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"I Never Read" in Basel

16. September 2020 • Text von

„I Never Read“ – das ist natürlich eine Lüge, denn selbst an den allerschlechtesten Tagen gelingt jedenfalls der Blick in eine Nachrichten-App. Aber manchmal muss es gar nicht so viel Text sein, um in Buchform zu begeistern.

Innenansicht und Cover der Künstlerbücher von Malte Bartsch und Mary-Audrey Ramirez.
Innenansicht und Cover von „Auto Modus“ von Malte Bartsch sowie von „XOXO Winter is Coming“ von Mary-Audrey Ramirez. Courtesy of DISTANZ Verlag. Collage: gallerytalk.net.

Ideen, Haltungen und Bilder in kompakter Form – so beschreibt sich die Kunstbuchmesse „I Never Read“. Wir haben einen Blick in die Programme der Aussteller geworfen und ein paar ganz besondere Perlen entdeckt, die wir euch nicht nur nicht vorenthalten, sondern ganz gezielt aufs Auge drücken wollen.

DISTANZ Verlag

Richtig gute Monographien angesagter junger Künstler*innen finden sich beim DISTANZ Verlag. Ob es daran liegt, dass es dem Unternehmen ganz wesentlich auf Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit bei gemeinsamen Projekten ankommt? Wir jedenfalls haben uns bei der Durchsicht des Programms vor allem über zwei Bücher gefreut. Zum einen ist das „Auto Modus“ von Malte Bartsch, dem Mann mit den flammenden Bankautomaten und der Kassenbon-Kunst, zum anderen das gülden gefasste und köstlich zeitgeistig betitelte „XOXO Winter is Coming“ von Mary-Audrey Ramirez. Im Herbst erscheint bei DISTANZ außerdem die eigeninitiierte Textbuch-Reihe „KONTEXT“, bei der es um den Dialog von zeitgenössischer Kunst und Text gehen wird. Los geht es mit dem Titel „Disss-Co A Fragment“. Es werden Werke von Henrik Olesen einem Text von Douglas Crimp gegenübergestellt.

Innenansicht und Cover verschiedener Zines, die im Text beschrieben werden.
Zines “Vagine”, “Carpe Diem”, “Don’t Believe in Yourself” und “Men Don’t Like”. Courtesy of Bolo Paper. Collage: gallerytalk.net.

Bolo Paper

Ein einziges Vergnügen ist ein Blick ins Programm von Bolo Paper aus Mailand. Der kleine Verlag hat lässig gestaltete Zines im Angebot, die mindestens zum Schmunzeln, bestenfalls zum Lachen bringen. So findet sich zum Beispiel der Ratgeber „Men Don’t Like“ voller sexistischer Dating-Tipps, ein Ringbuch voller alter weißer Männer, die nichts als „Vagine“ zu sagen haben, ein Heft voller „Demotivational Quotes“ gegen plötzlich aufkommendes Selbstbewusstsein sowie eine Fotostrecke Lebensfreude per Fisch im Arm.

Innenansicht und Cover der Künstlerbücher "Und im Sommer tu ich malen" und "Planet der Anfänger".
Innenansicht und Cover der Bücher “Und im Sommer tu ich malen” von Hank Schmidt in der Beek und Fabian Schubert sowie “Planet der Anfänger” von Max Kersting. Courtesy of Edition Taube. Collage: gallerytalk.net.

Edition Taube

Edition Taube ist spätestens seit diesem Jahr kein Geheimtipp mehr. Der Verlag wurde mit dem Deutschen Verlagspreis 2020 ausgezeichnet. Im Programm gibt es Klassiker wie Eugene M. Schwartzs „Confessions of a Poor Collector“ aus dem Jahr 1970, der noch heute als interessante Lektüre für all diejenigen taugt, die mit kleinem Budget zu Kunstsammler*innen werden wollen. Und es gibt aufwändig gestaltete Künstlerbücher wie „Vibration Highway“ von Andrea Éva Győri. Hier steht die weibliche Lust im Zentrum, die Künstlerin hat zum Beispiel Frauen bei der Masturbation gemalt.

Schließlich haben wir noch zwei ganz persönliche Favoriten für euch. „Und im Sommer tu ich malen“ ist eine hervorragende Kollaboration von Hank Schmidt in der Beek Fabian Schubert, die sich dem Motiv des Malers im Grünen über Bilder, die zum Outfit passen, nähert. Und da ist „Planet der Anfänger“ von Max Kersting, ganz vorzügliche Pubertätsromantik in retro und mit großen Sätzen über Kleines. „Er mag sie sehr. Deswegen klettert er nachts mit ihr über einen Zaun und zeigt ihr die Bisamratten“, steht da zum Beispiel und man weiß sofort, was gemeint ist. Die Kids skaten, knutschen, rauchen – was war das schön, damals.

