Ein Lobgang auf den Spaziergesang
„Balade“-Ausstellungsparcours durch Charlottenburg

26. Juli 2021 • Text von

Hinter Fassaden versteckte Geschichten, der Klang der Straßen, die Sprachen der Menschen – „Balade“ macht aufmerksam darauf, wo Bordstein endet und Flaniermeile beginnt, wo es lauter und wo es leiser ist. Ein sommerlicher Spaziergang, multisensuelle Eindrücke im 360°-Winkel. An neun Punkten entlang orientiert sich die:der Gehende durch ein Viertel dessen historischer und gegenwärtiger Glanz nur auf umsichtige Blicke wartet. Let’s balade the story out!

Christine Sun Kim: "Daddy Long Arms", Verkehrskanzel. Courtesy: die Künstlerin; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).
Christine Sun Kim: “Daddy Long Arms”, 2021, Vinylprint, Verkehrskanzel. Courtesy: die Künstlerin; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Auch wenn der Spaziergang wohl nie so angesagt war, wie er es heute ist, hat er doch an Geschwindigkeit gewonnen und an Glamour verloren. Es geht um diese 10.000 Schritte am Tag, darum mal raus zu kommen, mal kurz frische Luft zu schnappen. Dem Spazieren ist der Zweck zur Last geworden. Spazieren ist ein Must-do, wie die Maske ein Must-have ist. Aber Flanieren ist das Should-do, sagt „Balade“. Flanieren hat einen gemächlichen Takt, der ermöglicht mit allen Sensoren, die dem Körper zur Verfügung stehen, wahrzunehmen. Wer flaniert darf stehen bleiben, darf um sich sehen, nach oben nach unten, hinter sich. „Balade“ hat in Charlottenburg Hinweise auf Bezirksgeschichte, hier lebende Menschen verschiedener Kulturen und bedeutsame Orte verteilt. Kennenlernen in Schnitzeljagd-Form.

Christine Sun Kim eröffnet den Gang still und doch akustisch. Sie gestaltete für „Balade“ die Verkehrskanzel am Kurfürstendamm, die ursprünglich mal als eine polizeiliche Aussichtsplattform diente. Von dort oben hatten die Beamt:innen die nötige Aufsicht, um den Verkehr der lebendigen Kreuzung zu beobachten und zu regeln. Sun Kim greift diese Vergangenheit farblich auf, indem sie die eine Seite der Kanzel rot und die andere grün gestaltet. Über die Ampelfarben fahren Noten, die sich wie Autos an gestrichelten Linien orientieren und den rhythmischen Regeln der Straße zu folgen scheinen. Sun Kim selbst nimmt eine vielbefahrene Straße überwiegend optisch wahr, da sie taub ist. Ihre Kunst ist ein Abbild ihrer Klangwelt und der von anderen gehörlosen Menschen. Sie referiert in Rot und Grün ebenfalls auf die Farben eines Behindertenausweises. Ihre Kanzel sieht den Puls der Kreuzung und die Flanierenden können es auch. Ihre Kanzel dirigiert.

Delphi_Filmpalast_Außenansicht
“Delphi Filmpalast”, Außenansicht, Balade-Ausstellungsort, Credit: Delphi Filmpalast.

Von Beginn an macht „Balade“ deutlich, dass eine flexible Perspektive das A und O des Weges ist. Der kurze Gang von der Kanzel zum „Delphi Filmpalast“ ist jetzt schon beschwingter. Schwingend, oder besser: Swinging – das ist das perfekte Stichwort für diesen Ort. Was heute Filmpalast ist, war mal Tanzpalast. Das Berliner Nachtleben schwappte hier á la Babylon Berlin über den Rand der Champagnerschale. Immer noch ein Ort an dem die wild prickelnde Brause zu kleben scheint. Hier zeigt Jimmy Robert seinen elfminütigen Film „Cruising“. Die Arbeit entstand bereits 2019 und wurde dieses Jahr für „Balade“ im Ton editiert. Die Bedeutung des Titels ist doppelt: In der queeren Szene geprägt steht „Cruising“ für die Suche nach Sexualpartnern:innen, spontan und meist anonym. Wer cruist beobachtet das Umfeld genau, liest Signale, die oft wortlos gesendet werden. Cruising umschifft Konventionen. Das Wort kann in anderen Kontexten aber auch schlicht „herumstreifen- oder fahren“ bedeuten.

