Ist da jemand? #12
Bob Bicknell-Knight

15. Januar 2021 • Text von

Aus Frust über die britische Regierung hat sich Bob Bicknell-Knight ein Bild von Boris Johnson gemacht – an COVID erkrankt liegt der Premier im Bett und wird beatmet. Uns erzählt Bicknell-Knight, wie er die Pandemie erlebt und wieso er 2021 aufs Land ziehen möchte.

Bob Bicknell-Knight, Outbreak, 2020. HD video with sound, 1 min 25 sec (looped). Courtesy of the artist.

gallerytalk.net: Bist du gerade allein?
Bob Bicknell-Knight: Ich schreibe das hier an einem Samstagnachmittag am Esstisch in meiner Wohnung in South London. Gegenüber sitzt meine Partnerin. Würde ich an einem Wochentag schreiben, säße ich hier allein – sowie wie die meiste Zeit seit März vergangenen Jahres. Ich würde Musik hören und an verschiedenen Kunstwerken und kuratorischen Projekten arbeiten.

Bist du gerade kreativ?
Ein Interview wie dieses lässt mich über mich und meine Arbeit nachdenken. Ich reflektiere, wieso ich manche Entscheidungen treffe, wieso ich ein bestimmtes Kunstwerk anfertige oder was mich zu einer kuratorischen Entscheidung veranlasst. Dieses Nachdenken ist von Natur aus kreativ. Es ist ein Privileg, das tagtäglich tun zu dürfen.

Deine Videoarbeit „Outbreak“ zeigt Boris Johnson, wie er aufgrund seiner COVID-19-Erkrankung behandelt wird. Eine wahre Begebenheit, die aber nicht für die Öffentlichkeit dokumentiert wurde. Wieso wolltest du ein Bild dazu schaffen?
Die Arbeit ist im Mai 2020 aus einer Laune heraus entstanden. Es war sicherlich ein Versuch, mit der Pandemie und ihren Auswirkungen in Großbritannien wie weltweit umzugehen. Zunächst war es gar nicht wirklich künstlerische Arbeit. Es war mehr ein Ablenkungsmanöver, etwas, das mich eine Weile lang geistig beschäftigt hat. Ich wollte etwas schaffen, dass meiner Frustration hinsichtlich der britischen Regierung Ausdruck verleiht und gleichzeitig Bezug nimmt auf die Verschwörungstheorien rund um COVID, die zunehmende Präsenz von QAnon und rechtsextremen Gruppierungen. Als Johnson im April 2020 ins Krankenhaus kam, haben online viele Menschen infrage gestellt, ob er sich wirklich mit dem Coronavirus infiziert hat oder ob es sich vielleicht um einen Publicity-Stunt handeln könnte.

Bob Bicknell-Knight, Outbreak, 2020 (Installation view ). HD video with sound, 1 min 25 sec (looped). Courtesy of the artist.

Absurd, oder?
Ja, es ist unglaublich. Jetzt haben wir Januar 2021 und Johnson hat weitere wirklich furchtbare Fehler gemacht. Wir haben fast 100.000 Menschenleben verloren, Millionen Menschen in Großbritannien haben ihren Job verloren und dann sind da noch all die verheerenden Langzeitfolgen, die der Brexit für unser Land haben wird. Die Vorstellung, dass Johnson über eine COVID-Erkrankung lügen könnte, ist absurd, aber genauso absurd ist alles, was die britische Regierung im vergangenen Jahr gemacht hat. Wieso sollten sie nicht auch eine Lüge wie diese fabrizieren – einfach für ein bisschen gute PR?

Was macht dich im Moment glücklich?
Zeit mit meiner Partnerin verbringen, kochen, Videospiele spielen, Fahrrad fahren, an meiner Kunst arbeiten, mit Künstler*innen kollaborieren, nett auf eine E-Mail antworten. Trotz allem, was gerade in der Welt los ist, habe ich viele Gründe, glücklich zu sein.

Worauf freust du dich?
Gerade freue ich mich auf das, was 2021 bringen wird. Ende des Jahres möchte ich aus London wegziehen. Ich bin auf dem Land großgeworden und ursprünglich zum Studieren hergekommen. Obwohl ich es liebe, ganz nah dran an Hunderten von Galerien zu sein, hat mir 2020 gezeigt, dass ich nicht unbedingt zehn Ausstellungen pro Woche sehen muss, um auf dem Laufenden zu bleiben. Aber ich wünsche mir, dass es endlich wieder losgeht und Ausstellungen nicht andauernd verschoben werden. Ich habe dieses Jahr drei Einzelausstellungen in drei verschiedenen Ländern, dazu kommen verschiedene kuratorische Projekte. Es gibt also einiges, auf das ich mich freue.

Derzeit ist “Outbreak” im Rahmen der Gruppenausstellung „Change Makers: Ways of Protest“ in der Elysium Gallery im walisischen Swansea ausgestellt.

Wenn ihre mehr von Bob Bicknell-Knight lesen wollt, empfehlen wir unser Interview aus dem vergangenen Frühjahr. Da hat er uns erklärt, was eine gute Online-Ausstellung ausmacht. Auf seiner Plattform isthisit? organisiert er digitale Schauen nämlich nicht erst, seit es angesagt ist. Mehr Informationen zu Bob gibt es auf seiner Website und auf Instagram.

Wir gehen nicht raus, bleiben ganz bei uns – so sehr, dass wir uns manchmal eine Runde zu viel um uns selbst drehen. Deswegen horchen wir nach, was draußen so los ist. In unserer Interview-Serie „Ist da jemand?“ sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit die Gegenwart auf berührende Weise kommentieren.

Ist da jemand? #1 – Milen Till
Ist da jemand? #2 – Esther Zahel und Peter Feermann
Ist da jemand? #3 – Maximilian Arnold
Ist da jemand? #4 – Jess Goehring
Ist da jemand? #5 – Nicholas Warburg
Ist da jemand? #6 – Rose Eken
Ist da jemand? #7 – Berkay Tuncay
Ist da jemand? #8 – Lucy Bryant
Ist da jemand? #9 – Ye Funa
Ist da jemand? #10 – Oliver-Selim Boualam
Ist da jemand? #11 – Lina Scheynius