Holzauge sei wachsam „And the forests will echo with laughter ...“ in der ERES-Stiftung
14. Juli 2020 • Text von Quirin Brunnmeier
Der Wald ist nicht nur in Zeiten von Corona ein beliebter Rückzugs- und Sehnsuchtsort. Die Beziehung der Deutschen zu ihrem Wald ist dabei traditionell eine ganz besondere. Märchen und die Romantik, Naturschutz und Wandervögel. Der Wald dient schon lange als Projektionsfläche für unterschiedlichste Strömungen. In der neuen Ausstellung der ERES-Stiftung ist der Wald nun mitten in der Stadt zu erleben, aus ungewöhnlichen Perspektiven.

Links: Tue Greenfort: Daimlerstraße 38, 2001, Courtesy the artist and KÖNIG GALERIE, Berlin/London/Tokyo, © Tue Greenfort, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber; Rechts: Hans Schabus: Im Tiefen Wald, 2020, © Hans Schabus/Bildrecht GmbH, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Besucht man derzeit die Räume der ERES-Stiftung, findet man sich unverzüglich an einen anderen Ort versetzt. Öffnet man die Eingangstüre, betritt man direkt eine kleine Holzhütte. Der Duft von frischem Harz schafft es auch durch die Maske in die Nase. „Im Tiefen Wald“ des österreichischen Künstlers Hans Schabus ist eine architektonische Intervention, die den bestehenden Raum tatsächlich konvertiert. So entsteht eine hölzerne Kapsel, in der man sich gleichzeitig geboren und beengt fühlt und die den Ton der Ausstellung „And the forests will echo with laughter …“ setzt. Der Wald, als Ort und als Idee, hat viele Funktionen und weckt unterschiedlichste Assoziationen: Er ist Schutzort und Gegenentwurf zur Zivilisation, Wirtschaftsgut, Lebensraum, Sauerstoffproduzent, CO2- und Wasserspeicher, aber immer auch ein Sehnsuchtsort, magisch und bisweilen unheimlich.

John Cage: Mushroom Book, 1972 (mit Lois Long und Alexander H. Smith), Illustriertes Buch mit 20 Lithographien (Detail), Privatsammlung © 2020 John Cage Trust, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber.
Durch zwei Fenster in Hans Schabus‘ Installation kann man einen ersten Blick in die Ausstellung werfen. Die zwei Projektionen von James Bennings Videoarbeit „Two Cabins“ zeigen die Perspektiven zweier ungewöhnlicher Waldbewohner. Benning rekonstruierte die ikonischen Hütten des legendären Aussteigers Henry David Thoreau und des berüchtigten „Unabombers“ Ted Kaczynski und nutzt diese Strukturen, um utopische und dystopische Versionen sozialer Isolation zu verhandeln. Dystopisch und doch poetisch wirkt auch Klaus Littmanns Projekt „For Forest“. Der Schweizer hat im Sommer 2019 auf dem gesamten Spielfeld des Wörthersee Stadions in Klagenfurt einen Mischwald installiert. Das Projekt lehnte sich an die Bleistiftzeichnung des österreichischen Malers Max Peintner „Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“ an. Ein Stadion als Aufbewahrungs- und Ausstellungsort von Natur, betrachtbar in einem hochtechnisierten Umfeld.

Martin Kippenberger: Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald, 1993, © Sammlung Johann Widauer, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber.
Natur und Kunst, urbaner Raum und wilde Flora wie Fauna werden in den Arbeiten in der Ausstellung aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und mittels unterschiedlicher Strategien verhandelt. Für die Serie „Daimlerstraße 38“ lockte der dänische Künstler und Umweltschützer Tue Greenfort in einem Industriegebiet im Osten Frankfurts lebende Füchse mit Würstchen vor eine versteckte Kamera. Greenfort baute “Fallen” aus Material, das er in der Gegend gefunden hatte und positionierte eine Kamera in ihnen. Sobald ein Fuchs in die Wurst biss, aktivierte dieser die Kamera und machte so ein Selbstportrait. Eine Woche später hatten die Tiere gelernt, die Wurst zu essen, ohne fotografiert zu werden. John Cages „Mushroom Book“ wiederum spielt mit Mythen, die sich um Pilze und deren Wirkungen ranken und Martin Kippenbergers Installation „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“ verbindet anarchistischen Humor mit dem Topos „Wald“

Persijn Broersen & Margit Lukács: Mastering Bambi, 2010, © the artists / AKINCI, Amsterdam, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber.
Im letzten Raum der Ausstellung wird auch die popkulturelle Eben der Darstellung des „Waldes“ in den Fokus gerückt. Die Videoarbeit „Mastering Bambi“ des niederländischen Künstlerpaars Persijn Broersen & Margit Lukács präsentiert eine konstruierte Natur in 3D, die im Wechsel zwischen Virtuellem und Realem changiert; eine inszenierte Wildnis. Die Ausstellung „And the forests will echo with laughter …“ zeigt eine breite Auswahl an Arbeiten, die sich dem kulturellen wie natürlichen Raum “Wald” nähern und ihn als soziales Konstrukt in den Fokus stellen. Mittels der treffenden Exponaten erkundet die ERES-Stiftung unser Verhältnis zum Wald, das lustvoll und zugleich vielschichtig ist.
WANN: Noch zu sehen bis zum 27. März 2021. Ausstellungsbesuch vorerst nur nach vorheriger Online-Anmeldung.
WO: ERES-Stiftung, Römerstraße 15, 80801 München.