Das SoMe-Archiv der Massenkultur
Isabella Fürnkäs bei Hua International

28. Januar 2022 • Text von

In ihrer Einzelausstellung „Build Me a House“ bei Hua International projiziert Isabella Fürnkäs Instagrams Explore Page auf organische Erde. Die Künstlerin beschäftigt sich damit nicht nur mit dem sich am schnellsten füllenden Archiv der Gegenwart, stellt neben dessen schnelllebigen Oberflächlichkeit aber auch seine Intimität heraus.

„Ataraxia”, 2021, Isabella Fürnkäs, Hua International Berlin, Foto: Robert Rieger, Courtesy of the artist and Hua International.

Mit der Geburt des Internets begann auch die gleichzeitige Errichtung des umfassendsten Mega- und Meta-Archivs überhaupt. Es entzieht sich einer rein physischen Existenz, wie man es wohl bei einem klassischen, materiellen Archiv annehmen würde, schwebt aber dennoch nicht ausschließlich körperlos über uns. Dieses Mega-Meta-Archiv findet seine stoffliche Präsenz in virtuell entstandenen Trends, die in der realen Welt, z.B. in Form von Kleidung, oder NFTs, die auf Bildschirmen in Galerien gezeigt werden. Auch Instagram ist Teil dieses Archivs und wahrscheinlich ein eigenes Archiv innerhalb des Über-Archivs. Auf der kunterbunten Explore Page, die einem eine kuratierte und personalisierte Auswahl verschiedenster Posts zusammenstellt, tritt die gefühlte nicht existente Begrenztheit von Beiträgen im Internet an die Oberfläche. 

Laut der Agentur Omnicore befinden sich Anfang 2022 mehr als 50 Milliarden Fotos auf Instagram. Auch wenn man auf Instagram vermutlich endlos scrollen kann, hat sich nach zehn Minuten intensivem Durchforsten, die Explore Page von Isabella Fürnkäs selbst ausgeschaltet und ist nun Teil ihrer Einzelausstellung „Build Me a House“ bei Hua International in Berlin.

„Build Me a House”, 2021, Isabella Fürnkäs, Hua International Berlin, Foto: Timo Ohler, Courtesy of the artist and Hua International.

In einem durch schwere, schwarze Vorhänge verdunkelten Raum zeigt die in Tokio geborene Künstlerin das daraus entstandene filmische Dokument: eine Bildschirmaufnahme ihres Handys, die von Bildern von Politiker:innen zu Plastik-Barbies, die shampooniert werden, springt. „The Truth Lies in the Eye of Beholder“ wird in einem Loop jeweils zehn Minuten pro Durchlauf auf den Boden des Ausstellungsraumes projiziert, der vollständig mit Erde ausgelegt ist. Fürnkäs lässt damit das Digitale dem Organischen begegnen. Stellt die beiden dichotomen Kräfte aber nicht in Gegenüberstellung, sondern lässt sie sich verzweigen. Das SoMe-Archiv der Massenkultur des Zeitgeistes erhält durch die Wiedergabe auf einem bröckligen, erdbraunen Bildschirm, der taktil und begehbar ist, einen fast schon ursprünglichen Charakter. 

Im zweiten Ausstellungsraum befindet man sich stattdessen auf einem karminroten, samtartigen Teppich. Zu sehen sind dort die Serie „Insomnia Drawings“ in Gegenüberstellung von “The Red Drawings“. Die Zeichnungen stellen verschiedenste Momente anonymer, teilweise fiktiv anmutender Charaktere mit Zauberstab dar. 

„Build Me a House”, 2021, Isabella Fürnkäs, Hua International Berlin, Foto: Timo Ohler, Courtesy of the artist and Hua International.

In jeder der Arbeiten, die sonst mit grauem Bleistift gezeichnet sind, befindet sich ein hervorstechendes rotes Element: als aufgehende Flammen, tropfendes Blut oder Farbe des Königsmantels. Fürnkäs weckt damit verschiedenste Assoziationen, die mit der Farbe Rot, die auch ein kulturelles Bedeutungsnetz färbt, verbunden sind. In Mexiko und Peru beispielsweise wurden rituelle und zeremonielle Textilstücke in karminrot gefärbt. Gleichzeitig kann Rot, wenn man dabei an Blut denkt, aber auch mit Intimität und Fragilität verbunden werden.

„Ataraxia”, 2021, Isabella Fürnkäs, Hua International Berlin, Foto: Robert Rieger, Courtesy of the artist and Hua International.

Auch die Performer:innen, der zur Ausstellung stattfindenden Performance „Ataraxia“, werden durch ein mystisches, rotes Licht illuminiert. Sie befinden sich im dritten Raum der Galerie, in dem sich die dazugehörige Installation mit dem gleichen Titel befindet. Die aus weißem, semi-transparentem Textil und Stahlstrukturen bestehenden Gebilde, erinnern an Iglus oder Zelte. In ihnen befinden sich unordentlich zusammengefaltete Bettdecken. Um sie herum ein Ensemble an betongrauen Steinen. 

Die Vielzahl der Medien, die in „Build Me a House“ ausgestellt sind, bezieht sich damit auch auf die Multimedialität unseres Internet-Archivs, bei dem sich die Frage stellt, ob die Millionen, oft sinnfreien Beiträge, überhaupt den Wert besitzen, in ein Archiv aufgenommen zu werden. Fürnkäs zeigt, dass dieses kombiniert mit anderen, physischen Elementen durchaus auch intim und verletzlich sein kann. 

WANN: Die Ausstellung läuft bis zum 12. Februar 2022.
WO: Hua International, Potsdamer Str. 81B, 10785 Berlin.

Mehr Bilder von “Build Me a House” bei YYYYMMDD.

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