Der Film zeigt eine Gruppe junger, diverser Menschen, die um das Parlamentsgebäude in Bukarest herumstreifen und thematisiert kritisch die fehlende Sichtbarkeit des queeren Körpers in der rumänischen Öffentlichkeit. Für den Bau des Parlamentsgebäudes, einem Komplex der Superlative, wurden Ende der 70er-Jahre 40.000 Wohnhäuser, Kirchen und Synagogen abgerissen. Das Gebäude hat im Sinne der maximalen Repräsentation des Staates das Individuum verdrängt.

Jimmy Robert: "Cruising", 2019/21, Video Still
Jimmy Robert: “Cruising”, 2019/21, Video Still. Courtesy: der Künstler, Stitger Van Doesburg, Amsterdam, und Tanya Leighton, Berlin.

Die akustischen Fäden des Filmes bilden Originalaufnahmen von Ana Petrescu, der Architektin des Gebäudes, und demgegenüber einschneidende traditionelle rumänische Melodien, denen ein elektronisch-wabernder moderner Ton untergemischt wurde. Diese beiden Klang-Ebenen fechten miteinander, wobei die spezielle Melodie der lauten und selbstbewussten Stimme Petrescus gegenüber fein und verletzlich erscheint. Viele Einzelne verlieren gegen ein Großes.

Gebaut wurde das Gebäude aus rumänischen Materialien, jeder Stein der Fassade, jeder statische Balken soll die Kraft des Landes verkörpern. Die facettenreichen menschlichen Körper, die sich in der Nähe zueinander stützen und stabilisieren, stehen dem Bau-Giganten vereint und doch verloren gegenüber. Der Staat dominiert. Die Architektur steht nicht im Einklang mit den Bedürfnissen der Individuen, die es bestenfalls repräsentiert. Es ist kein Einklang, es sind zwei sich widersprechende Klänge. Zwei Melodien, zwei Welten zwischen denen es keinen fließenden Übergang gibt. Auf feine, sich nicht aufdrängende Art und Weise betont Roberts Film die problematischen Folgen eines Denkens in Superlativen.

Studio Pandan: "UN_DOING CLASS", 2021, Digitalprint auf Fahne, Savoy Hotel
Studio Pandan: “UN_DOING CLASS”, 2021, Digitalprint auf Fahne, Savoy Hotel. Courtesy: Studio Pandan; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Zurück auf der taghellen Fasanenstraße, die Augen blinzeln noch die Dunkelheit des Kinosaals weg, steht man auch schon vor dem nächsten Kunstwerk. Vor dem Savoy Hotel, ebenfalls ein Gebäude, das noch im Glanz der goldenen 20ern strahlt, ragen drei Flaggen in die Höhe. In touristischem Grafikdesign gestalteten Pia Christmann und Ann Richter von “Studio Pandan” diese Flaggen im Rahmen ihrer Serie “UN_DOING”. Die Künstlerinnen hinterfragen mit ihrer Arbeit gesellschaftliche Konstrukte. In diesem Fall klammern sie die staatlich repräsentative Funktion der Flaggen aus indem sie sie zum Träger von Handtuch-Romantik machen. Statt der Demonstration von politischen-sozialen Zugehörigkeitsgefühlen und fern ab von Instrumentalisierbarkeit preisen diese Flaggen den Kitsch. Bunte Sonnenuntergänge, springende Delfine in der sonnenlichtdurchfluteten Bucht. Wellen, Palmen und goldglänzende Schreibschrift wurden humorvoll vor die altehrwürdige Fassade gehängt. Wenn der Wind gut steht entfaltet sich der Kitsch in seiner ganzen Pracht.

