Wahrgewordener Warenwahnsinn "fünfdreier" von Darren Bader bei Société
9. März 2023 • Text von Carolin Kralapp
Ein Galerieraum voller bunter Plastikbälle, Luftballons und Gummibärchen. Sieht so ein wahrgewordener Kindertraum aus? Oder doch eher der Warenwahnsinn unserer Realität? In “fünfdreier” bei Société hat Darren Bader ein buntes Sammelsurium an Alltagsobjekten zusammengebracht, das garantiert jedes Konsumherz schneller schlagen lässt.
Nur noch wenige Tage zeigt die Galerie Société in Berlin-Charlottenburg die raumgreifende Ausstellung “fünfdreier” des Objektkünstlers Darren Bader, dem es hier eindeutig gelungen ist, den minimalistischen, kalt-weißen Galerieraum in ein begehbares Spieleparadies oder auch verwüstetes Shoppingcenter zu verwandeln. Über feinstem Fischgrätparkett geht es vorbei an unzähligen bunten Plastikbällen, die sofort Kindheitserinnerungen an Bällebäder hervorrufen, Folien-Luftballons, die einen angrinsen, Kleidchen, Laufschuhen, Gummibärchen und allerlei weiterem Krims Krams. Die Augen finden keine Ruhe, sie wandern von Gegenstand zu Gegenstand und fangen dabei zugegeben auch etwas an zu strahlen. Eine faszinierende Beobachtung, welch kindliche Freude ein solch buntes Gesamtszenario auslösen kann und gleichzeitig eine Reaktion, die einem beim Eintritt in eine Galerie nicht unbedingt als erstes in den Sinn kommt.
Die aktuelle Ausstellung ist die Fortsetzung der “eBay sculpture”-Ausstellung von Darren Bader, die im Jahr 2020 bei Société gezeigt wurde. Der US-amerikanische Künstler arbeitet mit Zufällen, Wiederholungen und Überreizungen, die Arbeiten kreisen um das Kaufen, Besitzen und Verkaufen. Sie basieren auf Anleitungen. Scannt man beispielsweise den mehrfach ausgestellten QR-Code an der Glasfront der Galerie, so erhalten die Besucher*innen die klare Anweisung, so viele kommerzielle Düfte wie nur möglich zu sammeln, um daraus einen eigenen zu kreieren, der dann wiederum groß vermarktet wird. Die Anleitung zur eigenen Duftkreation mit dem Titel “proposal for a fragrance” bietet ein genaues Mischverhältnis an und hinterlässt zugegeben eine gewisse Ratlosigkeit. Was hat es damit genau auf sich? Der Künstler spielt mit Verwirrungen, die Anleitungen und Anweisungen können sich verändern. Auch die Kunstwerke können sich verändern.
Die Titel von Darren Baders Werken spielen mit Namen von Global Sellern wie eBay oder Amazon. Der “amazon sculpture” steht man unausweichlich beim Eintritt in die Galerie gegenüber. Ebenfalls bei Société zu sehen sind die Arbeiten “garden (study)”, ein aufgetürmter Stapel von Plastikbehältern im Innenhof der Galerie sowie “me” und “photographs I like” im zweiten Stock, eine Ansammlung von zahlreichen Fotos, die an die weißen Wände geklebt und teilweise auf dem Boden aufgestellt sind. Es ist ein buntes Durcheinander an Eindrücken, das sich durch die Galerieräume zieht. Allen Werken ist eine kurze Anleitung beigefügt, die sich im Grunde alle darum drehen, mehr anzuhäufen, zu sammeln und zu schichten. Jedes Werk und jede Anleitung hat einen Bezug zu definierten Zahlen, was bereits mit dem Ausstellungstitel “fünfdreier” angedeutet wird. “Sammeln Sie mehr als 280 oder mehr Behälter mit Deckel”, “Ein Werk, das nicht weniger als 40 Teilnehmer* innen in einem einzigen, geschlossenen Raum zusammenbringt” oder “Das Werk ist eine Gruppe von mindestens 5 und höchstens 50.000 Fotos, die dem Eigentümer gefallen”.
Unweigerlich werden bei Betrachtung der Ausstellung “fünfdreier” Verbindungen zur Konsumkritik freigesetzt, zu unserem gesellschaftlichen Leben im absoluten Überfluss. Darren Baders Kunst scheint auf den ersten Blick wahnsinnig simpel – er arbeitet mit Konsumgütern des Alltags: Spielzeug, Schuhen, Waschmittel, unzähligen Plastikverpackungen und Fotos, alles Objekte, die bereits hergestellt wurden und täglich weiter in den Umlauf gebracht werden. Weltweit werden im Sekundentakt Gegenstände wie diese produziert, verkauft, verschickt. Sie wiederholen sich: nicht nur ein Paar Schuhe, eine Klobürste oder eine Familienpackung Persil wird ausgestellt, nein, die Güter kehren beim Durchstreifen des Galerieraums immer wieder, alles gibt es in mehrfacher Ausführung.
Alle hier ausgestellten Güter können als Symbolbild unserer Zeit verstanden werden. Es gibt von allem so viel, dass Körper und Geist nur schwer abschalten und zur Ruhe kommen können. Gleichzeitig werden beim Anblick der vielen bunten Dinge Endorphine freigesetzt, es macht irgendwie Spaß und die Smileys, die oben unter der Decke hängen, schauen hämisch auf die Betrachtenden herab. All die Konsumgüter, die sich hier im Galerieraum versammeln, der ebenso ein realer kommerzieller Raum ist, werden durch die Auswahl des Künstlers in einen neuen Gesamtzusammenhang gesetzt, ergeben ein großes wirres Ganzes, hinterfragen Realitäten und beschreiben gleichzeitig fiktive Ideen und Zustände.
Darren Bader schafft in seinem Kunstschaffen neue Verständnisebenen, arrangiert und wählt ganz gezielt aus. Seine Herangehensweise knüpft kunsthistorisch an die Kunstpraxis eines Marcel Duchamps und seine Ready-mades an sowie an die Kritik am Kunstsystem der 1960er und 70er Jahre und besetzt damit eine ganz eigene, neue Position der Gegenwart, in dem er den Kunstbetrieb bewusst mit einbezieht. In dieser zeitgenössischen Agglomeration entstehen ganz neue Geschichten und Sinneszusammenhänge mit Alltags- und Konsumobjekten.
WANN: Die Ausstellung “fünfdreier” läuft nur noch bis Samstag, den 18. März.
WO: Société, Wielandstraße 26, 10707 Berlin.