Die Pankower Kunstszene lädt ein Offene Ateliers beim artspring Kunstfestival 2021
3. Juni 2021 • Text von Carolin Kralapp
Das jährlich in Berlins Großbezirk Pankow stattfindende Kunstfestival artspring feiert seinen Abschluss auch in diesem Jahr mit einem Wochenende geöffneter Ateliers. Über 300 Künstler*innen zeigen ihre Arbeiten und stehen für den direkten Offline-Austausch bereit. gallerytalk.net durfte vorab einen Blick in einige Ateliers werfen und stellt vor, welch buntes Programm die Besucher*innen am Wochenende erwartet.

Das artspring Kunstfestival lädt jährlich zu einer Erkundungstour der Pankower Kunstszene ein. Durch Corona im letzten sowie diesem Jahr in einem etwas anderen Format, aber nicht weniger umfangreich an Angeboten, bietet das Festival die Möglichkeit, die Frühlingstage mit Kunst, Musik und Literatur zu verbringen. Wir wollen uns einigen künstlerischen Positionen widmen und einen Vorgeschmack geben auf das, was das Publikum zum krönenden Abschluss des Festivals erwartet: das Wochenende der offenen Ateliers.

Die Arbeiten der Künstlerin Ines Doleschal, die Einblicke in ihr Atelier im Prenzlauer Berg gewährt, drücken das große Interesse für die Formen- und Farbenkompositionen des Bauhauses unverkennbar aus. So finden sich in ihrem Oeuvre beispielsweise eine Serie, die von den Weberinnen der Kunstschule, wie Anni Albers oder Gertrud Arndt, inspiriert ist oder aber von der Farbpalette der Meisterhäuser. Während des ersten Lockdowns fertigte die Künstlerin jeden Tag ein quadratisches Blatt an, um ihrem Tag Struktur und Rhythmus in einer unbeständigen Zeit zu verleihen. Sie stellte sich die künstlerische Aufgabe, mit dem Quadrat als äußere und dem Kreis als innere Form und Gestaltungselement zu arbeiten. Ines Doleschal verwendete dafür unter anderem alte Studienblätter, Schriften oder aber auch gemalte Bilder ihrer Kinder, die in dieser Zeit zuhause betreut und beschult wurden. Entstanden ist eine umfangreiche Serie mit rund 130 Papieren, die zu einem großen Teil bereits an Liebhaber*innen und Museen verkauft wurden.

Neben ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit, engagiert sich Ines Doleschal außerdem in den Initiativen “fair share” und “Kunst und Kind”. Erstere macht es sich zur Aufgabe, für mehr Sichtbarkeit von Frauen im Kunstbetrieb einzutreten und organisiert beispielsweise Aktionen vor großen Museen, um darauf aufmerksam zu machen, wie wenig Raum den Künstlerinnen aus den Sammlungen in den Ausstellungen gegeben wird. Die letzte Aktion fand am 8. März, dem Weltfrauentag, auf dem Gelände des Kulturforums statt. “Kunst und Kind” setzt sich dafür ein, Strukturen der Kreativbranche mehr zu öffnen und vereinbarer zu machen für Kunstschaffende mit Familie.

Die Künstlerin Anna Mars ist zum zweiten Mal beim artspring Festival mit dabei. Sie ist ausgebildete Kommunikationsdesignerin und Zeichnerin, arbeitet inzwischen aber in erster Linie mit Keramik und Porzellan, was ruhige Hände und viel Feingefühl erfordert. Bei einem Atelierbesuch gibt es Miniaturobjekte zu sehen, Organe, Totenköpfe und anthropomorphe Wesen mit pflanzlichen, menschlichen und tierischen Eigenschaften, die in feinster Handarbeit gefertigt wurden oder noch im Entstehen sind. Alle Objekte kommen ganz zart daher, sind weiß glasiert und hier und da dezent mit Blattgold verziert. Eines ihrer ersten Objekte war ein kleines Herz, das sie für ihren erkrankten Vater anfertigte, erzählt die Künstlerin im Gespräch.

Die zentralen Themen in Anna Mars Werken sind die Bewusstseinszustände von uns Menschen, die Vielfalt des Menschseins im Allgemeinen und die Einladung zur Selbstreflexion. Die Künstlerin verarbeitet flüchtige Begegnungen und tiefgründige Gespräche in ihren Arbeiten und gibt ihnen einen künstlerischen Ausdruck. Auch die Zeit spielt dabei eine bedeutende Rolle: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit und die Akzeptanz, dass die Zeit auch den Blick auf die Dinge verändern kann, manifestieren sich in den Objekten. Die Künstlerin befindet sich in einem dauerhaften Inspirationsprozess, denkt über sich und andere Menschen nach und schaut ganz genau hin, was um sie herum passiert oder wie ihr Umfeld auf sie und ihre Arbeiten reagiert. Anna Mars Keramik- und Porzellanobjekte sind der perfekte Aufhänger für ein Gespräch, das die Künstlerin beim Wochenende der offenen Ateliers gerne mit Interessierten bereit ist zu führen – auch weit über die Kunst hinaus. Im Rahmen des Kunstfestivals gibt es außerdem bis zum 13. Juni Kunst von Anna Mars und vielen weiteren Künstler*innen in einer hybriden Ausstellung im Verwalterhaus Kulturkapellen zu sehen.

