom wundervollsten Vogelgesang geweckt worden.

Links: Licht fällt auf ein Bett mit zerknittertem Laken. Rechts: Ein zerknittertes Laken.
Lina Scheynius: Untitled („My Bed“)2018 Analogue C-Print 53 x 40 cm, 54,5 x 41,5 cm (framed) 3 + 2 AP. Courtesy of Tanja Wagner. // Lina Scheynius: Untitled („My Bed”) 2018 Analogue C-Print 53 x 40 cm, 54,5 x 41,5 cm (framed) 3 + 2 AP. Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner, Berlin.

Worauf freust du dich?
In meine Heimat Schweden zurückzukehren und dort Zeit mit meiner Familie, im Wald und am Meer zu verbringen. Ich sehne mich nach dem Geruch des Waldes. Ich freue mich aber auch heute Abend vor dem Schlafengehen im Bett ein gutes Buch zu lesen.

Lina Scheynius Serie “Untitled (‘My Bed’)” ist noch bis Samstag, den 13. Februar, in der Berliner Galerie Tanja Wagner zu sehen.

Wir gehen nicht raus, bleiben ganz bei uns – so sehr, dass wir uns manchmal eine Runde zu viel um uns selbst drehen. Deswegen horchen wir nach, was draußen so los ist. In unserer Interview-Serie „Ist da jemand?“ sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit die Gegenwart auf berührende Weise kommentieren.

Ist da jemand? #1 – Milen Till
Ist da jemand? #2 – Esther Zahel und Peter Feermann
Ist da jemand? #3 – Maximilian Arnold
Ist da jemand? #4 – Jess Goehring
Ist da jemand? #5 – Nicholas Warburg
Ist da jemand? #6 – Rose Eken
Ist da jemand? #7 – Berkay Tuncay
Ist da jemand? #8 – Lucy Bryant
Ist da jemand? #9 – Ye Funa
Ist da jemand? #10 – Oliver-Selim Boualam