Auch das Wetter spielt seine Rolle, es beeinflusst die Stimmung vor Ort und die Sichtbarkeit der Werke. Ob es auf die Flaggen regnet oder die Sonne ihren sommerlichen Schein unterstreicht, ist ein sichtbarer und fühlbarer Unterschied – aber Hotel klingt immer nach Urlaub, insofern bleiben die Flaggen hier, trotz all ihrer Verspieltheit, doch auch ein wenig ihrer repräsentativen Funktion verhaftet, indem sie auf die Urlaubs-Vibes des Ortes verweisen. Es ist zwar nicht Hawaii, aber Gold glänzt es hier allemal.

Ulrike Ottinger: Installationsansicht, Institut Français Berlin
Ulrike Ottinger: Installationsansicht, Institut Français Berlin, 2021. Courtesy: die Künstlerin und Contemporary Fine Arts; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Den nächsten Punkt auf der Karte markiert das Institut Français in dessen Räumlichkeiten Ulrike Ottinger zu einer Zeitreise lädt. Der Bummel von der Fasanenstraße zurück zum Kurfürstendamm ist gleichzeitig ein Katzen- und ein Zeitsprung – wenige Meter, vier Jahrzehnte. Ottingers Raum erwartet Besucher:innen das Paris der 60er und West-Berlin der 80er. Ihre Werke verklammern das intellektuelle und künstlerische Leben, das sie selbst zu zwei Zeitpunkten an zwei verschiedenen Städten geführt hat. Jedes Werk ist ein Zeitfenster und öffnet den Blick zurück, in eine Zeit der Umbrüche, der Suche nach Orientierung, nach Beständigkeit in der Kunst- und Kulturszene.

Valeska Gert, Tristan Tzara, Walter Mehring und Allen Ginsberg treffen sich bei der Buchhandlung „Calligrammes“ – heute nachgebildet im Institut Français, damals in den 60ern in Paris.  Vier von Ottingers Filmfiguren aus „Freak Orlando“, 1981, und „Dorian Grey im Spiegel der Boulevardpresse“, 1984, versammeln sich in der Mitte des Raumes, sie schreiten, sie streiten, werfen ihre pompösen Gewänder hin und her – und doch regt sich eigentlich nichts außer die Erinnerung. Es ist als würden sich die schillernden, mutigen Geister der Vergangenheit bei Ottinger wieder zusammenfinden, als würden sie aus den Seiten des „Calligrammes“-Gästebuches sprechen, sich weiter austauschen und inspirieren. Deutsch-französische Freundschaften schließen sich seit 1950 bis heute hier am Ku’damm.

Slavs and Tatars: "Pickle Tits", 2018–21, Installationsansicht, Mommsenstraße
Slavs and Tatars: “Pickle Tits”, 2018–21, Installationsansicht, Mommsenstraße. Courtesy: die Künstler:innen, Tanya Bonakdar Gallery, New York City; Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin; Raster Gallery, Warschau; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

So belebend sich die Bilder der Vergangenheit auf den Geist auswirken, so beruhigend legen sie sich auf den bummelnden Körper. Die Schrittgeschwindigkeit hat sich spätestens jetzt halbiert. Die Augen flanieren über den Gehweg, hoch über die Fassaden zum Himmel. Alles ist auf einmal ruhiger. Weniger fahrende Autos, mehr parkende. Der Klang der Nebenstraßen bezeugt, dass Menschen zwischen Kantstraße und Ku’damm nicht nur shoppen, sondern vor allem leben. Das Abbiegen hat dem Bezirk seine hastige Maske abgenommen.

Entlang des gelben Balade-Fadens schlängelt man sich in Ruhe zu den muttermilchspritzenden Litfaßsäulen von Slavs and Tatars. Zwei Litfaßsäulen tragen die giftig grünen „Pickle Tits“ mit Stolz. Sie ragen mit wortwörtlich erhobener Brust über den parkenden, von Lindensekret klebrigen Autos hervor und lassen die Milch optisch nur so auf sie herabfließen. Die Milch schreibt ein Muttermilchgedicht, das in fünf Sprachen – Deutsch, Hebräisch, Polnisch, Russisch und Türkisch – übersetzt ist: „The Soured Rule, No Mother’s Best, Curd Milk Oozing, From its Breast“. Das Kollektiv nimmt Bezug auf die multikulturelle Gemeinschaft der Nachbarschaft und nutzt die niedrige Schwelle des Mediums Litfaßsäule bestmöglich. Alle sollen auf die Rolle von Müttern aufmerksam gemacht werden, die sich leider nicht selten mit machthabenden Gürkchen auseinandersetzen müssen. Toxische Cis-Männer oben, die angezapfte Mutterbrust, das rausfließende saure Problem. Diese Milch ist ungenießbar, das Plakat präsentiert das Problem jedoch absolut humor- und geschmackvoll.