Die Bildhauerin und Klangkünstlerin Daniela Fromberg ist von Beginn an Teil des artspring Festivals und steckt gerade intensiv in den Vorbereitungen der Installation “Kabinett des industriellen Elends”, die im Rahmen der IntraRegionale in Hannover zu erleben sein wird. Dort wird sie gemeinsam mit ihrem Mann Stefan Roigk, der ebenfalls Künstler ist, einen Container auf einem Wertstoffhof bespielen. Sie haben dafür Elektroschrott gesammelt und den Klang der einzelnen Objekte aufgenommen. Visuell begleitet wird das Ganze durch Styropor-Landschaften im Raum – Material, das sich das Künstlerpaar ebenfalls zusammengesammelt und vor dem Müll gerettet hat, um daraus etwas Neues zu erschaffen. Der Titel der Arbeit ist angelehnt an Kurt Schwitters “Kathedrale des erotischen Elends”, wie er seinen raumfüllenden “Merzbau”, der heute in rekonstruierten Teilen im Sprengel Museum Hannover zu sehen ist, auch bezeichnet hat.

Am Wochenende der offenen Ateliers können die Besucher*innen bei Daniela Fromberg vor allem eines erwarten – Sound. Geplant ist, alte Platten und Klangarbeiten abzuspielen und zum gemeinsamen Anhören einzuladen. Noch diesen Sommer erscheint bei dem Pankower Label Edition Telemark, einem Label für Klangkunst und Foundational Music, außerdem die neueste LP der Künstlerin. Daniela Frombergs Kunstwerke sind nicht an ein einzelnes Medium gebunden, sie sind ein Zusammenspiel aus Skulptur, Installation und Klang, und entstehen meist ganz intuitiv aus dem Moment heraus und immer mit Materialien, die von uns Menschen achtlos als “Müll” deklariert und weggeschmissen werden.

Die Künstlerin Heike Gallmeier verbindet in ihrer Kunst Skulptur, Malerei und Fotografie und erschafft medienübergreifende Installationen, die in direkter Beziehung zu dem Raum stehen, in dem sie sich befinden. Die inszenierten Fotografien werden mit jenen Objekten kombiniert, aus denen die Bilder entstanden sind. Dadurch verwischen die Grenzen zwischen Raum und Fläche, zwischen dem Objekt selbst, seinem Abbild und der Ordnung beziehungsweise Nicht-Ordnung der Dinge. Die Installation, an der Heike Gallmeier momentan arbeitet, markiert gewissermaßen eine Rückkehr zu ihren künstlerischen Anfängen. Sie verwendet die Keilrahmen früherer Bilder aus dem Studium, die noch deren Farbreste tragen und ihren alten Maltisch. Generell arbeitet die Künstlerin häufig mit Dingen, zu denen sie eine persönliche Beziehung hat, aber auch mit Gefundenem oder Weggeworfenem, das durch seine Farbigkeit oder Struktur ihr künstlerisches Interesse weckt.

Letztes Jahr hat sich Heike Gallmeier mit dem Reisen als künstlerische Handlung beschäftigt, mit dem “Mobile Art Space” ein mobiles Atelier geschaffen und die deutschen Außengrenzen erkundet. Das Thema der Grenzen, auch der eigenen, spielt eine wichtige Rolle in ihrem Werk. Zwei Monate war sie weitestgehend alleine unterwegs und hat an merkwürdigen Grenzorten, Zollstationen, in Wäldern oder Landschaften in ihrem mobilen Atelier temporäre Installationen geschaffen und fotografisch festgehalten. Der “Mobile Art Space” wird beim Wochenende der offenen Ateliers ebenfalls zu sehen sein und im Hof der Ateliergemeinschaft Milchhof von der Künstlerin Annette Gödde bespielt.
Wer noch mehr über artspring erfahren möchte, kann sich die neuesten Folgen des Festival-Podcasts anhören, in denen sich Kunst-Laie Alex Wittner mit teilnehmenden Kunstschaffenden unterhält. Mehr Informationen zum vergangenen artspring Festival 2020 findet ihr hier in dem Beitrag von unserer Autorin Teresa.
WANN: Die offenen Ateliers in Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee sind am Samstag, den 5. Juni, und Sonntag, den 6. Juni, zu besichtigen.
WO: Eine Übersicht aller Stationen findet ihr auf der Website des Festivals.
In freundlicher Zusammenarbeit mit artspring Berlin.