Harmonie, platt gebügelt Hêlîn Alas bei Paulina Caspari
6. März 2025 • Text von Julia Anna Wittmann
Die runden Sonnengesichter lächeln sanft. Sie wirken freundlich, etwas eingedrückt und irgendwie auch melancholisch. Ebenfalls im Raum: ein Sicherheitsnetz, das keine Sicherheit mehr bieten kann. Hêlîn Alas präsentiert in ihrer Einzelausstellung “Dasein” bei Paulina Caspari eine Auswahl spezifischer Alltagsgegenstände und prüft diese hinsichtlich ihres identitätsstiftenden Potenzials.

Die grauen Wintermonate lassen sehnsuchtsvoll von den wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlings träumen. In der Galerie Paulina Caspari ist die Sonne bereits indirekt aufgegangen, verkörpert durch eine Auswahl dekorativer, metallener Sonnengesichter. Hêlîn Alas präsentiert sie im Rahmen ihrer Einzelausstellung “Dasein” bei Paulina Caspari in transparenten Acrylglas-Kästen auf verschiedenen Ebenen, isoliert und erhöht.
Die Sonnengesichter sind orangefarben, golden, bronzefarben, beigefarben oder blau. Ihre Strahlen sind mal lang und schmal, mal kurz und breit. Sie sind groß oder klein, aus Metall, kitschig und vertraut. Die Enden der Sonnenstrahlen sind in Löchern im Acrylglas verhakt, wodurch die Objekte einen schwerelosen Charakter erhalten – ganz als würden sie wie Sterne im Weltall schweben.

Die anthropomorphen, invertierten Gesichter sind von einer künstlichen Aura umgeben und blicken den Betrachtenden mit einer stoischen Gemütlichkeit entgegen. Die Sonnenfigurenunterscheiden sich zwar in Form und Farbe, erfüllten jedoch ursprünglich alle denselben Zweck: Sie fungierten als eine aufheiternde Dekoration im wohnlichen Umfeld. In Alas Arbeiten “Dasein 1” und “Dasein 2” verkörpern sie den Wunsch, die häusliche Umgebung durch ästhetische Gestaltung zu harmonisieren.
Auf dem Boden des Acrylglaskastens von “Dasein 2” ist die abgeplatzte Farbe der darüberliegenden Sonnenminiatur zu erkennen. Das fleckige, eingedrückte Gesicht der Sonne scheint auf eine stumpfe Gewalteinwirkung zu verweisen, als wären die runden Köpfe unter eine Walze geraten. Das Lächeln der Figur ist platt gedrückt, der Schein des heilen und harmonischen Heims bröckelt wortwörtlich.

In ihrer Ausstellung “Dasein” hat Alas vertraute Objekte aus dem häuslichen Kontext ihrer ursprünglichen Funktion entzogen und sie neu in Szene gesetzt. Die isoliert präsentieren Werke schärfen den Blick der Besuchenden für die detailreiche Arbeit der Künstlerin. Neben den Sonnen-Skulpturen “Dasein 1” und “Dasein 2” zeigt Alas bei Paulina Caspari die großflächige Wandarbeit “The word safe is never a verb”.

Zu sehen ist das abgenutzte Sicherheitsnetz eines freistehenden Gartentrampolins, welches die Künstlerin horizontal über eine Ecke des Raumes angebracht hat. Auch wenn das Netz als solches noch zu erkennen ist, wurde der vertraute Gegenstand durch subtile Eingriffe verfremdet. Kleine Äste, Blätter und Federn, die im Netz feststecken, verweisen auf den heimischen Garten, den ursprünglichen Verwendungsort des Trampolins. Negativabdrücke von Hosen setzen sich auf der mit sonnengelber Farbe besprühten Oberfläche des Objekts ab, verleihen dem Netz einen Leinwand-Charakter und lassen es zum Bildträger werden.

Die Alltagsgegenstände in Hêlîn Alas Ausstellung “Dasein” haben Wiedererkennungswert. Ebenso wie die kitschigen Sonnen-Dekorationen erinnert das ehemalige Sicherheitsnetz eines Trampolins an einen bestimmten Typus des idyllischen, gutbürgerlichen Heims: ein harmonisches Zuhause, wo die Kinder sorglos spielen und die Erwachsenen stehts ein Lächeln auf den Lippen haben. Das Lächeln ist jedoch eingedrückt, das Sicherheitsnetz nur Projektionsfläche. Alas verarbeitet in ihren Arbeiten subtile Verweise auf das außenwirksame Bild eines häuslichen Umfelds, das letztendlich den Erwartungen des Subjekts und der Gesellschaft nicht standhalten kann.
WANN: Die Ausstellung “Dasein” von Hêlîn Alas läuft noch bis Samstag, den 29. März.
WO: Paulina Caspari, Augustenstraße 33a, 80333 München.