Highlights der art berlin An diesen Ständen kommt keiner vorbei
13. September 2019 • Text von Teresa Hantke
Man kann von Messen halten, was man will. Und allein aus Smalltalk-Gründen sollte man sich ab und an über sie beschweren. Doch sie bieten eben einen ganz guten Überblick darüber, was die Galerien so zeigen – und die Chance, mit den Verantwortlichen darüber zu quatschen. Noch bis Sonntag läuft die Kunstmesse art berlin im ehemaligen Flughafen Tempelhof.
Die Berliner ŻAK | BRANICKA Foundation zeigt an ihrem Stand ausschließlich Arbeiten der polnischen Künstlerin Agnieszka Polska. Die Trägerin des letztjährigen Preises der Nationalgalerie setzt sich in ihrer Kunst kritisch mit Klimawandel und Nachhaltigkeit auseinander. Zu sehen sind mehrere Fotos, die mit den damals im Hamburger Bahnhof gezeigten Videoarbeiten korrespondieren. Zudem wird die eindrückliche Videoarbeit „Ask the Siren“ präsentiert. Darin erzählt ein puppenhaftes Wesen mit überdimensionalen Augen und Lippen die Sage der Warschauer Seejungfrau Syrenika. Das Kunstwerk zeigt uns deren Version einer versunkenen Unterwasserwelt, in der Straßen und Häuser von Wasser umgeben sind. Der Perspektivwechsel macht die für viele Gebiete aufgrund steigender Meeresspiegel immer realer werdende Überflutungsgefahr auf gespenstische Weise deutlich.
(Text: Benita Böhm)
Artifizielle und surreale Fantasiewelten erschafft auch Shawn Maximo, dessen Arbeiten bei der Roehrs & Boetsch Gallery aus Zürich zu sehen sind. Seltsam vertraut wirkt die Gaming-Ästhetik seiner Arbeiten, die auf den ersten Blick aber auch dem Standardfundus eines 3D-Homeplaners entsprungen sein könnte. Tatsächlich erstellt der Künstler die Kulissen für seine digital geschaffenen Zukunftswelten jedoch in minutiöser Kleinstarbeit. Damit illustriert er Sciencefiction-Narrative, die nicht gänzlich fernab heutiger Realitäten liegen. So entdeckt man Friedhöfe, auf denen die Särge durch kryogenische Kapseln ersetzt wurden oder Drogerien, in denen die Bandbreite der standardmäßig angebotenen Kosmetikprodukte nicht nur um Perücken sondern auch um künstliche Nasen und Hände erweitert wurde.
(Text: Benita Böhm)
Laut und strotzend vor Farbigkeit thront eine bunte Dreieckskomposition des Malers Thomas Scheibitzs in der Mitte des Standes der Galerie Sprüth Magers. Das Museum Berggruen eröffnet heute, am 13. September, die Ausstellung „Pablo Picasso x Thomas Scheibitz“. Die prominente Paarung hebt Scheibitz auf den Podest der Kunstgeschichte. So verlieh ihm denn auch Sprüth Magers einen Ehrenplatz auf dem Stand. Neben der großformatigen Malerei, überzeugt die Galerie mit weiteren musealen Werken wie einer der ikonischen Industriefotografien von Bernd und Hilla Becher, einer Fotografie von Thomas Demand oder der Frottage eines Gullydeckels aus Detroit des Franzosen Cyprien Gaillard.
(Text: Teresa Hantke)
Ja, es ist möglich, dass an einem Messestand jede einzelne Arbeit überzeugt. Die Galerie Falko Alexander aus Köln macht‘s vor. Gezeigt werden Arbeiten von Arno Beck, Tim Berresheim und Florian Kuhlmann. Beck ist der mit den Bildern, die nach Internet aussehen, tatsächlich aber in Feinstarbeit gezeichnet sind. Berresheim programmiert mit ordentlich Rechenpower irre Welten und druckt sie dann zum Beispiel auf Holz. Mit Beck und Berresheim haben wir bereits im Rahmen unserer Interview-Reihe DOUBLE TAP gesprochen, hier Arno Beck, hier Tim Berresheim. Deswegen waren wir vielleicht etwas voreingenommen.
Florian Kuhlmann war neu für uns und auch seine Arbeit zählt zu den absoluten Highlights der art berlin. Kuhlmann führt mit seinem „Dystopian Death Star“ den Kunstmarkt ad absurdum. Er zeigt: 16-mal die gleiche Arbeit. Die Original-Datei gibt es online umsonst. Auf der art berlin ging das erste Bild für schlappe zwei Euro weg. Doch jetzt kommt der Clou: Der Preis der Arbeiten verdoppelt sich von Mal zu Mal – und nur der letzte Käufer muss auch wirklich bezahlen. Alle anderen bekommen ihr Geld zurück, sobald das nächste Bild einen Eigentümer findet. Wir haben nicht mitgezockt, dafür nun das Gefühl, was verpasst zu haben.
(Text: Anna Meinecke)
Ein Highlight ist mit Sicherheit der Salon-Bereich der Messe, in dem neue Positionen vor allem junger Künstler präsentiert werden. Zum ersten Mal vertreten ist hier die Pariser Galerie sans titre (2016). Die Fläche füllt eine Holzwand. Deren Vorderseite zeigt ein überdimensionales, grünes Gesicht, an der Rückseite sind verspiegelte Tränentropfen befestigt. Das Künstlerduo Tanja Nis-Hansen und Niclas Riepshoff hat die Arbeit als Bühnenmaterial für die gemeinsame Performance „Changing Batteries“ genutzt. Die Bühnenwand zeigte das Künstlerduo, das unter dem Kollektiv CONNY auftritt, bereits bei Aufführungen zum Hamburger art prize wie auch 2018 in den Münchner Kammerspielen. Erstmals seinem Entstehungskontext entzogen, oszilliert das Werk in seiner Funktion als Requisite und eigenständigem Kunstwerk.
(Text: Teresa Hantke)
WANN: Die art berlin läuft noch bis einschließlich Sonntag, den 15. September. Die Messe öffnet täglich um 11 Uhr bis 19 Uhr. Sonntag von 11 bis 18 Uhr.
WO: Flughafen Tempelhof, Hangar 5 und 6, Tempelhofer Damm 45, 12101 Berlin.