Innenansichten und Cover der Ausgaben Nr. 25 und 26 von Narr - das narrativistische Literaturmagazin sowie Cover des "Literarischen Reiseführers Bern".
Innenansichten und Cover der Ausgaben Nr. 25 und 26 von Narr – das narrativistische Literaturmagazin sowie Cover des “Literarischen Reiseführers Bern”. Courtesy of Narr. Collage: gallerytalk.net.

Narr

Beim Narr geht es um Literatur, aber das Ganze ist so herausragend gestaltet, dass wir es euch dennoch nicht vorenthalten wollen. Seit 2011 publiziert das schweizerische Magazin Stimmen, die anderswo noch nicht gehört werden. Immer wieder werden auch Sonderprojekte realisiert. So erschien in diesem Jahr etwa der „Literarische Reiseführer Bern“, der Leser*innen nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit führt, sondern neue Orientierungspunkte aufzeigt, in dem er Geschichten verbreitet.

Cover verschiedener Titel des Christoph Merian Verlags. Außerdem ein Mann der mit einem Roboter interagiert.
Cover des Ausstellungskatalogs zu “Real Feelings”, “Sieben Bilder für Basel”, “Belichtungszeit” sowie “Idulfania” von Brecht Evans. Courtesy of Christoph Merian Verlag. Hintergrund: Justine Emard: “Co-AI-xistence”, Teil der Ausstellung “Real Feelings”. Collage: gallerytalk.net.

Der Christoph Merian Verlag zählt zu den bekannteren Ausstellern der „I Never Read“. Wenn ihr einen besonders gut gestalteten Ausstellungskatalog in den Händen haltet, stehen die Chancen gut, dass sich der Verlag dahinter verbirgt. Gerade erschienen ist etwa das Buch zur Ausstellung „Real Feelings“ im Haus der elektronischen Künste Basel. Außerdem aktuell: „Idulfania“ eine Sammlung von Comic-Strips des belgischen Zeichners Brecht Evens, der aktuell im Cartoon Museum Basel ausstellt. Unter dem Titel „Belichtungszeit“ gibt es Fotografien aus der Sammlung Ruth und Peter Herzog zu sehen. „Sieben Bilder für Basel“ ist gewissermaßen eine Publikation in eigener Sache, denn alles dreht sich um Arbeiten von Künstlern der klassischen Moderne aus dem Nachlass des Ehepaars Frank und Alma Probst-Lauber, die die Christoph Merian Stiftung dem Kunstmuseum Basel geschenkt hat.

Ausgabe von "Exhibitions on Paper" und Ausstellungsansicht für "Exhibitions on Paper", alles in Schwarz-Weiß.
Exhibitions on paper n.3, Jānis Dzirnieks, Open Ear Center, 2018. Exhibition view at Lütz Studio, 2017, Exhibitions on paper n.2 with TILO&TONI and Daniel V. Keller. Collage: gallerytalk.net

„Exhibitions on Paper“ überführt das Konzept der Ausstellung ins Zeitungsformat und zwar in Form einer Edition. Das Isle Collective bestehend aus Jean-Marie Fahy und Matheline Marmy lädt Künstler*innen ein, mit gestalteten Postern auf die Arbeiten ihrer Vorgänger*innen zu reagieren. Von allen Ausgaben gibt es 100 Exemplare – Siebdruck, made in Genf.

2020 findet die „I Never Read“ zum neunten Mal statt. In diesem Jahr liegt ein inhaltlicher Fokus auf dem Thema Klimawandel. Deswegen haben wir noch drei Tipps on top für euch. Interessante Perspektiven auf das Thema liefern etwa „MAISON VOITURE CHIEN FLEURS“ von Elvire Bonduelle, wo sich Werte der Mittelklasse als kausal für den Klimawandel erfassen lassen, die zauberhafte Käferserie von Bienvenue Studios sowie Susanne Bürners „Tristes Tropiques“, eine Sammlung von Portraits von toten, domestizierten Pflanzen.

WANN: Die Kunstbuchmesse „I Never Read“ findet von Donnerstag, den 17. September, bis Sonntag, den 20. September statt.
WO: Schaulager, Laurenz-Stiftung, Ruchfeldstrasse 19, 4142 Basel/Münchenstein

Wir sind Medienpartner der „I Never Read“.

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