Internet Explorer #20
Emotionen frisch aus dem Kaffeeautomaten

15. Juni 2022 • Text von

Heute schon ein Gefühl gehabt? Sag’s mit Automatenkaffee. Wir empfehlen neben dieser grandiosen Spielerei von Good Job! kollektives Animations-Glotzen mit dem “Saturday Morning Animation Club”, mehr oder minder konstruierte Realitäten im CK_OffSpace und die umfassende Recherche-Arbeit von Forensic Architecture zum rassistischen Terror-Anschlag in Hanau.

Links eine Art Kinoposter für den Saturday Morning Animation Club mit einer Anime-Figur von Petra Szemán, die die Hände ausstreckt. Rechts ein Still von Christian Wright, es zeigt ein lilafarbenes Wesen die Faust geballt, gegenüber eine Figur in Rüstung.
Saturday Morning Animation Club – organised by Petra Szemán, in partnership with isthisit? and Off Site Project. Artworks Petra Szemán & Christian Wright.

Samstag morgen noch nichts vor? Dann ab ins Internet. Der “Saturday Morning Animation Club” verbindet Screenings bis noch bis Anfang Juli neue Arbeiten von Petra Szemán, David Blandy, Christian Wright und Bob Bicknell-Knight. Aufs erste Screening folgt ein erneutes – kommentiert von den Künstler*innen, im Anschluss gibt es ein Q&A. Szemán hat das Projekt gemeinsam mit den Online-Kunst-Profis von isthisit? und Off Site Project auf die Beine gestellt und lässt damit das quasi das Cartoon-Vergnügen am Wochenende neu aufleben. Alle Veranstaltungen sind umsonst, hier geht’s zur Anmeldung. An diesem Samstag, den 18. Juni, steht “Openings !!!” von Szemán auf dem Programm.

Schwarz-Weiß Zeichnungen der Künstlerin Katharina Landisch.
Katharina Landisch: “Illusionary Rooms”, CK OFFSPACE, 2022.

Realität ist, was man sich so konstruiert. Frei nach dem Motto wirft Katharina Landisch fragmentarisch Realitäten in den Raum, ursprünglich digital, nun also auch off- und dann eben doch wieder online. Mit “Illusionary Rooms”, kuratiert von Anna Goltz, bespielt die Frankfurter Künstlerin den CK_OffSpace. Lohnt sich also, die Mini-Galerie von Christian Kölbl ab Freitag, den 17. Juni, mal wieder auf Instagram zu besuchen.

Ausschnitt aus der Recherche von Forensic Architecture zeigt Rekonstruktion des Hauses des Täters vom Terroranschlag in Hanau.
Forensic Architecture & Forensis, Rassistischer Terroranschlag in Hanau: Das Haus des Täters, 2022, © Forensic Architecture & Forensis.

Die Forschungsagentur Forensic Architecture führt Raum- und Medienanalysen für Staatsanwälte, Menschenrechtsgruppen und NGOs durch. Als eins der bemerkenswertesten Projekte der documenta 14 ist etwa die Video-Arbeit “77sqm_9:26min” bekannt. Dafür wurde der Tatort des NSU-Mords an Halit Yosgat anhand geleakter Akten und einem Polizeivideo minutiös rekonstruiert. Mit neuesten Recherchen widmet sich Forensic Architecture dem rassistischen Terror-Anschlag in Hanau. Das Video dazu ist hier online abrufbar.

Aktuell ist die Arbeit Teil der Ausstellung “Three Doors – Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh” im Frankfurter Kunstverein. Sie ist als öffentliches Forum für gesellschaftspolitischen Diskurs gedacht. Mit künstlerischen, bildwissenschaftlichen und investigativ-journalistischen Mitteln sowie den Stimmen der Betroffenen soll eine Gegenerzählung über die Geschehnisse in Hanau zur staatlichen und behördlichen Darstellung geleistet und Sichtbarkeit für die Opfer rassistischer Gewalt geschaffen werden. Eine Übersicht über die Recherchen von Forensic Architecture gibt es hier.

Links das Good Job! Showroom Emoji Stickerset – die Telegram-Oberfläche zeigt mehrere Gesichter in Kaffee. Rechts eine Kaffeetasse mit Gesicht im Schaum.
Good Job! Showroom Emoji Stickerset auf Telegram. Screenshot & Foto: Instagram/goodjob_showroom.

Good Job! ist ein semi-virtueller Ausstellungsraum – und verantwortlich für ein Corporate-Gefühl-kompatibles Sticker-Set auf Telegram. Dutzende Smiley-Faces in Crema gerührt könnt ihr über diesen Link dem Kontakt eures Vertrauens anstelle der 0815-Emojis senden. Die Idee dazu entstand am Schreibtisch, früh am Morgen, der Kopf noch nicht zu voller Denkleistung aufgelaufen. Aufs erste Gesicht in der Brüh folgte das zweite und weil’s dem Erfinder taugte, machte er einfach ein halbes Jahr lang weiter. Nun also die emotionale Palette des Lohnarbeitenden im Automatenkaffee festgehalten für die Ewigkeit. Oder jedenfalls bis alle auf andere Messenger umgestiegen sind. Angenehm erfrischend ist die Tatsache, dass Good Job! den Spaß nicht groß zum Kunstprojekt intellektualisiert, sondern im besten Sinne als Gimmick anpreist: digitaler gratis Merch, mögen wir.