Die Lust am Sehen
Der Maler Felix Becker über Lebendigkeit auf der Leinwand

11. Juli 2019 • Text von

Erkennen von physischer Präsenz in der Malerei – die LOOCK Galerie zeigt mit der Ausstellung „forms ain’t formats“ Werke junger Künstler und Künstlerinnen, die die gestalterischen Möglichkeiten der Malerei austesten.

Felix Becker, untitled (Die Haare von Yves), 2019, Oil on linen. Courtesy the artist.

„Sie muss beansprucht werden, ich muss mich an ihr abarbeiten“ – mit Öl, Lack und Malbutter, Pinsel, Malmesser oder aber Meisel, „die Leinwand oder die Farbe, wie einen Stein bearbeiten“, so erklärt es der junge Maler Felix Becker. Wir laufen durch die kürzlich eröffnete „forms ain’t formats“-Ausstellung in der LOOCK Galerie, in der die Kuratorin Miriam Jesske Positionen junger Künstler und Künstlerinnen vereint, die allesamt die Leinwand nicht nur als Bildträger, sondern genauso als bestimmendes Objekt ihres kreativen Schaffens sehen.

forms ain’t formats, Installation view, Loock Galerie, 2019. Courtesy Loock Galerie.

Vereint in Abstraktion – variieren die ausgestellten Kunstwerke der sechs Maler und Malerinnen jedoch deutlich in ihrem Ansatz, ihrer Erscheinung und Formgebung. Interessant ist die sehr unterschiedliche Herangehensweise der Künstler an ihren Bildträger und dem Umgang mit den Material: Laura Sachs, Meisterschülerin bei Gregor Schneider in Düsseldorf, bemalt die Leinwand von hinten, sodass sich vorderseitig nur eine eher dezente, fast rudimentäre Farberkennung ausmachen lässt, bei Frank Moll, seinerseits Meisterschüler bei Gregor Hildebrandt in München, durchzieht seinen Bildträger mit streifenartigen senkrecht und horizontal verlaufenden Liniengefügen, die ein gleichmäßiges Raster ergeben, sich aber gleichzeitig durch immer wiederkehrende Verformungen durchbrechen. Molls Arbeiten stehen in direktem Dialog mit den kleinformatigeren Arbeiten von Irina Ojovan, ebenfalls Meisterschülerin bei Gregor Hildebrandt, deren in Lack und Öl gehaltene Werke, teils die konstruktiv-geometrischen Bilder eines Josef Albers’ oder die Black Paintings von Ad Reinhardt in den Sinn kommen lassen.

forms ain’t formats, Installation view, Loock Galerie, 2019. Courtesy Loock Galerie.

Es ist genau diese reduzierte Farbskala, das Besondere an den rein schwarzen Gemälde eines Ad Reinhardts, die auch die Malerei von Felix Becker, Student an der Udk bei Valérie Favre und Thomas Zipp, beeinflusst − „Schwarz war eine heilige Farbe für die Abstrakten Expressionisten, es war deren Lapislazuli […]“, wie der britische Kunstkritiker David Sylvester schrieb. Auch Beckers aus den drei Grundfarben Rot, Grün, Blau gemischtes Dunkelblaues, schwarz anmutendes Quadrat, eine Komposition von Ölfarbe auf Papier überzeugt durch seine glatte, dezent glänzende Oberflächenstruktur, die wie fast eine Steinschicht nur in der Mitte durch eine waagrechte Linie gebrochen wird. Und es sind genau diese Schönheitsfehler in den Malereien Beckers, die seine Kompositionen so interessant werden lassen, das Monochrome aufbrechen, die Malerei lebendig machen. Laut Becker „wird die Linie wird durch die Farbe selbst geformt. Sie ist das formende, figürliche Mittel“. Sie lassen figurative Assoziationen, Konturen in den oftmals acht bis neun Farbschichten entstehen – „eine physische Malerei, deren Gestik sich aber nicht aufdrängen, sondern in das Bildkonzept einbinden soll“, wie Becker erklärt. Teilweise dauert der Schaffensprozess seiner Werke 1,5 Jahre. Dass das Medium der Ölmalerei diesen Prozess begründet, ja diese Dauer erzwinge, stört den Maler nicht. Ganz im Gegenteil scheint es der Tiefenwirkung seiner Gemälde, dem Spiel zwischen Bewegung und Licht nur entgegenzukommen.

Felix Becker, Untitled 2019, Oil on linen. Courtesy the artist.

Auch in den teils mit Papier und Ölfarbe bearbeiteten, collageartigen Werken von Fabian Hub, Student bei Thomas Zipp, spielen Linien, die der Künstler in Form von Strichen und Notizen auf seine Bilder setzt, eine tragende Rolle. Ähnlich den malerischen Gedankenkonstrukten Cy Twomblys, scheinen bei Hub seine Eingebungen und Assoziationen skizzenhaft in Grau und Beigetönen auf die Leinwände angebracht, zusammengeklebt und wieder weggenommen. Figurative Elemente lassen sich teils erkennen – am deutlichsten sind diese jedoch im Werk Yannick Riemers auszumachen, der jüngste der ausstellenden Künstler, der ebenfalls durch seine Arbeit mittels Collage obsolet gewordene Landkarten auf Leinwänden anbringt und diese mit kryptischen Zeichen, Kodierungen und pseudowissenschaftlichen Theorien zu spannenden und schwer durchdringbaren Kompositionen aufleben lässt.

forms ain’t formats, Installation view, Loock Galerie, 2019. Courtesy Loock Galerie.

Verdichtung an Strichen und Notizen bei Fabian Hub, Zeichen und Symbole bei Yannick Riemer, wellenartige Formen bei Frank Moll, Geometrie und Prozesshaftes bei Irina Ojovan und Laura Sachs und die Verdichtung an Farbe bei Felix Becker − in ihrem deutlich diversen Ausdruck und Ergebnis lassen die Werke der Künstler doch die gemeinsame Komponente, die der Ausstellung ihre Stärke verleiht, erkennen: das mit jeglichen Mitteln Erproben, Experimentieren und Erkennen physischer Präsenz in der Malerei. Es ist die Bereitschaft, Neues zu erproben, die „Lust am Experimentieren“. Aber auch die große Lust am Sehen.

WANN:Die Ausstellung „forms ain’t formats“ läuft bis zum 10. August 2019.
WO: LOOCK Galerie, Potsdamer Straße 63, 10785 Berlin.

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