Gute Laune #15
Marie Meyer

27. September 2022 • Text von

Marie Meyer malt schlechter als ein Staubsauger – ihre Worte. Also lässt sie einen Staubsauger für sich malen. Uns erzählt die Künstlerin, wieso sie unverhältnismäßig viel Geld in Schleichtiere investiert hat und warum Rote Beete völlig überbewertet ist.

Marie Meyer I'm not a robot 2021 Detailansicht Still Foto Heiner Goebbels
Marie Meyer: “I’m not a robot”, 2021. Detailansicht, Still. Foto: Heiner Goebbels.

gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Marie Meyer: Das überdrehte Biopic von Baz Luhrmann, in dem Elvis’ Lendenbereich die Hauptrolle spielt. Die Drag-Show von Bianca del Rio, die einem zeigt, wie böser Humor geht. Die Diskussion um ein KI-generiertes Gemälde, das vor zwei Wochen einen Kunstwettbewerb in den USA gewonnen hat. Da ging es vor allem um die Frage: Ist das noch ein Kunstwerk, wenn kein (menschliches) Genie mehr dahintersteckt? Kam mir sehr verstaubt und eher lächerlich vor, aber scheint Teile der Kunstwelt in Angst und Schrecken zu versetzen. Darauf spielt auch meine Performance „I’m not a robot“ von 2021 an.

Wie läuft die ab?
Sechs Staubwischroboter stellen eine 30 Quadratmeter große Kohlezeichnung her. Eigentlich sind die Roboter zum Scheitern verurteilt, weil sie zweckentfremdet werden. Stattdessen malen sie, was allgemein wohl als ganz schöne Zeichnungen verstanden wird, was gut in einer Galerie, einem Wohnzimmer oder wo auch immer hängen könnte. Und das ehrlich gesagt auch zig Mal besser, als ich es könnte. Das Preisgeld vom Wettbewerb waren übrigens 300 Dollar. Der Künstler will das Gemälde jetzt für 750 verkaufen.

Marie Meyer pattern no. 1  2022 Foto Sascha Herrmann
Marie Meyer: “pattern no. 1”, 2022. Foto: Sascha Herrmann. // Marie Meyer. Foto: privat.

Mich amüsiert ja deine Arbeit „pattern no. 1“ – das hiesige Tierreich farblich einfach nicht der Bringer. Kindheitstraum erfüllt oder wieso Schleich?
Ich hatte nie eine emotionale Bindung zu Schleich. Bis vor Kurzem zumindest, als ich sehr viel Geld für die Tiere ausgegeben habe. Die Idee für die Arbeit kam mir im Shop vom Frankfurter Zoo. Da wurden haufenweise Schleichtiere hintereinander aufgereiht in Regalen präsentiert. Mich hat daran vor allem erstmal der visuelle Effekt interessiert, wie die Tiere zu einem Muster verschwimmen und das Ganze fast aussah, wie ein Computer-Glitch. Das hab ich versucht zu kopieren und weiter zu verstärken.

Und wir laden das jetzt nicht mit Bedeutung auf?
Auch auf die Gefahr hin, dass ich da jetzt für Enttäuschung sorge: Für mich ist das in erster Linie eine formale Arbeit. Darin wurden aber schon alle möglichen Inhalte gesehen – von einer Auseinandersetzung mit der deutschen Mittelschicht über einen Kommentar auf Massenwaren und Kapitalismus bis hin zu einer Kritik an Rassentheorien. Ganz ohne Grund hab ich natürlich auch nicht die Warenhaus-Ästhetik aufgegriffen oder mich für heimische Wald- und Wiesentiere entschieden. Braun in braun – ein Muster, dass weiterhin sehr beliebt ist in Deutschland.

Marie Meyer gallerytalk pattern no. 1 2022 Detailansicht Foto Almut Elhardt
Marie Meyer: “pattern no. 1”, 2022. Detailansicht. Foto: Almut Elhardt.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Häufig leider nur so viel, bis einer weint.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Rote Beete als angebliches Superfood. Schmeckt ehrlich gesagt wie Erde, die in Blut getaucht wurde, und bei der Kombi stößt es einem ja direkt übel auf.

Wo hört der Spaß auf?
Montagmorgens.

WANN: Die Installation „pattern no. 1“ ist noch bis Sonntag, den 9. Oktober, in der Duoshow „Wann stirbt die Menschheit endlich aus?“ von Marie Meyer und Nicholas Warburg zu sehen. Am Samstag, den 8. Oktober, um 18 Uhr zeigt Meyer dort auch ihre Performance „I’m not a robot“. 
WO: GOLD + BETON, Ebertplatz, Ebertplatzpassage Ladenlokal 3, 50668 Köln. Zutritt via Infopoint am Ebertplatz.

Am Donnerstag, den 10. November, eröffnet außerdem das Kunstkollektiv Frankfurter Hauptschule (FHS), in dem Marie Meyer Mitglied ist, eine Rauminstallation im ATELIERFRANKFURT. Am Freitag, den 18. November lädt die FHS zum „Schauprozess“ ein.

In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

Gute Laune mit Marta Vovk
Gute Laune mit Max Sand
Gute Laune mit Sonja Yakovleva
Gute Laune mit Nicolai Saur
Gute Laune mit Arno Beck
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Gute Laune mit Jody Korbach
Gute Laune mit Lena Schramm
Gute Laune mit Claudia Holzinger
Gute Laune mit der Frankfurter Hauptschule
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