Bettina Pousttchi: "Fluidity Flag 1", 2021, Digitalprint auf Fahne, Rathaus Charlottenburg
Bettina Pousttchi: “Fluidity Flag 1”, 2021, Digitalprint auf Fahne, Rathaus Charlottenburg. Courtesy: die Künstlerin und Buchmann Galerie, Berlin; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Entlang des gelben “Balade”-Wurmes schlängeln sich die Flanierenden zum Rathaus Charlottenburg. Ein repräsentatives, dunkles und doch fein verziertes Gebäude, dass daran erinnert, dass Charlottenburg in den 20ern noch zum Raum Groß-Berlin gehörte. Damals hatte man hier sein Ferienhaus. Es hieß: Rausfahren nach Charlottenburg. Auf die Geschichten von repräsentativen Gebäuden geht Bettina Pousttchi gerne ein. Sie kleidet Fassaden ein, um ihre Geschichte nach außen zu tragen, zu hinterfragen, zu erinnern. Für das Rathaus gestaltete die Künstlerin eine Flagge, die das Muster einer historischen deutschen Fachwerkhaus-Fassade aufgreift. Die Farben fließen um das weiße Fachwerk herum und ineinander. Keine Farbe grenzt sich von der anderen ab. Pousttchis „Fluidity Flag“ löst jede Trennungslinie auf, sodass die Regenbogenfarben selbst ein Zeichen gegen Ausgrenzung setzen. Pousttchi will mehr Fluss statt Schubladen und setzt einen stolzen Farbklecks vor die graue eingestaubte Fassade, hinter der man die Schreibtischschubladen nur so knarzen hört.

Jumana Manna: "Old Bread", 2021, Installationsansicht, Museum Charlottenburg-Wilmersdorf
Jumana Manna: “Old Bread”, 2021, Installationsansicht, Museum Charlottenburg-Wilmersdorf. Courtesy: die Künstlerin und Hollybush Gardens, London; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Jetzt wird es grün. Jetzt riecht es nach Natur. Natürlich hatte man hier früher sein Ferienhaus! Und wenn es dann auch noch so eines, wie die Villa Oppenheim war … Man kommt ins Träumen. Hereinspaziert. Treppe hinaufschreiten. Ein eindrucksvolles Gebäude. Jumana Manna kontrastieren die grüne Traumwelt. Ihre Werke sind Natur-Skelette, aus Beton gegossen, Disteln eingeschlossen. Das Material hat sich beklemmend und doch auch schützend um die zarten Pflanzen gelegt. Auf großformatigen Fotografien zeigt sie ihre Inspirationsquelle: große achtlos in die Natur gegossene Betonfladen, die nach den Bauarbeiten übriggeblieben waren. Irgendwo muss das Zeug ja hin. Es verändert seinen Zustand, wird fest und zerstörerisch. Die Natur muss weichen, auf kreisrunden Flächen den Atem anhalten.

Der Zyklus des Lebens beschäftigt Manna auch in ihren Keramiken. Sie bildet altes Brot nach, angelehnt an einen Brauch, dem nach übriggebliebenes Brot geteilt wird, indem man es für andere zugänglich vor die Haustür legt. So liegt auch Mannas Ton-Brot draußen auf dem Balkon. Es liegt dort in Mengen. Es ist zum Teil noch frisch, zum Teil aber auch vertrocknet. Es sieht hier und da leicht gammlig aus. Brot ist offensichtlich ungerecht verteilt. Wo es gebraucht wird, fehlt es, wo es ist, wird es weggeworfen. Die Verschwendung macht nachdenklich.

