Internet Explorer: Kunst online #1
Viele Fragen, einige Antworten

20. Juli 2021 • Text von

Welche Auswirkungen haben digitale Technologien auf unser aller Leben? Wie kann man Elternschaft und Kunst unter einen Hut bringen? Wird es NFTs auch nach dem Hype geben? Und wie geht man mit Traumata um? Viele Fragen und einige Antworten gibt es online bei KW Berlin, im Portal De:Formal, bei der Galerie PRISKA PASQUER und im Film “Ihre Geister Sehen”.

Joshua Citarella: Choose Your Future, 2021. Still von der Webseite; Courtesy der Künstler.

Technologie soll unseren Zugang zu Wissen eigentlich erweitern, die Welt lesbarer machen und gleichzeitig Unwissenheit und Aberglauben untergraben. Das ist zumindest die Hoffnung. Manchmal fühlt es sich jedoch so an, als wären wir in ein neues dunkles Zeitalter der undurchsichtigen Blackboxes eingetreten. Diesem Zwiespalt widmet sich “Open Secret“, ein sechsmonatiges Programm von KW Berlin, das Bilder des technologisch Verborgenen in unserer scheinbar offenen Gesellschaft erforschen will. “Open Secret” will diesem Thema durch zahlreiche künstlerische Auftragsarbeiten und Essays führender Denker*innen nachgehen. Zusätzlich reflektiert das Projekt kritisch die digitalen Infrastrukturen, die unser Leben organisieren. Die Diskurse finden in hybriden Online-Offline-Formaten statt und werden in Zusammenarbeit mit einer vielfältigen Gruppe von Gesprächspartner*innen realisiert.

De:Formal: The Rise of the Care Machines

Elternschaft und Kunst sind nicht immer leicht vereinbar. Jede*r an der Ausstellung beteiligte Künstler*in mit Kind kennt den Balanceakt zwischen Leben und Arbeit und die Grenzen zwischen Liebe und Selbstaufopferung. Daher zeigt De:Formal zeigt mit „The Rise of the Care Machines“ eine digitale Ausstellung, die das Spannungsverhältnis zwischen Elternschaft und Kunst untersucht. Das digitale Medium ist ein Ort, der für die Möglichkeit neuer Beziehungen offen ist und eine neue Art der Annäherung an die symbolische und kulturelle Konfiguration von Elternschaft offenbart. Die an dieser Ausstellung beteiligten Künstler*innen reproduzieren nicht Diskurse und Praktiken, mit denen Elternschaft traditionell identifiziert wird, sondern haben sich diese Erfahrung persönlich angeeignet. Durch Video, 3D-Skulptur, Animationsfilm, AR-Filter und Gif erforscht eine vielfältige Gruppe von Künstler*innen die Repräsentationen des Weiblichen in der Technologie, den Zyklus von Leben und Tod, die Themen der sozialen Reproduktion und die Pflegekrise. “The Rise of the Care Machines” ist den neuen Medienkünstler*innen gewidmet, die Eltern sind.

WINDS OF CHANGE: kuratiert von PRISKA PASQUER und CHRISTIANE MARIA SCHNEIDER, Ausstellungsansicht.

Das Konzept NFT hat in den letzten Monaten die digitalen Sphären und Märkte dominiert. Ob dieser Hype nachhaltig ist, wird die Zukunft zeigen. Die Galerie PRISKA PASQUER startet nun unter dem Titel “WINDS OF CHANGE” eine neue Ausstellungsreihe, die sich der kryptobasierten Kunst widmet. Die originalen digitalen Kunstwerke werden in einer virtuellen “Offshore-Show” präsentiert. Seit über 20 Jahren arbeitet die Galerie PRISKA PASQUER mit Künstler*innen zusammen, die sich mit aktuellen Fragestellungen und neuen Formen der künstlerischen Auseinandersetzung durch eine Vielzahl von Medien auseinandersetzen. Die erste Ausstellung der Galerie, die sich ausschließlich mit NFTs beschäftigt, gibt einen guten Überblick und zeigt ein breites Spektrum unterschiedlicher Ansätze.

Die Schauspielerin Sandra Hüller sitzt vor rosafarbenem Stoff und sieht resigniert aus. Die Untertitel: "Five in the morning, three at noon, half an afternoon, four in the evening".
Kunstfilm: “Ihre Geister Sehen”. Regie: Kirsten Becken; DarstellerInnen: Sandra Hüller, Annika Ruth Ramcke, Rike Hiller, Johann Langfeld, Sarah Langfeld, Lotta Loos; Sound: Moritz Bossmann, Sandro Tajouri; Text: Rabea Edel.

Wir sprechen viel über Traumata. Oder nicht genug, es ist immer eins von beiden. Kirsten Becken hat ihr Regie-Debüt einem Familiengeheimnis und seinen Auswirkungen gewidmet. Ihr Kunstfilm “Ihre Geister Sehen” handelt von Anna, gespielt von Sandra Hüller, die im Geiste die Worte ihrer Mutter, die Geburt der Tochter, die Liebe zu ihrem Mann und zunächst verborgen Gebliebenes durchspielt. Sie fühlt sich fremd in der Welt, fremd in der eigenen Familie. “Niemand kann mich hören. Hier bin nur ich, barfuß auf dem Beton, niemand will mich hören. Ich spucke hinunter. Ich schreie, so laut ich kann. Lauter. Und lauter. Im Tal ziehen die Wolkenschatten vorüber. Ich bin nicht defekt,” sagt Anna und das lassen wir mal so stehen. Hier entlang geht es zum Hörspiel, hier gibt es den Film.

Der Tipp kommt von Anna Meinecke.