Endlich mal wieder nur ein Film!
Das neue Kino im Kunstverein

23. Februar 2016 • Text von

Seit dem 12. Februar können wir uns über einen neuen Raum für Film im Kunstverein München freuen. Besonders mag eine Black Box in Ausstellungsräumen nicht mehr sein, vielmehr wird sie mittlerweile als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Doch durch die Entscheidung für einen geschlossenen und eigens kuratierten Kinoraum gelingt es dem Kunstverein zu überraschen, denn für den Film bedeutet die Konzentration auf das Einzelwerk ein Aufatmen.

Unter der Obhut des hierfür verantwortlich gemachten Filmkurators Vincent Stroep und dem Direktor des Hauses Chris Fitzpatrick wird dem einzelnen Film mal wieder mehr Raum zugesprochen, indem man sich für einen Kinoraum entschieden hat. Fast ungewohnt erscheint dieses Filmerlebnis und zeigt uns auch das Dilemma der Präsentationsmöglichkeiten des Mediums  auf, das zwar weitreichend diskutiert wurde, dennoch in der Praxis der Kunstschauen vielmals scheitert.

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Bild: Arvo Leo, Still from Fish Plane, Heart Clock, 2014 HD Video © Courtesy of the Artist, Kanada

Oft wird durch das viele synchrone Nebeneinander in Ausstellungsräumen beim Rezipienten eine Überforderung hervorgerufen und auch die Werke untereinander geben sich wenig Raum, ständige Alternativen schaffen innere Konkurrenzen. Der Film als zeitlich gerahmtes Kunstwerk wird oft im Flanieren durch die Ausstellungshäuser nie in seiner Ganzheit erfasst, denn hier ist der Besucher flexibel. Einige Film- und Kunstwissenschaftler, wie beispielsweise Gregor Stemmrich sehen darin den Film durch seine Struktur unfähig sich neben anderen Werken zeitlich absolut zu setzen. Ein Kino aber gilt als strukturell immer gleicher Raum und bietet dem Film die größte Aufmerksamkeit, denn er setzt Regeln, die das Im-Vorbeilaufen-überfliegen nicht zulassen, denn es gibt keine Alternativen. Volker Pantenberg beschreit das Kino als russische Puppe, deren Kern der Film ist: außen gibt es feste Rituale, wie die Platzierung im Raum, die Türe wird geschlossen, das Lichte geht aus, nach dem Film, der Abspann, das Licht geht wieder an und die Tür auf. Die Intention dem Film diese Aufmerksamkeit einzuräumen ist im Kunstverein zu spüren.

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Bild: Kamal Aljafari, Still from Recollection, 2015, DCP © Courtesy of the Artist

Ziel dieses Kinoraums ist, wie es der Kunstverein auf der Website vermittelt, die Anerkennung des Films als Kunstwerk. Dass der Film mittlerweile fester Bestandteil großer Ausstellungen ist und auch in den Museen an Präsenz gewinnt, ist in den letzten Jahren deutlich geworden und hat die Frage nach dem künstlerischen Wert deutlich unterstrichen. Dennoch passiert die Wertschätzung des Einzelwerks nicht alleine durch den Einzug in die Ausstellungsräume, sondern fordert genauso seine adäquate Präsentation, um den Film in seiner Ganzheit erfahrbar zu machen. Denkt man an die  Biennale 2015 in Venedig, so wurde es – beachtete man die Kritiken – oft als ein „zu Viel“ beschrieben. Das mag sicher zum einen an der Quantität liegen, zum anderen fällt es aber vor allem auf, dass das Mediums oft nicht bestmöglich und für das Einzelwerk nicht hinreichend ausgestellt wurde. Ein Extremfall waren die in einem seitlich begehbaren Raum gezeigten Alexander Kluge Filme im Giardini der Biennale: An allen drei Wänden des Separeés lief jeweils ein Film. Die einzelnen Filme übertönten sich und störten sich zudem visuell, so dass man sich fragen musste, ob es hier nicht mehr um eine besondere Hervorhebung des Schaffens des Künstlers ging, als um die Werke selbst.

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Bild: Film curator of Kunstverein München Vincent Stroep © Vincent Stroep and Kunstverein München

Die gängig gewordenen Praxis, Bewegtbilder im Ausstellungsraum zu zeigen, gelingt also nicht immer. Dennoch ist die Frage zu stellen, inwieweit die Ausstellung das Nebeneinander rechtfertigt, indem die Werke untereinander einen Dialog eintreten können. Es bleibt ein ständiges Abwägen und Entscheiden. Für das diesjährige Jahr ist es schön in der Manier eines Filmmuseums im Kunstverein ausgewählte Filme, Dias, Animation und Video sehen zu können. In einem dreiwöchigen Wechsel wird in einem geschlossenen Kinoraum je eine Arbeit gezeigt. Je nach Dauer wird der Filmbeginn angepasst und festgelegt. Ein Künstlergespräch und eine Einführung wird den Filmen beim jeweiligen  Eröffnungsabend vorausgehen. Eine geplante Publikation wird das gezeigte Programm dann später nachvollziehbar machen. Der erste und aktuell laufende Film Fish Plane, Heart Clock (2014) von Arvo Leo, beginnt zu jeder vollen Stunde innerhalb der regulären Öffnungszeiten. Eine poetische Geschichte über den Inuit Künstler Pudlo Pudlat (1916 – 1992). Am 4. März wird er abgelöst von Kamal Aljafaris Recollection, ein Film, der sich mit der ursprünglich eigenständigen Stadt Jaffa auseinandersetzt und wie der Titel verrät, das frühere Jaffa durch alte Filmaufnahmen in Erinnerung ruft.

WANN: Neue Screenings finden in einem dreiwöchigen Zyklus statt, das nächste ab 4. März 2016.
WO: Kunstverein München, Galeriestraße 4, 80539 München.

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