Haris Epaminonda: "Chimera", 2019, digitalisierter Super 8 Film, Sound von Kelly Jayne Jones
Haris Epaminonda: “Chimera”, 2019, digitalisierter Super 8 Film, Video-Still, Sound von Kelly Jayne Jones. Courtesy: die Künstlerin, Rodeo London/Piraeus; Casey Kaplan, New York; Galleria Massimo Minini, Brescia.

Nächster Anlaufpunkt ist die Abguss-Sammlung. Hier zeigt Haris Epaminonda ihren Film „Chimera“. Beim betreten der Räumlichkeiten fallen zunächst jedoch die unzähligen strahlend weißen Nachgüsse römisch-griechischer Skulpturen ins Auge. Sie wiegen sich in der von Kelly Jayne Jones geschaffenen Sound-Atmosphäre des Films, die aus der versteckt liegenden Blackbox herausschwappt. Die Klänge sind Wegweiser zum Film. „Chimera“ ist ein geografisches Puzzle, dessen Super8-Teile staubig, goldglänzend, felsig, ornamental und organisch sind. Was sich ergibt, ist ein archäologisches Bild. Die Bilder und Klänge saugen ein in eine Welt der ursprünglichsten Hochkulturen und senden ihr Echo mitten ins Herz der Abguss-Sammlung.

In der kleinen Orangerie des Schloss Charlottenburgs fühlt sich alles wieder ganz anders an. In dem hohen Raum mit den großen Fenstern riecht es nach nassem Erdreich – fast modrig, aber nicht unangenehm. Das Wetter und die Natur vor den Fenstern bestimmen, wie es hier riecht, wie warm, feucht oder trocken es hier drinnen ist. Bewacht wird der Raum von Willem De Rooijs „Bouquet XVI“, einem übergroßen Strauß aus getrockneten Palmenwedeln und -blättern. Abgeschnitten und kompostierbereit, sammelte der Künstler die Blätter in botanischen Gärten zusammen. Sie repräsentieren alle Kontinente der Welt und bilden in ihrer Trockenheit einen starken Kontrast zur prunkvoll geordneten und saftigen Umgebung des Schlossgartens.

Willem de Rooij: "Bouquet XVI", 2015, Arrangement aus getrockneten Palmwedeln zusammengestellt von Blossom, Berlin, Vase, Sockel, Kleine Orangerie Schloss Charlottenburg
Willem de Rooij: “Bouquet XVI”, 2015, Arrangement aus getrockneten Palmwedeln zusammengestellt von Blossom, Berlin, Vase, Sockel, Kleine Orangerie Schloss Charlottenburg. Courtesy: der Künstler und Regen Projects, Los Angeles; Fotograf: Eike Walkenhorst (Balade Berlin).

Im Zusammenspiel mit dem Raum entwickeln sich unerwartete Deutungsansätze des Kunstwerkes: Die hohen Wände und Fenster muten gotisch-sakral an, dann noch die Palmenwedel – das Bouquet könnte auch religiös gelesen werden. Jede Pflanze als Symbol einer Religion und alle versammeln sich harmonisch in einem Raum. De Rooij selbst hat, wie er vor Ort erzählt, in Bezug auf sein Werk nicht an Religionen gedacht, aber ihm gefallen die sich ständig wandelnden Deutungsspielräume, die seine Pflanzen an verschiedenen Orten eröffnen. Die trocknende Pflanze verweist kunsthistorisch eigentlich immer auf einen Vanitas-Moment, aber hier ist die Trockenheit das, was die Pflanze und das Kunstwerk über viele Jahre hinweg am Leben erhalten wird. Die stärkste Aussage ist so gesehen: Die bedrohte Natur muss bleiben, sie muss erhalten, sie muss gerettet werden. Wir sollten unser naheliegendes Umfeld im Auge behalten und achtsamer spazieren gehen. Am besten alle zusammen. Mit „Balade“ können wir damit direkt anfangen.

WANN: Der “Balade”-Ausstellungsparcours, kuratiert von Carina Bukuts & Liberty Adrien, kann noch bis Sonntag, den 22. August, abgegangen werden.
WO: An mehreren Standorten in Berlin-Charlottenburg.

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