Ernste Angelegenheit
Examensausstellung 2018 der AdbK München

26. Oktober 2018 • Text von

Die Lage wird wortwörtlich ernst. Ein neues Kapitel beginnt für die Studierenden. Sie haben gefeiert, gelernt und sich selbst gefunden in den hohen Räumen der Akademie, in denen sie nun, am Ende ihres Studiums, zum letzten Mal ihre Kunstwerke präsentierten.

Dominik Bais

Es wurde emotional und der Zitronensaft floss während der Verleihungszeremonie – nicht nur die Absolvent*innen, auch Professor Wähner wird die Akademie verlassen und in den Ruhestand gehen. Das letzte Mal verteilte er die Zeugnisse in Form von Küchenhandtüchern – damit der Abschluss zumindest einen praktischen Nutzen hat. Unter dem Titel „ernst“ fand die diesjährige Examensausstellung vom 19.-21. Oktober 2018 statt und zeigte die Abschlussarbeiten der 28 Absolvent*innen, die wohl unterschiedlicher nicht sein könnten. Eigenständige Formensprache, die unterschiedlichsten Materialien und innovative Herangehensweisen begegneten den Besucher*innen am Wochenende.

Typisch für die Examensausstellung ist das Reflektieren der Studierenden ihrer bisherigen Arbeiten. Unterschiedliche Werke der letzten Jahre werden zusammen gezeigt und in Verbindung gebracht. Ganz ohne Oeuvre, aber als einer von zwei Studierenden mit dem Preis der Stiftung Kunstakademie München ausgezeichnet, wird Dominik Bais sein Studium abschließen. Sein letztes Projekt war es, all seine Arbeiten dem Archiv der Akademie zu überlassen. Umgeben von alten Plastiken, Abgüssen und Grafikschränken präsentierte Bais einen Überblick seines Schaffens. Doch die eigentliche Arbeit hängt gerahmt an der Wand. Der “Schenkungsvertrag sowie Vertrag über die Übertragung von Nutzungsrechten” zwischen dem Künstler und dem Archiv der Münchner Akademie war dort zu sehen. Die Regeln sind klar formuliert. “Dominik Bais überlässt der Akademie ein Konvolut von Arbeiten (in Anlage 1 aufgelistet) unentgeltlich zum Eigentum”. Bais möchte jedoch nicht nur Platz in seinem Keller schaffen, es geht ihm hierbei um eine Neudefinierung des Archivs und seiner Funktion innerhalb der Akademie. Ein neues Verständnis von Kunst wird ausgerufen. “Das Archiv beteiligt sich mit der Aufnahme der Arbeiten an einer Bewegung, deren Ziel die Etablierung eines kollektiven Arbeitsverhältnisses ist”. Dazu gründet das Archiv eine neue Sammlung namens “OpenSource Archive”. Zukünftig sollen alle Studierende auf Bais Schenkung zurückgreifen können und mit seinen Werken editieren, remixen und sampeln. Dabei ist die potenzielle, damit einhergehende Destruktion der Arbeiten ausdrücklich erwünscht.

Alina Hofmaier, Foto: Julia Anna Wittmann.

Bunte Pastellfarben und zahlreiche Uteri ziehen sich durch Alina Hofmaiers Werke. Neben drei großformatigen Wandteppichen zählen verschiedene, aufgereihte Werkzeuge, eine Jeansjacke mit Aufschrift „Work“ sowie einige Kräutertöpfe zu ihrem Ausstellungsstücken. Sofort erkennbar wird Hofmaiers kritische Auseinandersetzung mit den stereotypischen Merkmalen der Frau. Tränen, Tampons und das weibliche Geschlecht sind auf den Wandteppichen zu finden, die sich jeweils mit einem bestimmten Thema beschäftigen. Dabei wird die weibliche Pubertät, der männliche Blick auf die Frau und deren Fruchtbarkeit thematisiert. Auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist die zusätzliche, versteckte Materialbotschaft, die Hofmaier in ihre Arbeiten einnäht. Die Wandteppiche, das Werkzeug und der Schriftzug der Jeansjacke sind alle aus Putzlappen gefertigt. Putzen – etwas, wofür (leider) immer noch hauptsächlich Frauen im Haushalt zuständig sind. Bis ins Detail sind die Werkzeuge, die in der Gesellschaft das männliche Pendant darstellen, daraus genäht. Dekorativ hängen sie an der Wand und sind durch ihre Materialität ihrer ursprünglichen Aufgaben entfremdet worden.

Lisa Nase, Foto: Julia Anna Wittmann.

Direkt nebenan präsentierte Lisa Nase ihre Arbeiten. Sie bedient sich dabei der Medien Fotografie und Video um Screens in andere Welten zu erzeugen. Nase erzählt gerne Geschichten und regt die Fantasie der Besucher*innen an. In ihren Videoinstallationen verschwimmen verschiedene Realitäten miteinander und in ihren Fotografien sind Ufos zu finden – wenn man selbst offen dafür ist. In Bijke van Soest Arbeiten ist vor allem eines zu finden, Symmetrie und Struktur. Ihre geometrische Formensprache zieht sich durch alle Materialien. Wiederkehrende Grafiken sind auf Stoff, Papier und Keramik zu finden.

Bijke van Soest, Foto: Julia Anna Wittmann

Das Oktoberfest ist zwar vorbei aber bei Nora Endrich gab es gebrannte Mandeln, Lebkuchenherzen und Schießstände der etwas anderen Art zu sehen. Dabei arbeitet die Künstlerin mit Symbolen und Bildern, die uns sehr vertraut sind. Doch hinter der Volksfestästhetik verbirgt sich eine makabere Botschaft. Auf den Lebkuchenherzen ist unter anderem „ein Herz für Bikinis“, „Diesel ist super“ und „Kreuzfahrt“ geschrieben. Darüber fliegt ein Polizeiluftballon. Der Schießstand ist nicht wie üblich mit einem Luftgewehr, sondern mit mehreren Maschinengewehren ausgestattet und beim Dosenwerfen kann auch der Stein genommen werden. Damit bezieht sich Endrich auf die aktuelle politische Situation in München, die durch die Landtagswahlen und das neue Polizeiaufgabengesetz in den letzten Wochen sehr angespannt war. Waren es doch vor allem die konservativen und rechtspopulistischen Parteien, die mit ähnlichen Bildern an das Traditionsbewusstsein ihrer Bürger appellieren und sich für mehr Überwachung ihm Freistaat einsetzten. Die Künstlerin möchte die Besucher*innen vor allem zum Überlegen anregen. Schmeiße ich den Stein?

Im Gegensatz zu Nora Endrichs starken Symbolen und Bildern, sind Victor Lohrs Arbeiten nicht zu sehen. Bei ihm muss man gut hinhören. In seinem Ausstellungsraum, das Kellergewölbe der Akademie, lockte der Bass schon von weitem. Dort angekommen, durfte man unter einer Discokugel platz nehmen und Lohrs Abschlussarbeit lauschen, die er auf einer CD zusammengefasst hatte. Seine durchdringende Musik erinnert an einen Club Besuch – an einen sehr guten Club Besuch, einen an den man sich noch lange erinnert.

WO: Akademie der Bildenden Künste München, Akademiestraße 2-4, 80799 München.

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