Selbsterfüllende Prophezeiung Helin Alas im BPA// Raum
9. März 2022 • Text von Julia Meyer-Brehm
Ein Zauberspruch, drei Designklassiker und eine mystische Prophezeiung erwarten die Besucher*innen im BPA// Raum. Helin Alas seziert mit ihrer Ausstellung „Prolog“ subtil die Machtstrukturen der Kunstwelt – und lässt sich geschickt selbst darin verorten.
Zum Interieur einer zeitgenössischen Galerie gehören notwendigerweise ein Tisch von Egon Eiermann und ein unerhört hoher Counter, hinter dem jemand ins Macbook tippt. Auch im Souterrain vom BPA// Raum findet man diese obligatorische Einrichtung, Eiermanns Designklassiker sogar gleich dreimal. Helin Alas hat die Tische dort für ihre Einzelausstellung „Prolog“ bewusst platziert. Auf einem von ihnen liegt ein Blatt Papier, das man fälschlicherweise für den Ausstellungstext halten könnte. Stattdessen handelt es sich um die Arbeit „Prophecy“.
Die Prophezeiung besagt, dass sich das Schicksal entfalten wird, wenn sich die Gefährten versammeln und das Talent der Auserwählten bewiesen ist. Im Laufe der Ausstellung wird sich diese Nachricht noch entschlüsseln. Zwei weitere Eiermann-Tische sind hochkant aufgerichtet und bilden den vertikalen Untergrund für zwei großformatige Bleistiftzeichnungen. Alas hat sie nicht selbst angefertigt, sondern den Künstler Dario Sostegni damit beauftragt. Wer näher an die schwarzweißen Zeichnungen herantritt, dem eröffnet sich ein wundersames Getummel auf Papier.
Die Arbeit, die sich „worlds and their legends“ nennt, zeigt eine ausufernde Fantasiewelt, in der allerhand vor sich geht: In einem abgezäunten Garten wachsen eigentümliche Blumen aller Art. Aus niedlichen Gesichtern blicken sie den Betrachter*innen entgegen. Heile Welt. Aber in weiter Ferne funkeln verlockende Galerieräume, in Kristallglas eingeschlossen. Wer diesen Teil der Welt betreten will, braucht Ausdauer: Auf fragilen Konstruktionen stehend, scheint dieser Ort unerreichbar zu sein. In Sostegnis Kunstwelt schwirren magische Wesen durch die Luft oder tauchen durchs Wasser. Alles sieht ganz zauberhaft aus und doch sind viele Orte geschlossene Kreise – oder bereits anderweitig belegt.
Aber wer sind denn nun die Legenden dieser Welt, die der Werktitel verheißt? Man erkennt zum Beispiel Willem de Rooij, der als Pirat in See sticht. Oder die drei Münchener Museumsdirektoren Achim Hochdörfer, Andrea Lissoni und Matthias Mühling, die auf einer Museumsinsel thronen. Bei allen Dargestellten handelt es sich um die Gefährten, die die Prophezeiung benennt. Alle Personen sind oder waren für das Leben und die Karriere der Künstlerin von Bedeutung.
Im zweiten Raum der Galerie hat Dario Sostegni die Künstlerin selbst zu einer Protagonistin seiner Welt gemacht. Als coole Comic-Heldin ist sie mit schwarzen Stiefeln, großem Schmuck und einer punkigen Attitüde ausgestattet. Magische Kreaturen umkreisen ihr Alter Ego. Der klischeehafte Künstlerinnen-Look soll ein adäquates Bild ihrer Persönlichkeit ausstrahlen. Aber wie viel davon ist echt?
Es wird deutlich, warum Sostegni und nicht Alas all diese Arbeiten geschaffen hat. Er hat den nötigen Abstand um die Kunstwelt – und die Künstlerin – aus sicherer Distanz zu betrachten. Schon bei ihrer Einzelausstellung „Friends Objects“, die 2020 bei Loggia in München stattfand, hat die Künstlerin alle präsentierten Werke in Workshops befreundeter Künstler*innen erarbeiten lassen. Auf diese Weise verwischt Helin Alas bewusst die Grenzen ihrer Rolle als aktive Protagonistin. Eine erfrischende Abwechslung zur gängigen Inszenierung von Künstler*innenpersönlichkeiten.
Fast übersieht man den weißen Zauberstab, der recht unscheinbar an der Wand lehnt. Das hölzerne Instrument verleiht Helin Alas die Fähigkeit, ohne große Anstrengung auf innovative Ideen zu kommen. Den Zauberstab nutzt die Künstlerin seit Jahren und kreiert so mit diversen Zaubersprüchen ihre Kunst. Eine schöne Vorstellung, dass Kunst, Magie und Mystifizierung so nah beieinander liegen.
„Prolog“ ist die humorvolle Annäherung an das Subjekt Künstlerin. Alas nimmt die Szene, in der sie sich bewegt, auf angenehme Weise auf die Schippe. Dabei spricht sie Fragen nach Identität, Macht, Netzwerken und Selbstverortung an. Der Ausstellungstitel verspricht, dass das, was man im BPA// Raum sieht, nur der Anfang ist. Und tatsächlich wird da noch einiges kommen: Aktuell präsentiert Helin Alas im Rahmen der Ausstellung „Site Visit“ eine Installation im Museum Brandhorst. Die Prophezeiung ist, einmal ausgesprochen, also tatsächlich in Erfüllung gegangen. Bleibt abzuwarten, welche Zaubersprüche die Künstlerin in Zukunft noch anwenden wird.
WANN: Die Ausstellung „Prolog“ ist bis 1. Mai zu sehen.
WO: BPA// Raum, Sophie-Gips-Höfe, Sophienstraße 21, 10178 Berlin.