Ein eisernes Kollektiv
John Baldessari in der Wiener Staatsoper

26. Oktober 2017 • Text von

Bereits seit 1998 lädt die Wiener Staatsoper Künstler ein, die Brandschutzwand vor der Bühne zu gestalten. Zum zwanzigsten Jubiläum wurde John Baldessari gebeten, ein Werk für den „Eisernen Vorhang“ zu schaffen.

Baldessari

Ausstellungsansicht „Curtain – Vorhang“, Marmorsaal, Wiener Staatsoper, museum in progress, Foto: Andreas Scheiblecker, Copyright: museum in progress (www.mip.at)

Kara Walker, Matthew Barney, Thomas Bayrle, Maria Lassnig, Jeff Koons oder David Hockney. Die Liste der Künstler, die bereits den Eisernen Vorhang in der Wiener Staatsoper gestalten durften, ist beeindruckend. Und das ist nur eine Auswahl. Anlässlich des zwanzigsten Jubiläums, wählte eine Jury, bestehend aus Daniel Birnbaum und Hans- Ulrich Obrist, des in Wien ansässigen museum in progress, den Künstler John Baldessari aus, ein Werk für den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper zu schaffen. Das Konzept zu der Gestaltung des Eisernen Vorhangs existiert bereits seit 1998 und wird alljährlich in Kooperation mit der Wiener Staatsoper und wechselnden KünstlerInnen realisiert. Hierfür wird jeweils für eine Spielzeit ein ausgewähltes Stück zeitgenössischer Kunst mit Magneten an der Brandschutzwand befestigt und kann von den Zuschauern vor und nach der Vorstellung und während der Pause betrachtet werden. Im Zuge dieses Projekts wurden bereits verschiedene Arbeiten bekannter Künstler im Opernsaal verwirklicht. Diese werden aktuell im Rahmen einer Ausstellung im Marmorsaal der Staatsoper gesammelt gezeigt. Diese wird nochmals 2018 im Bildraum in Bregenz stattfinden und kann daneben in der Publikation Curtain des Verlags für moderne Kunst betrachtet werden.

baldessari

John Baldessari, Graduation, Eiserner Vorhang, Wiener Staatsoper, museum in progress, 2017/2018, Copyright © John Baldessari. Courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery.

Recht beherrscht schauen die StudentInnen der Graduationsklasse drein, gebannt, erwartungsvoll auf das, was kommen mag, gepaart mit dem Versuch, nicht aus der Norm zu fallen, nicht hervorzuragen auf der Gruppenaufnahme, die zukünftig an alle erinnern wird, die man vielleicht vergessen könnte. Doch trotzdem vergessen sich einige, werden zu schemenhaften Farben ohne Gesicht, ohne Zuordnung. Genau das wiederrum, macht sie auffällig, hebt sie von der Masse ab. Gestrichen aus der Erinnerung oder so auffällig, dass sie nicht reinpassen, in die gut sortierten Reihen. Der Kontrast entsteht jedoch nicht nur durch die Färbung, sondern ebenso durch die Größe der Jeweiligen. Im Körpermaß überragend, stören sie die präzise Anordnung nach Geschlechtern- die Männer stehen hinten, die Frauen vorne. Imposant haben die Männer den Überblick. Die bunt eingereihten Frauen vorne links, rechts und in der Mitte, sind jedoch anders gewachsen als ihre Mitstreiterinnen und stehen dadurch separiert da, in fehlender Zugehörigkeit zu den Geschlechtern.

baldessari

John Baldessari, Graduation, Eiserner Vorhang, Wiener Staatsoper, museum in progress, 2017/2018, Copyright © John Baldessari. Courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery

Baldessari positioniert durch die Darstellung der Gruppe auf dem Eisernen Vorhang eine Menschenmenge mit Blick auf eine Andere- das Publikum der Oper. Unterscheiden lassen sich die beiden Kollektive insbesondere durch ihre Ordnung. Die Graduierten durch Größe und Geschlecht sortiert, die Besuchenden der Oper durch Klassenzugehörigkeit und dementsprechende Möglichkeit der Platzwahl.

Baldessari schaut zurück auf eine Vielzahl an Auszeichnungen wie unter anderem den Goslarer Kaiserring, den Goldenen Löwen der Kunstbiennale in Venedig für sein Lebenswerk, den Lifetime Achievement Award von Americans for the Arts und den Oskar Kokoschka Preis. Geboren 1931 in National City, Kalifornien zählt John Baldessari als Vertreter der Konzept- und Medienkunst, zu den international bedeutendsten und erfolgreichsten Künstlern. In der Verzahnung unterschiedlicher Medien, sah er schon früh die Möglichkeit zur Verbesserung der Künste und wendete sich in den 1970ern im Zuge des Cremation Projects, in dem er alle seiner zwischen 1953 und 1966 entstandenen Malereien verbrannte, der Beziehung von Bild und Sprache zu.

baldessari

Ausstellungsansicht „Curtain – Vorhang“, Marmorsaal, Wiener Staatsoper, museum in progress, Foto: Andreas Scheiblecker, Copyright: museum in progress.

Die Verwendung bunter Punkte oder Ausarbeitungen, ähnlich wie im Werk des Eisernen Vorhangs, zeichnet traditionell Baldessaris Werke aus. Vermehrt auf Gesichtern einzelner Personen positioniert, lenkt er den Fokus von der Betrachtung des Individuums auf die Gesamtkomposition und schafft durch die Anonymisierung der Figuren eine Abstraktion, die zu konkreten Assoziationen über das reale Leben führen kann.

WANN: Zu sehen während der Saison 2017/18.
WO: Wiener Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien. Nähere Informationen gibt es hier.

Weitere Artikel aus Wien