Eine Performance nur für dich Gesa Troch im Studio Peragine
27. September 2024 • Text von Katrin Krumm
Die Beziehung zwischen Fan und Band ist vielschichtig: Sie ist durch Distanz definiert und existiert in Zwischenräumen. In “The Shells’ Dresses” im Studio Peragine imaginiert Gesa Troch eine fiktive Band, die sich in textilen Skulpturen zu materialisieren scheint. Eingefasst in stählerne Rahmen erschienen vier distinktive Figuren, die aus netzartigen Stoffen hervorgehen.
Glänzende, opulente Kostüme legen sich um tanzende Figuren, passen sich den Konturen von Körpern an, die nicht mehr anwesend sind. Feine Schweißperlen formieren sich – unsichtbar für die Fans in der Menge – auf der Haut und legen sich auf dem glänzenden Stoff nieder.
Gesa Troch zeichnet in “The Shells’ Dresses” im Studio Peragine das Bild einer imaginären Performance. Ihre vier neuen Skulpturen setzt sie in einer Rauminstallation zusammen, die den Ausstellungsraum zur Bühne machen. Im Spektakel von Sound, Performance und Show entsteht ein Spannungsverhältnis von Distanz und verheißungsvoller Projektion, die sich im Sinnlichen widerspiegelt und nicht einseitig auflösen lässt.
Anders als in Freundschaften oder romantischen Konstellationen, ist die Beziehung zwischen Fans und ihren Stars notwendig asymmetrisch. Während in persönlichen Bindungen Verbindlichkeiten und Erwartungen entstehen können, sind diese vielmehr durch Bewunderung, Identifikation und bedingungsloses Wohlwollen geprägt: Faktoren, die bei einer alltäglichen realen Kommunikation mit den fernen Stars enttäuscht und verfliegen würden.
Bandformierungen sind Identifikations- und Projektionsflächen. Distanz schafft dabei den Raum für Mythos und Fantasie um einen Star und lassen diesen übergroß erscheinen. Auch Trochs Figuren sind höher und breiter als menschliche Körper. Ihre Schultern legen sich ausladend und selbstsicher um die stählerne Rahmen, die sie seitlich umgeben und erlauben, sie in ihre Positionen zu bringen. Nicht unähnlich wie in der Begegnung mit Stars vermitteln sie ein Gefühl von Ehrfurcht. Durch ihre übergroßen Arme, die in Fingern oder Krallen enden, scheinen sie sich vom Boden zu stützen und nach vorne aus den Rahmen auszubrechen.
Die Skulpturengruppe präsentiert sich als vier serielle Figuren im Raum, das plastische Material zwischen Malerei und Skulptur. Angefertigt aus textilen Bahnen und Silikon verbinden die gewebten und geknüpften Gewebe monochromatische Farbkonstellationen mit glänzendem, pigmentiertem Silikon, das Troch auf die Stoffbahnen anbrachte.
Während sich Stoff normalerweise um den Körper legt, wird er in Trochs Skulpturen selbst zum Körper. Dabei werden die textilen Gebilde wie auf einer Wäscheleine aufgezogen, sie bekommen Form, beispielsweise eine Hand – fast etwas Menschliches. Hier fungiert der Stoff als Bindeglied zwischen dem Gedanklichen und dem Materiellen. Er wird zu einem greifbaren Medium, das den Übergang von der Idee zur physischen Realität verkörpert.
Auch wenn Stars in Zeiten von Social Media ihre Fans an nahezu allem teilhaben lassen können, werden sie als Objekt der Begierde erst durch Zuschreibungen zum Star. Dies ist insbesondere bei Musik bedeutsam. Vielleicht adressieren Songs und Lyrics im Prozess der Entstehung noch ein reales Individuum, werden dann aber zur Folie von Gefühlen für viele Menschen, die sich – entgegen allem besseren Wissen – mit der Musik identifizieren: I bet you think this song is about you.
Fans sind die meiste Zeit mit einer Abwesenheit von Körpern konfrontiert. Diese Distanz produziert deutungsoffene Leerstellen, welche durch sinnliche Spekulationen gefüllt oder erträumt werden – wie auch in Trochs Skulpturen. Diese imaginieren den seltenen Moment der Manifestation, in denen reale Berührungspunkte hergestellt werden, beispielsweise beim Besuch eines Konzertes oder einer Performance, bleiben in ihrer Präsenz jedoch körperlos, unter den Kostümen im Raum verbirgt sich kein authentisches Subjekt. Wie ein Shirt oder ein Handtuch, das in die Menge geworfen wird und in diesem Moment eine direkte Verbindung herstellt, überbrücken Trochs Skulpturen für einen Moment die Spannung von Nähe und Distanz. Das Material geht in die Menge über – der stoffliche Körper verlässt seinen Träger und wird von den Händen der Fans ergriffen.
WANN: Die Ausstellung “The Shells’ Dresses” läuft bis Sonntag, den 6. Oktober.
WO: Studio Peragine, Versmannstraße 16, 20457 Hamburg.