Amputiert und isoliert
Igor Hosnedl im EIGEN + ART Lab

16. September 2021 • Text von

In seiner Einzelausstellung „Ká Quills’ Room“ im EIGEN + ART Lab zeigt Igor Hosnedl ein Ensemble aus Malerei, Objekten und der unmittelbaren Umgebung. Der Künstler konstruiert eine aufregend verworrene Fantasiewelt, in der nichts eindeutig zu sein scheint.

Ausstellungsansicht von Ká Quills’ Room von Igor Hosnedl in der Galerie EIGEN + ART Lab in Berlin.
Ká Quills’ Room, Igor Hosnedl, Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin. Foto: Peter Wolff.

Pflanzenranken wickeln sich um lange Finger, wurmartige Fortsätze wachsen aus Armstümpfen und verrenkte Körper mit androgynen Köpfen scheinen in gespenstischen, verlassenen Bildräumen zu schweben. In seiner zweiten Einzelausstellung im EIGEN + ART Lab präsentiert Igor Hosnedl akribisch ausgeführte Malerei, die in vielen Schichten ausgeführt ist und das wiederkehrende Vokabular des Künstlers abbildet: Die maschinenähnlichen Gebilde, die auf den bühnenartigen Kulissen auf Hosnedls Leinwänden zu sehen sind, erinnern an anonyme Fabriken, die schon vor langer Zeit stillgelegt wurden.

Dazwischen winden sich lange Röhren – oder sind es Haare? – und Gliedmaßen mit offenen Wunden, die sich surreal wabernd in einem leeren Kosmos verlieren. Hosnedl konstruiert ein allumfassendes, schlangenartig gewundenes Ökosystem, das sowohl aus Pflanzen als auch aus menschenartigen Wesen und tierischen Geschöpfen besteht. Die Objekte, die im Galerieraum auf dem Boden verteilt wird, wirken wie zurückgelassene Zwischenprodukte, alte Gerippe oder Schalen unbekannter Geschöpfe.

Ausstellungsansicht von Ká Quills’ Room von Igor Hosnedl in der Galerie EIGEN + ART Lab in Berlin.
Ká Quills’ Room, Igor Hosnedl, Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin. Foto: Peter Wolff.

Klinisch, blutig, makaber, intim – trotz der radikalen Motivik wirken Hosnedls Bildwelten keinesfalls eklig oder erschreckend, sondern anziehend und vielversprechend. Der Künstler malt in schwungvollen, fast surrealen Pinselstrichen, verzichtet auf scharfe Kanten oder Ecken. Alles wirkt weich und fluid – mal abstrakt, mal figurativ, immer verschlungen. Die Kombination aus kindlicher Verspieltheit und lauernder Mehrdeutigkeit weckt ein Spannungsgefühl, das auch mit einem gewissen Unbehagen einhergeht.

Das könnte auch damit zu tun haben, dass die Arbeiten irgendwie isoliert erscheinen, als steckten sie hinter Glas: Völlig abgekapselt von äußeren Einflüssen stehen sie ganz für sich, lagern wie antromorphe Kreaturen in Reagenzgläsern oder Gewächshäusern und schimmern vielsagend vor sich hin. Konträr dazu möchte man sie berühren. Das, was dort wie hinter einer Glasscheibe aufgebahrt zu sein scheint, haptisch erkunden. Hosnedl Farbspektrum ist wattig-pudrig, gedämpft und gleichzeitig intensiv. Die diffusen Grautöne von Teppich und Wandbehang bilden einen angenehmen Gegensatz zu der verlockend-pastelligen Farbigkeit der Gemälde.

Ausstellungsansicht von Ká Quills’ Room von Igor Hosnedl in der Galerie EIGEN + ART Lab in Berlin.
Ká Quills’ Room, Igor Hosnedl, Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin. Foto: Peter Wolff.

Am Ende des Besuchs bleiben viele Fragen offen: Was produzieren diese Maschinen? Woher kommen all die abgetrennten Gliedmaßen? In welche Parallelwelt blickt man gerade? Und vor allem: Wer ist eigentlich Ká Quills, der ominöse Besitzer dieses Raumes? Die rätselhaften Geschichten, die der Künstler lediglich anreißt, machen neugierig. Auf der Leinwand entsponnen, können sie jenseits des Bildraums – im Ausstellungsraum – weitergedacht werden. Diese Ambivalenz macht Hosnedls Arbeiten aus. Auch, wenn er einen etwas ratlos zurücklässt, arrangiert Igor Hosnedl mit „Ká Quills’ Room“ ein verworrenes und doch aufgeräumtes Chaos, dessen Betrachtung großen Spaß macht.

WANN: Die Ausstellung „Ká Quills’ Room“ läuft noch bis zum 30. Oktober.
WO: EIGEN+ART Lab, Torstraße 220, 10115 Berlin.

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