Gute Laune #16
Olga Hohmann

19. Oktober 2022 • Text von

Wer Olga Hohmann liest oder lesen hört, fühlt sich besser. Vielleicht darf man ihre Arbeit deswegen Feel Better Literatur nennen. Wir sprechen mit der Berliner Künstlerin über eklige Hunde-Tüten, sprechende Papageien und ihr Lieblingstier: den Menschen.

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Merci Danke Grazie”. Foto: windpark books.

gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Olga Hohmann: Ich bin eigentlich ständig von irgendetwas belustigt. Gestern zum Beispiel saß ich bei einem meiner Nebenjobs und musste ganz plötzlich laut anfangen zu lachen, weil ich mich an etwas erinnert habe – das war extrem unangebracht in dem Moment. 

An was hast du dich denn erinnert?
Es war eine Kindheitserinnerung: Ich dachte daran, dass die Großmutter meiner Freundin einen Papagei hatte, dem sie beigebracht hatte zu sagen: „Ein Bier bitte“. Was mich amüsiert hat, war aber weniger der Papagei, als der rührende Aufwand, den die alte Frau betrieben hatte, um dem Tier diesen Satz beizubringen. Sie muss dabei selbst den Satz: „Ein Bier bitte“ unendlich oft wiederholt haben. Menschen sind wirklich mit Abstand meine Lieblingstiere. Ich kenne kein anderes Tier, das sich ständig mit so viel Hingabe und Leidenschaft Aufgaben widmet, die offensichtlich vergeblich sind. Irgendwie ist das ganze Leben eine Art Hamsterrad – nur, dass das Rad selbst dabei von den Hamstern (uns) ständig neu erfunden wird.

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Olga Hohmann. Foto: Amelie Amei Kahn-Ackermann. // “Merci Danke Grazie”. Foto: windpark books.

Mich amüsiert ja das Buch „Merci Danke Grazie“ mit Texten von dir und Sophia Eisenhut. Wieso empfiehlt sich die Verpackung von Printprodukt in Hundekot-Tüte?
Ich habe mich von Anfang an vor diesen Hunde-Tüten geekelt. Sophia hat dann gesagt: „Mach den Ekel zum Gegenstand“. Ich bin ihrem Rat gefolgt. Dadurch, dass ich aber auf fast archaische Weise angewidert von dem Thema war, habe ich es eher umkreist, habe darum herum geschrieben, während sie die Dinge ganz konkret benannt hat, den Finger draufgelegt, sozusagen. Ich mag es, dass unsere Texte so unterschiedliche Bewegungsformen haben – einer der Gründe, warum ich das Projekt gelungen finde. 

Wie erkennst du unter all dem scheinbar Banalen, die Anekdoten, die nicht nur dir, sondern auch deinem Publikum in Erinnerung bleiben?
Menschen, die meine Geschichten lustig finden, beschreiben die Form des Humors häufig als „Situationskomik“. Ich habe eine Definition von 1900 dazu gefunden. Henri Bergson beschreibt den Begriff so: „Eine Situation ist immer dann komisch, wenn sie einen doppelten Sinn hat“. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die meisten meiner Beobachtungen und Erzählungen eher tragikomisch sind. Es liegt ein trauriger oder melancholischer Unterton unter allem, der aber notwendig ist, um eine spezifische Heiterkeit zu erzeugen. Dazu gehört natürlich Selbstironie. „Humor ist eine Drehtür in alle Richtungen“, hat meine Freundin M. neulich gesagt.

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Merci Danke Grazie”. Foto: windpark books.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Ich habe schon immer Minderwertigkeitsgefühle aufgrund meiner „lustigen“ Position. Es kommt mir vor wie etwas, das eigentlich der Unterhaltungsindustrie angehört – Stand-up-Comedy oder auch Slap Stick Komödien. Jemand hat mir neulich vorgeworfen, dass ich Feel Good Literature schreibe.

Und, tust du?
Das kann gut sein, aber hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich die meiste Zeit gar nicht so gut fühle – so wie viele andere auch. Schreiben ist die beste Medizin gegen den Schmerz. Es ist also in Wirklichkeit eher Feel Better Literature – für andere und für mich selbst. Ist es deshalb vielleicht keine Kunst? Kann sein, aber solange es mir und anderen Freude macht, oder uns zumindest ernsthaft amüsiert, ist mir das ziemlich egal.

Olga hohmann gallerytalk FEELINGS ARE REAL (Villa Edition), with Jan Koslowski, 2022, Fotos von Gernot Seeliger
FEELINGS ARE REAL (Villa Edition), Olga Hohmann with Jan Koslowski, 2022. Foto von Gernot Seeliger.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Wenn Leute etwas zu ernst nehmen, amüsiert mich das meistens. Es ist Teil dieser Hingabe zum Vergeblichen, der täglichen Sisyphusarbeiten, dass man ganz in ihnen aufgeht. „Ein Bier bitte“. Das rührt mich.

Wo hört der Spaß auf?
Ich finde, dass man vorsichtig sein sollte mit den Menschen, über die man schreibt. Das heißt, ich versuche, grundsätzlich aus einer Position der Liebe zu beobachten. Das fällt mir nicht schwer, denn ich kann eigentlich für wirklich viele Menschen eine Form der Liebe empfinden. Manchmal fühlen sich Leute trotzdem ungerecht behandelt, weil ich sie für eine Anekdote mit lustiger Pointe benutzt habe. Das macht mich dann sehr traurig, weil ich mir wünsche, dass sie die Zuwendung und Hochachtung, die meiner Meinung nach in dem Text steckt, erkennen können. 

Bis zum Monatsende könnt ihr Olga Hohmann noch dreimal live lesen hören: am Donnerstag, den 20. Oktober, im Schweizer5, Frankfurt, am Samstag, den 22. Oktober, im Café Plank, Frankfurt, und am Samstag, den 29. Oktober, im Rahmen von „A Place in the Woods“ im Karlsruher Hartwald.

Die Publikation „Merci Danke Grazie“ ­– circa 100 Hundetüten gesammelt von Simon Freund, kuratiert von Leonie Herweg, gesetzt von Paul Jürgens, mit Texten von Sophia Eisenhut und Olga Hohmann erscheint am Samstag, den 22. Oktober. Ihr könnt sie via Windpark Books vorbestellen. Außerdem empfehlen wir „The Overview Effect“ und “What I (don’t) remember”.

In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

Gute Laune mit Marie Meyer
Gute Laune mit Marta Vovk
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