Im Garten des Grauens Emma Adler in der Galerie Anton Janizewski
13. September 2024 • Text von Carolin Kralapp
Der reale Horror: Emma Adler hat in “STRG-Z” in der Galerie Anton Janizewski ein grausiges Gartenszenario erschaffen. Bei flackerndem Licht und Nebel bewegen sich KI-generierte Zombiefratzen zwischen hohen Metallzäunen und abgestorbenen Baumwurzeln. Ausgehend von fehlerhaft erzeugten Propagandabildern entlarvt die Künstlerin in ihrer multimedialen Installation die Widersprüche von Extremismus und Alltagsrassismus in der deutschen Gesellschaft.
Der Blick in die Galerie Anton Janizewski ist versperrt – Klebefolie an den Fensterfronten erlaubt keinen Blick nach innen und keinen nach außen. Sie taucht den Ausstellungsraum in ein gedämpftes Licht, das sich je nach Tageszeit verändert. Besucher*innen treffen auf Zombiefratzen zwischen hohen Metallzäunen und toten Baumwurzeln, während flackerndes Licht und Nebelschwaden die Szenerie durchziehen. Emma Adlers multimediale Installation “STRG-Z” wird von hohen Metallzäunen mit scharfen Zacken strukturiert. Sie geben die Navigation durch den Raum vor und erzeugen direkt bei Eintritt in die gleichnamige Ausstellung ein Gefühl von Begrenzung und Ausgrenzung.
Das Setting, in dem sich die Besucher*innen wiederfinden, basiert auf einem KI-generierten Bild, das Anfang 2024 vom AfD-Kreisverband Esslingen zum Beginn des Ramadan veröffentlicht wurde. Es zeigt eine vermeintlich fröhliche Grillgesellschaft im Garten, die sich um ein Spanferkel versammelt und den Genuss von Schweinefleisch während des Fastenmonats propagieren soll. Doch das Bild entlarvt sich schnell als Fake: Die verzerrten Gesichter wirken eher unheimlich als fröhlich und entpuppen sich beim näheren Hinsehen als schlecht generierte KI-Fratzen.
Dieses Bild dient auch der Videoarbeit “STRG-Z (Feier)” als Referenz, die oberhalb, aber hinter dem hohen Metallzaun zu sehen ist. Die Zacken ragen in das Bild hinein und die Metallstreben versperren die freie Sicht auf das Video. Durch die hohe Hängung werden Assoziationen an eine Überwachungskamera hervorgerufen. In dem Video wird die Zombie-Gartenszenerie, die die AfD selbst erschaffen hat, im Galerieraum nachgespielt und verfremdet. Weiß-beige gekleidete Personen, die an die rassistische Parolen singende Partygruppe im Pony-Club auf Sylt erinnern, haben sich versammelt, lassen die Gläser klingen und auch ein Schwein taucht gelegentlich auf. Die Stimmung ist unheimlich und schaut man die Darsteller*innen an, wird schnell deutlich, dass es sich auch hier um zombieähnliche Gestalten handelt, die so ausgelassen feiern. Auch ihre Gesichter wurden durch KI entfremdet, jedoch um einiges realistischer als im Ausgangsbild.
Seit 2020 beschäftigt sich die Künstlerin Emma Adler mit Verschwörungstheorien und den Entwicklungen faschistischer Diskurse. Dabei spielen digitale Techniken in den Bilderfluten des Internets eine zentrale Rolle, da sie zunehmend – allen voran von der AfD – für politische Propaganda und der Verbreitung von Falschinformationen missbraucht werden. Die Partei arbeitet ganz bewusst mit zusammengebastelten Bildern: Es geht nicht um das einzelne Bild, sondern darum, das Internet kontinuierlich mit populistischen Inhalten zu füllen, um so schrittweise die Seh- und Denkgewohnheiten der Nutzer*innen zu beeinflussen und durch ständigen Kontakt Sympathie zu gewinnen. Da stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Verbreitung manipulierter Bilder haben wird, wenn auch die technischen Mechanismen hinter künstlicher Intelligenz weiter verbessert werden.
Adler untersucht in diversen Medien den Wahrheitsbegriff, entlarvt die offensichtlichen Lügen in der politischen Kommunikation und verbindet dabei die physische mit der virtuellen Welt. Eine auf eine Aluminiumplatte gedruckte Hand – ebenfalls KI-generiert und offensichtlich fehlerhaft mit sechs Fingern versehen – sowie der darunter gesetzte Schriftzug “Die Wahrheit” dienen in diesem Kontext als klare Referenz in der Ausstellung. Die AfD arbeitet ganz offensichtlich mit fehlerhaften Bildern und kommt trotzdem damit durch. Adlers Arbeit ist tief politisch ohne dabei Lösungen vorzugeben – sie findet eine Ausdrucksform für eine grausame Realität, die längst in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen ist und ganz offensichtlich, mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse, in unterschiedlichsten Menschengruppen Anklang findet. Der Rechtspopulismus agiert schon lange nicht mehr im Verborgenen, sondern breitet sich in den Gärten und über die Zaungrenzen hinaus auf den Straßen dieses Landes aus.
Der Garten, normalerweise ein heimeliger und gemütlicher Ort des Zusammenkommens, verwandelt sich in Adlers Ausstellung bei Anton Janizewski in ein apokalyptisches Territorium. Die Szenerie wird zunehmend düsterer, und die schwarzen Gartenmöbel zerfallen allmählich. Das Unheimliche tritt offen zutage und wird visuell Ausdruck dafür, wie nah das vermeintlich Heimelige, die sogenannte “Heimat”, und das Unheimliche tatsächlich beieinanderliegen können. Wo bewegt sich unsere Gesellschaft in Deutschland hin, wenn das Klima im Miteinander und im politischen Diskurs immer kühler und verbitterter wird? Darauf findet Adler in ihrer Installation und im Titel der Ausstellung eine kurze, aber klare Antwort: “STRG-Z” – wir bewegen uns einen Schritt zurück.
WANN: Die Ausstellung “STRG-Z” läuft noch bis zum 19. Oktober 2024.
WO: Galerie Anton Janizewski, Weydingerstraße 10, 10178 Berlin.