Ist da jemand? #10 Oliver-Selim Boualam von BNAG
3. Dezember 2020 • Text von Anna Meinecke
Fast alle tragen sie, jede*r redet drüber – kein Wunder also, dass die Maske auch schon künstlerisch verstoffwechselt wurde. Oliver-Selim Boualam von BNAG hat sich seit Beginn der Pandemie mit dem Motiv beschäftigt. gallerytalk.net erzählt er, ob er die Dinger noch sehen kann.
gallerytalk.net: Bist du gerade allein?
Oliver-Selim Boualam: Nein.
Bist du gerade kreativ?
Irgendwie schon sehr – mal weniger mal mehr.
Den allgegenwärtigen Masken hast Du eine Keramik-Serie gewidmet, installiert im Sommer wie weggeworfen, nahezu trotzig. Auf die Gefahr hin, nach dem Offensichtlichen zu fragen: Wie kam’s?
Ich hatte zu Beginn der Pandemie angefangen, weggeworfene oder verlorene Masken zu fotografieren – teils zerknüllte, teils flache. Und plötzlich waren sie überall. Mittlerweile haben wir uns an diese neue Art von Müll auf der Straße gewöhnt und sind relativ unbeeindruckt davon. Doch irgendwie schwingt auch ein gewisser Ekel mit, wenn wir eine Maske neben Taschentüchern und Kondomen auf dem Boden liegen sehen. Für die Ausstellung “NSFW” in Karlsruhe habe ich davon inspiriert Masken aus Keramik gemacht. Man konnte sich durch die Positionierung der fragilen Masken am Boden nicht frei durch den Ausstellungsraum bewegen, man war vorsichtig, da man als Besucher*in nichts kaputtmachen wollte.
Was für eine Haltung hast Du über die vergangenen Monate zu dem Motiv entwickelt?
Wir werden voraussichtlich Atemschutzmasken noch eine längere Zeit tragen und irgendwann werden sie uns gar nicht mehr groß auffallen – vielleicht ist das auch jetzt schon so. Ich wollte das anfängliche Gefühl der Umgewöhnung in Objekten festhalten. Als Erinnerung an einen Moment, an dem man sich nicht mehr frei bewegen konnte. Gleichzeitig kann ich Kunst mit Masken auch nicht mehr sehen. Das war wie eine akute Bewältigungsstrategie, ein kurzer Overload um sich dann wieder davon frei zu machen.
Was macht dich im Moment glücklich?
Dass ich das Leben eines Rentners führe. Ich mache alles ein bisschen langsamer als sonst. Ich koche ausgiebig und esse Kuchen zum Nachtisch. Ich gehe auch mal spazieren im Wald. Und ich verbringe viel Zeit im Atelier und vergesse die andauernd, woran ich arbeite.
Worauf freust du dich?
Heute freue ich mich auf morgen.
Mehr vom Duo BNAG gibt es auf ihrer Webiste oder auf Instagram.
Wir gehen nicht raus, bleiben ganz bei uns – so sehr, dass wir uns manchmal eine Runde zu viel um uns selbst drehen. Deswegen horchen wir nach, was draußen so los ist. In unserer Interview-Serie „Ist da jemand?“ sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit die Gegenwart auf berührende Weise kommentieren.
Ist da jemand? #1 – Milen Till
Ist da jemand? #2 – Esther Zahel und Peter Feermann
Ist da jemand? #3 – Maximilian Arnold
Ist da jemand? #4 – Jess Goehring
Ist da jemand? #5 – Nicholas Warburg
Ist da jemand? #6 – Rose Eken
Ist da jemand? #7 – Berkay Tuncay
Ist da jemand? #8 – Lucy Bryant
Ist da jemand? #9 – Ye Funa